Matthias Opdenhövel vergraulte am Dienstag Fans der niveauarmen Stammtischplauderei mit einem seriösen Talk. Perfekt verlief der Auftakt jedoch trotzdem nicht, sodass noch Luft nach oben bleibt.
Trotz heftiger inhaltlicher Kritik konnte sich Waldemar Hartmanns Talkrunde nach den Länderspielen immerhin sieben Jahre lang halten, was vor allem an den konstant guten Einschaltquoten lag. Doch nachdem ARD-Kommentator Steffen Simon bei seinen Live-Übertragungen der Fußball-EM gleich mehrfach vor einem Millionenpublikum seine Abneigung gegenüber dem Format andeutete und die Sendeanstalt Hartmanns Vertrag nur um ein Jahr verlängern wollte, beendete dieser die Zusammenarbeit komplett. Somit hatte der Schrecken für jeden echten Fußballfan endlich ein Ende. Statt Dampfplauderei im Bierzelt gibt es mit dem
«Sportschau-Club» einen sachbezogeneren Talk, den zunächst Matthias Opdenhövel, Gerhard Delling und Reinhold Beckmann präsentieren werden. Am Dienstagabend lief die Premiere mit Opdenhövel - und entpuppte sich gerade im direkten Vergleich mit «Waldis Club» als ungemein wohltuend, wenngleich der Unterhaltungswert noch zu wünschen übrig ließ.
Konzeptionell ist die Sendung schnell erklärt, denn sie besteht ganz klassisch aus einem Gespräch zwischen Moderator und in diesem Fall drei Gästen. Mit Fußballtrainer Ralf Rangnick, DFB-Teammanager Oliver Bierhoff und dem ehemaligen Bundesliga-Spieler Franz Wohlfahrt setzt man ganz eindeutig auf Fachkenntnis, während sich bei Hartmanns Sendung zuvor noch Guido Cantz, Bärbel Schäfer und Dauergast Matze Knop gegenseitig schlechte Pointen auf ganz niedrigem Niveau um die Ohren hauen durften. Platz nehmen die Gäste auf einer Couch, die jedoch etwas verlassen wirkt in einem recht großen, ziemlich karg eingerichteten Studio. Wer also auf besonders große optische Reize oder Innovationen setzt, der wird hier eine große Enttäuschung erleben.
Und auch wenn die Programmverantwortlichen im Vorfeld so stark betonten, dass man live vom Ort des Geschehens sendet, muss letztendlich konstatiert werden, dass der Nutzen hieraus für den Zuschauer bei null liegt. Man bekommt kaum etwas davon mit, dass man sich gerade in Wien befindet, da abgesehen von einem Blick auf das Treiben in der Stadt zu später Stunde die österreichische Hauptstadt kaum zu sehen ist. Es hätte hier kaum einen Unterschied gemacht, wenn man aus einer beliebigen deutschen Großstadt gesendet hätte. Ja eventuell hätte dies sogar seine Vorteile gehabt, denn so wäre man vielleicht wenigstens vom Lärm im Hintergrund verschont geblieben, der leider die komplette halbe Stunde das Hörerlebnis deutlich beeinträchtigt - zumal hierdurch noch offensichtlicher wird, wie unterkühlt die Stimmung in erster Linie durch das fehlende Publikum eigentlich ist. In dieser Hinsicht hat man sich gegenüber «Waldis Club» klar verschlechtert, das immerhin die Bierzelt-Atmosphäre sehr authentisch darstellte.
Inhaltlich jedoch sind die Verbesserungen ganz offensichtlich. Hatte man früher noch das Gefühl, in einer Freakshow zu sitzen, die sich bestenfalls oberflächlich mit dem Thema Fußball auseinandersetzte, gibt es am thematischen Bezug zum Sport diesmal keinerlei Zweifel mehr. Man bietet seinen Zuschauern nun einen 30-minütigen Talk an, in dem nicht einmal der Versuch unternommen wird, temporär krampfhaft für Witz und leichte Unterhaltung zu sorgen. Allerdings liegt der thematische Schwerpunkt nach wie vor ganz eindeutig nur auf der deutschen Nationalmannschaft, wobei sich die ersten zehn Minuten auf den 2:1-Sieg gegen Österreich beziehen, bevor man noch einmal die vergangene Fußball-EM Revue passieren lässt. Dies alles wird routiniert und ohne wirkliche Hänger durchgezogen, allerdings bleiben wirklich neue Erkenntnisse etwas auf der Strecke. Stattdessen philosophiert man ein weiteres Mal über die Frage, ob der Nationalelf heutzutage die "Typen" fehlen - was bereits in den Wochen nach Turnierende viel zu oft erschöpfend geklärt wurde.
Etwas bedauerlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass bis auf oberflächliche Exkurse bezüglich der österreichischen Nationalmannschaft beinahe überhaupt nicht auf andere Teams dieser Welt eingegangen wird. Im Anschluss an Zusammenfassungen zahlreicher WM-Qualifikationsspiele hätte es sich (zumindest für einen seriösen Fußballtalk) nahezu aufgedrängt, beispielsweise auf die holländische, italienische oder englische Mannschaft einzugehen - oder wenigstens auf die kommenden Gegner der Deutschen in ihrer Quali-Gruppe. Vielen Fußballfans hätte man hiermit sicherlich mehr Freude gemacht als zum gefühlt tausendsten Mal den Charakter des deutschen Teams zu hinterfragen. Doch offensichtlich hat man (noch) nicht den Mut, den gemeinen Gelegenheitsschauer derart abzuschrecken. Dieser dürfte allerdings ohnehin bereits bei der Besprechung taktischer Ausrichtungen oder den Unterschieden zwischen einer flachen und steilen Hierarchie innerhalb einer Mannschaft geistig oder gar physisch abgeschaltet haben.
Matthias Opdenhövel macht als Talkmaster eine erwartungsgemäß gute Figur, ohne jedoch zu brillieren. Ihm gelingt es auf der einen Seite problemlos, die 30 Minuten Sendezeit zu füllen, ohne dass es allzu sehr den Anschein macht, die Themen seien reines Füllmaterial. Auf der anderen Seite entlockt er seinen Gästen aber auch nichts wirklich Überraschendes, stellt keine Fragen, die zu wirklichen Kontroversen führen können und wirkt somit enttäuschend durchschnittlich. Selbst mit Anspielungen und Witzen hält er sich zumeist zurück. Die Einbeziehung aller drei Gäste gelingt ihm zunächst hervorragend, bei der späteren EM-Nachlese hingegen hat Franz Wohlfahrt kaum noch etwas zu sagen und bleibt insbesondere im Vergleich zu Bierhoff somit alles in allem etwas blass. Hieran kann auch der Versuch Opdenhövels nicht mehr viel ändern, ihn in den letzten drei Minuten noch einmal ins Gespräch zu integrieren, indem er etwas über die kommenden Spiele und die Chancen der Österreicher sagen darf.
Alles in allem ist der Auftakt des «Sportschau-Clubs» sehr unspektakulär über die Bühne gegangen. Es kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass er seinem Vorgänger auf diesem Sendeplatz inhaltlich um Längen überlegen ist, jedoch mangelt es noch ein wenig am Unterhaltungswert. Die Abgrenzung zur Nachberichterstattung des Senders ist nicht wirklich gegeben, eher wirkt das Format wie eine etwas gesprächslastigere Fortsetzung selbiger. Verstärkt wird dieser Eindruck natürlich noch dadurch, dass mit Opdenhövel, Delling und Beckmann exakt diejenigen als Präsentatoren fungieren, die auch gemeinsam mit Mehmet Scholl für die Rahmenberichterstattung der Spiele verantwortlich zeichnen. Und auch die qualitativ einwandfreien Einspieler von Bernd Schmelzer sind dem geneigten Zuschauer nur allzu bekannt. Die ganz breite Themenpalette traut man sich leider ebenfalls noch nicht zu, stattdessen geht man sehr deutlich auf die sichere Bank deutsche Nationalmannschaft.
Dennoch ist es erfreulich, dass ein Sender wie Das Erste, das neben einem Unterhaltungs- vor allem einen Bildungsauftrag besitzt, das inhaltlich indiskutable und nicht über Stammtischniveau hinausgehende «Waldis Club» durch ein Format ersetzt, bei dem das Überleben sämtlicher Hirnzellen gesichert ist. Dominierte zuvor noch Dampfplauderei den späten Länderspielabend, kann man nun tatsächlich Menschen beim Gespräch über König Fußball zuhören, die auch wirklich wissen, wovon sie sprechen. Der dringend benötigte Schritt in Richtung Seriosität wurde also gleich in der ersten Folge erfolgreich gemacht, nun jedoch sollte der wohl ebenfalls noch nötige Feinschliff des Konzepts bald erfolgen. Denn noch ist das Zuschauen zwar angenehm, jedoch keinesfalls nötig, denn weder gibt es wirkliche Kontroversen noch kann man seinen Horizont tatsächlich erweitern. Das Grundgerüst einer gelungenen Talkshow nach einem Fußballabend steht, nun bedarf es weiterer Details - und zumindest aktuell noch guter Gäste, die gerne noch etwas unterhaltsamer sein dürfen als es das Trio der Auftaktepisode gewesen ist.