Nach den Serienflops «Es kommt noch dicker» und «Auf Herz und Nieren» schickt Sat.1 heute eine klassische Krimiserie on air – gegensätzliches Ermittlerduo natürlich inklusive. Manuel Weis über Lokalkolorit und das fast verschwundene "Sat.1-Gefühl".
Inhalt:
Bayerischer Vorstadtcowboy trifft auf blaublütigen Preußen: Der Polizist Gerry Waiblinger aus dem Münchner Problembezirk Hasenbergl ist ein echter Schlawiner – samt Schnauzer und Krokodilschuhen. Sein neuer Kollege Tristan könnte gegensätzlicher nicht sein. Der Preuße stammt aus einer adligen Familie und kleidet sich mit Seidenschal und feinem Zwirn. Beide lösen ihre Mordfälle mit durchaus unterschiedlichen Methoden. Gerry, bestens vernetzt in seiner Stadt, arbeitet nach dem Prinzip „Eine Hand wäscht die andere“. Hemmungen, sich Infos auch mal auf illegalem Wege zu holen, hat er nicht. Der Graf hingegen ist stets korrekt – und das nicht nur, um seiner neuen Chefin Sally zu gefallen …
Darsteller:
Marc Ben Puch («GSG 9») ist Tristan von Rehnitz
Johannes Zirner («Geld.Macht.Liebe») ist Gerry Waiblinger
Katharina Müller-Elmau («Wie Tag und Nacht») ist Sally Piontek
Teresa Rizos («Dahoam is Dahoam») ist Kiki Lemminger
Kritik:
Absolute Pflichtzutat für jede neue Krimiserie, die in Deutschland derzeit das Licht der Welt erblickt, sind zwei grundverschiedene Ermittler, die in ihr aufeinandertreffen. Das gilt auch für die neue Sat.1-Serie «Der Cop und der Snob». Die Unterschiede der Kommissare wurden diesmal sogar direkt in den Titel gepackt – und werden im Piloten wieder und wieder deutlich. „Du dumme blaublütige Sau hast keinen Schimmer von der Welt. Du glaubst du bist etwas Besseres, weil sie dir deinen Brei mit goldenen Löffeln reingeschoben haben.“ Das sagt der Münchner Polizist Gerry Waiblinger, angelegt als Kumpel-Typ, befreundet mit der Nachtclub-Szene und als jemand, der nicht alles so ganz eng sieht. Nicht umsonst bessert er sein Gehalt durch eine Tätigkeit als Gebrauchtwarenhändler zusätzlich auf.
Gerrys neuer Partner ist nun der von Marc Ben Puch stark verkörperte Tristan von Rehnitz, eben jener Blaublüter, der das gesamte Dezernat (eventuell zu Recht) für korrupt hält und direkt mal ordentlich aufräumen will. Natürlich sind Grundplot und somit die ersten 15 Minuten des Piloten enorm zugespitzt, möglicherweise unrealistisch. Das ist aber nötig, damit die Folge letztlich in Fahrt kommt. Gerade im Zusammenspiel haben die drei wichtigsten Figuren durchaus ihren Reiz. Zu Tristan und Gerry kommt noch Sally Piontek, Chefin des Dezernats. Es macht wahrlich Freude Katharina Müller-Elmau in dieser Rolle zu beobachten. Sie ist nicht nur von der ersten Minute an schon stark ausgearbeitet, sondern mit Müller-Elmau auch ebenso gut besetzt.
Die Chefin ist kühl und unkompliziert, geradlinig und tough – und sie weiß sehr genau, was in ihrer Abteilung passiert. Und wenn sie mal ein oder zwei Augen zudrückt, dann weiß sie auch warum. Als dann im Verlauf der Episode klar wird, dass auch der anfangs ziemlich eindimensional herüberkommende Tristian von Rehnitz deutlich Tiefgang hat, beginnt die neue Produktion Spaß zu machen.
Im Grunde genommen ist das, was die Produzenten Friedrich Wildfeuer und Robin von der Leyen auf die Beine gestellt haben, nichts Neues. Es ist dem Format schon anzumerken, dass sich die Produktionsfirma Constantin Television (scheiterte jüngst mit ihrer RTL-Serie «Die Draufgänger») den Sat.1-Hit «Der letzte Bulle» genau angeschaut hatten. Das, was dort funktioniert, wurde so gut wie möglich mit eingebaut. Das fällt im Falle von «Der Cop und der Snob» nicht einmal negativ auf. Nein, es könnte aufgehen, denn eigentlich würde sich jeder darüber freuen, pro Jahr mehr als 13 Folgen von «Der letzte Bulle» zu bekommen.
Vielmehr gelingt es der Serie, wie auch dem «Bullen» und «Danni Lowinski» etwas aufleben zu lassen, was im Programm von Sat.1 zuletzt über weite, weite Strecken fehlte: Das „alte Sat.1-Gefühl“. Vor allem Mitarbeiter des alten Sat.1 in Berlin sprechen darüber noch heute – seit dem Umzug nach München, den 90 Prozent der Sat.1ler nicht mitmachten, ging genau dieses mehr und mehr verloren. Und damit auch die Zuschauer. «Bulle» und «Danni» kommen noch aus Berliner Zeiten, die beiden kürzlich gezeigten und gescheiterten Serien «Es kommt noch dicker» und «Auf Herz und Nieren» hatten dieses „Sat.1-Gefühl“ nicht. Sie konnten es vielleicht auch nicht haben, da keiner der nun bei Sat.1 verantwortlichen Redakteure dies so ganz genau kennt.
Deshalb darf der Hut vor den nun Verantwortlichen umso mehr gezogen werden. Es gehört Mut dazu, die Hauptfiguren in dieser Art und Weise Dialekt sprechen zu lassen. Zuletzt passierte dies in Sat.1 wohl in diversen Filmen mit Otti Fischer. Der ist aber schon lange aus dem Privatfernsehen verschwunden. Dieses Kulturgut nicht zu verleugnen ist für eine Münchner Serie elementar. Was alles passen muss, damit eine bayerische Serie beim Publikum genau ankommt, weiß Robin von der Leyen ganz genau: Er macht für die Constantin seit fünf Staffeln die Daily «Dahoam is Dahoam», erfolgreich ausgestrahlt im Vorabend-Programm des Bayerischen Rundfunk.
Der eigentliche Fall, den Tristan und Gerry behandeln, bewegt sich auf grundsolidem Niveau. Er kommt nicht an das heran, was die ARD sonntags mit ihrem «Tatort» abliefert, ist aber auch nicht so neben der Spur wie zahlreiche ZDF-Krimis, die einen ebenfalls deutlich regionalen Bezug haben. Schade ist einzig, dass die Trailer und Promos von «Der Cop und der Snob» es nicht geschafft haben, den wirklich wahren Kern der Serie freizulegen. Angepriesen wird sie eher als brutal oberflächliche Gag-Crime-Serie, die mit einem ganz großen Holzhammer arbeitet. Somit wird man der Arbeit der Autoren Dinter, Föhr und Letocha aber nicht gerecht.
Auch wäre der einst angedachte Titel der Serie «Gerry und der Graf» wohl ein passenderer gewesen. Hier ging Sat.1 wirklich mit dem Holzhammer vor – der Grundkonflikt sollte möglichst in jeder Programmzeitschrift fett gedruckt werden. Verglichen mit den zwei bisherigen Serienneustarts im Herbst setzt sich das Krimiformat aus München deutlich an die Spitze. Mit «Der letzte Bulle» kann man noch nicht mithalten. Dieser Vergleich aber hinkt ohnehin: Die Serie mit Henning Baum konnte sich nun 39 Folgen lang entwickeln. Schön wäre es, wenn das neue Format diese Zeit auch hätte.
Sat.1 startet «Der Cop und der Snob» am Montag, 22. Oktober 2012, um 20.15 Uhr. In der ersten Woche werden zwei Folgen gezeigt.