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Die Kritiker: «Waltz with Bashir»

Julian Miller ist sich sicher: Diesen Dokumentation-Spielfilm müssen Sie gesehen haben.

Story


Eines Nachts in einer Bar erzählt ein alter Freund dem Regisseur Ari von einem immer wiederkehrenden Alptraum, in dem er von 26 dämonischen Hunden gejagt wird. Jede Nacht, immer genau 26 Bestien. Die beiden Männer kommen zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zu ihrem Einsatz im ersten Libanonkrieg bestehen muss. Ari ist überrascht, denn er hat jegliche Erinnerung an diese Zeit verloren. Verstört macht er sich auf, Freunde und Kameraden von damals zu besuchen und zu befragen. Er muss die Wahrheit über jene Zeit und über sich selbst herausfinden. Je tiefer Ari in seine Vergangenheit eindringt, desto klarer werden seine Gedanken und die verdrängten Erlebnisse erscheinen in surrealen Bildern.

Ari beginnt sich zu erinnern, an seine Einsätze im Libanonkrieg von 1982 und das Massaker von Schatila. Seine ehemaligen Kameraden, Freunde, Psychotherapeuten und anderweitig an den Militäreinsätzen Beteiligte helfen ihm und steuern ihre eigenen Erinnerungen bei.

Kritik


«Waltz with Bashir» von Regisseur, Autor und Produzent Ari Folman genießt als erste animierte Dokumentation schon von vornherein ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. Der Film nutzt dabei die schier grenzenlosen visuellen Möglichkeiten der Animationstechnik bis zum Anschlag und erzählt von Anfang an packend und mitreißend.

Natürlich kommt «Waltz with Bashir» nicht umhin, ein politischer Film zu sein. Das ist schon dem Sujet und Plot geschuldet. Erstaunlich ist aber die Art, wie hier damit umgegangen wurde. Denn das Resultat ist weder pro-israelisch noch pro-palästinensisch noch pro-libanesisch. «Waltz with Bashir» ist dramaturgisch raffinierter, lässt die Interviewten von den Perversitäten des Krieges erzählen und unterstreicht diese Erzählungen mit ebenso perversen Bildern, die hinsichtlich des Grades der Brutalität und Gewalt, die sie zeigen, von Tarantino und Rodriguez nicht sonderlich weit entfernt sind. Eines sagt der Film ganz klar: Der Grausamkeit des Krieges, ganz egal in welcher Form man an ihr beteiligt war, wird man nie mehr entgehen können.

Der Libanonkrieg von 1982 und das Schatila-Massaker sind eher ein „white spot“ der Geschichte. Ein Ereignis, das zwar erst vor dreißig Jahren stattgefunden hat, aber aus dem kollektiven Gedächtnis (zumindest der westlichen Welt) nahezu verschwunden ist. Durch seinen Film stellt Folman jedoch die Möglichkeit einer Aufarbeitung dieser Geschehnisse in den Raum – einer Aufarbeitung, die gelingen kann. Das ist die politische Dimension, so wie sie «Waltz with Bashir» verkörpert.

Stellenweise fühlt man sich bei manchen Erzählungen an «Die Ermittlung» von Peter Weiss erinnert. Insbesondere natürlich, wenn die Fragestellung auftaucht, wer wann wo wie viel gewusst hat. Die Wirkung ist jedenfalls eine ähnliche. Folman schafft es, all das Absurde und Abscheuliche des Krieges fassbar zu machen, was ihm vor allem dadurch gelingt, dass er erzählen lässt und die Erzählungen, teils in einer Art, die sehr nach freier Assoziation aussieht, mit erstaunlich filigran inszenierten Spielszenen überlagert. Folman verzichtet vollkommen auf Übertreibung und Überzeichnung, lässt Pathos außen vor. Die Wirklichkeit ist abscheulich genug, ohne an ihr dramaturgisch verfremden zu müssen. Die dramaturgischen Eingriffe beschränken sich auf eine narrative Straffung.

Erst ganz am Schluss, in der letzten Minute bevor der Abspann einsetzt, wechselt Folman von der Animation zum Realfilm, indem er Archivmaterial von den Nachwirkungen des Massakers zeigt. Es sind entsetzliche Bilder. Derart entsetzlich, dass man ihre Entsetzlichkeit unmöglich nachstellen könnte. Doch Folmans Kamera hat auch die vorigen neunzig Minuten nicht weggesehen. Und damit alles richtig gemacht.

Das Erste strahlt «Waltz with Bashir» am Sonntag, den 9. September um 23.35 Uhr aus.
08.09.2012 09:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/59012
Julian Miller

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Waltz with Bashir

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