ZDFneo widmet sich ab dem 23. August in sechs Folgen dem geflügelten Wort für die typisch deutsche Hysterie.
Inhalt
"Meine Hände waren ganz blutig und dann dachte ich mir, dass wohl ein Messer im Spiel gewesen sein muss." Man spürt die Angst förmlich, die Stefan empfunden haben muss, als er nachts an einem Bahnhof niedergestochen wurde. Er erzählt ZDFneo-Reporter Micky Beisenherz von der Nacht, in der er fast gestorben wäre. Die Angst vor Gewalt ist eine der größten und präsentesten Ängste. Jeden Tag sind Zeitungen und Nachrichtensendungen voll von Geschichten über Straßenschlachten, Schießereien und U-Bahnschläger. Aber nimmt die Gewaltbereitschaft in Deutschland tatsächlich immer mehr zu?
Die Menschen leben jeden Tag mit der Angst vor Gewalt - dürfen sich aber nicht von ihr bestimmen lassen. Das gilt besonders für Männer wie Erik Zühlsdorff. Der 41-Jährige ist Polizist in Magdeburg. Die Angst vor Gewalt ist für ihn allgegenwärtig. Auch heute. Er ist Einsatzleiter beim Fußballspiel Magdeburg gegen Leipzig. Jeden Moment kann es zu Ausschreitungen kommen, doch Erik Zühlsdorff darf keine Angst haben. Obwohl er im Dienst sogar einmal angeschossen wurde, steht er fast jedes Wochenende im Fußballstadion und geht das Risiko ein, wieder Opfer von Gewalt zu werden. Das ist nun mal sein Job.
Im Münchner Olympiastadion trifft Beisenherz auf Toni Meyer. 15 Jahre lang war der Mitvierziger süchtig nach Gewalt. Toni ist ein ehemaliger Hooligan. Vor ein paar Jahren ist er aus der Szene ausgestiegen. In seiner Hooligan-Zeit zählte die Freude am Fußball wenig, die Freude am Zuschlagen hingegen alles. Wie geht man mit der Angst vor Gewalt um, und wie lebt man sein Leben, nachdem man Gewalt erfahren hat?
Kritik
Die „German Angst“ ist im angelsächsischen Raum zum geflügelten Wort für die typisch deutsche Hysterie, die Furcht vor allem und jedem und die Neigung, schnell mal in Panik zu geraten, geworden. „Deutschland – eine Nation voller Sorgenmenschen“, sagt die Off-Stimme schon in den ersten Sekunden.
Micky Beisenherz will auch in der zweiten Staffel seiner Reportagereihe den deutschen Urängsten auf den Grund gehen, etwa der Angst vor Überfremdung, der Angst vor der Überwachung oder in der ersten Folge der Angst vor der Gewalt. Beisenherz kann hier zeigen, dass er nicht nur, wie bei «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus», der versierte Trash-TV-Autor oder, wie bei der Neuauflage der «Pyramide», der gut unterhaltende Showmaster ist, sondern auch jemand, der sich einem schwierigen Thema differenziert und journalistisch ansprechend nähern sowie einfühlsame, hoch interessante Gespräche führen kann.
Gleichzeitig verzichtet «German Angst» darauf, einen übergeordneten Zusammenhang herzustellen, und belässt es dabei, exemplarische Fälle zum Themengebiet zu betrachten. Dadurch hat man angesichts der Sendezeitbegrenzung den richtigen Ansatzpunkt gewählt – in einem halbstündigen Format ist mehr schlicht nicht möglich. Dem kommt natürlich zu Gute, dass man einen möglichst neutralen Zugang zur Thematik sucht, weniger wertet als erklärt und Suggestion überhaupt nicht stattfinden lässt. Beisenherz verzichtet auf Vorverurteilungen, stellt seine Position aber trotzdem klar in den Raum – das jedoch nie mit dem Anspruch, am Schluss unbedingt recht haben zu müssen.
Es entsteht kein abgerundetes, fein austariertes Deutschlandbild, keine detaillierte Analyse der «German Angst». Die Reportagereihe ist eine Momentaufnahme, das selektierte Schaubild eines interessierten Reporters, der mehr von der Neugier getrieben ist als vom Wunsch, seine Thesen bestätigt zu sehen, der nicht unbedingt klüger scheint als man selbst und vielleicht gerade deswegen der ideale Mann dafür ist, den Zuschauer an der Hand zu nehmen und mit ihm im Wust dieser komplexen Themen zu wühlen, damit man sie am Schluss vielleicht doch ein klein bisschen besser versteht. Vielleicht schafft er es gerade dadurch, das Konzept so interessant, relevant und erfrischend zu machen.
ZDFneo strahlt sechs Folgen «German Angst» ab Donnerstag, den 23. August, im wöchentlichen Rhythmus um 23.00 Uhr aus.