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Der Daily Talk: Wenn man nichts mehr zu sagen hat…

Sat.1 ist jüngst mit seinen Testversuchen im Daily Talk gefloppt und scheint ein großes Comeback des Genres damit vorerst begraben zu haben. Aber woran liegt es, dass die Gesprächsrunden am Nachmittag nicht mehr gefragt sind?

Die Entwicklung des Daily Talk im deutschen Fernsehen ist eigentlich am besten anhand einer Sendung abzulesen, die quasi eine Art Sekundärliteratur des Genres auf Ramschniveau darstellte: ProSiebens «talk talk talk». Ab 1999 präsentierte das Format dort in Zusammenschnitten die „Highlights“ der Daily Talkshows – nicht nur von ProSieben selbst, sondern auch von Sendungen bei Sat.1 und der Konkurrenz von RTL. Diese Zweitverwertung des Krawall-Talks funktionierte lange Zeit erfolgreich. Bis irgendwann einfach das Material selbst fehlte, weil Daily Talks aus dem deutschen Fernsehen verschwanden. «talk talk talk» griff dann teilweise auf Archivware zurück, teilweise auf Ausschnitte aus ausländischen Talksendungen, teilweise auf Clips aus TV-Formaten, die nicht mehr allzu viel mit einer klassischen Gesprächsrunde zu tun hatten. Und irgendwann war auch dieses Material aufgebraucht: 2011 stellte ProSieben «talk talk talk» ein.

Der Sender zog somit einen Schlussstrich unter das Kapitel der Daily Talks, die im neuen TV-Jahrzehnt weniger gefragt sind denn je: Jüngst floppte der Versuch von Sat.1, mit «Annica Hansen» und «Ernst-Marcus Thomas» zwei Mittags-Gesprächsrunden zu etablieren, die das angestaubte Genre mit gescripteten Elementen modernisieren sollten. Doch beim Fernsehpublikum floppten die Formate mit meist deutlich einstelligen Marktanteilen. Als einziger echter Daily Talk ist «Britt» verblieben, der seit über einem Jahrzehnt bei Sat.1 ausgestrahlt wird. Doch auch dort zeigen sich Abnutzungserscheinungen: 2012 holte das Format teils nur noch Marktanteile unter dem Senderschnitt, während man in den Vorjahren oftmals noch die besten Sat.1-Quoten im Nachmittagsprogramm hatte einfahren können.

Diese Entwicklung dürfte kaum eine Produktionsfirma, geschweige denn einen Sender, dazu bewegen, künftig verstärkt auf das Daily-Talk-Genre zu setzen. Sat.1 hat mit seinen Scripted-Talks in diesem Jahr diese bittere Erfahrung machen müssen – bei RTL war dies schon 2008 der Fall, als man in einem Testlauf auf die provokante Talkshow «Natascha Zuraw» setzte. Am Nachmittag um 15 Uhr fuhr man damit ebenfalls schlechte Quoten ein, sodass RTL das Format schnell im Archiv verschwinden ließ. Kurze Zeit später startete der Sender dann am Nachmittag seine Scripted-Realitys – mit bombastischem Erfolg. Oliver Geissens RTL-Talk war einige Monate später auch Geschichte.

Vielleicht ist die Zeit für ein Comeback des Daily Talks einfach noch nicht reif. Vielleicht aber wird sie dies auch nie sein: Im Zuge der tendenziell zunehmenden Skandalisierung im Reality-Fernsehen reichen simple Gesprächsrunden – selbst wenn sie nach Drehbuch geschrieben sind – offensichtlich nicht mehr aus, um gute Einschaltquoten zu erreichen. Früher haben die Protagonisten in den Talkshows von Skandalen aus ihrem Leben erzählt – heute werden die (gespielten) Skandale in Formaten wie «Familien im Brennpunkt» gleich mit der Kamera festgehalten und ausgestrahlt. Aus der Nacherzählung des Alltagslebens im Talk wurde eine Art Live-Erlebnis im Reality-Fernsehen, aus dem Sprechakt ein handelnder.

In diesem Programmumfeld scheinen simple Gesprächsrunden schon lange ihren Reiz verloren zu haben. Selbst der letzte verbliebene Daily Talk «Britt» passte sich im Laufe der Jahre den neuen Bedingungen an und ergänzte Talk-Elemente durch Einspieler oder Lügendetektor-Tests. Die frühen Zeiten, in denen der Daily Talk als seriöse Unterhaltung mit relevanten Themen – wie bei Hans Meiser oder Ilona Christen gesehen – galt, scheinen indes völlig vorbei. Zumindest am Nachmittag, wo Krawall regiert. Doch ganz verschwunden sind die boulevardesken Talk-Anteile im Fernsehen nicht: Man findet sie heute zum Beispiel ein wenig bei Markus Lanz, der immer wieder illustre Gästerunden hat, in denen auch gesellschaftliche Themen angesprochen werden. Und wo manchmal wenig prominente Menschen mit besonderen Geschichten auftreten – also solche Menschen, die vor vielen Jahren am Nachmittag bei Christen und Co. Platz genommen hätten. Dies gilt auch für Lanz‘ Vorgänger Kerner, der nicht zufällig vor seiner ZDF-Zeit bei Sat.1 war. Und dort unter anderem – wie sollte es anders sein – eine tägliche Nachmittags-Talkshow moderiert hat.

Mit dem Daily Talk sind Formate wie «Markus Lanz» natürlich trotzdem nur bedingt zu vergleichen. Aber die Elemente dieses Genres, mit dem die Sender früher reihenweise Top-Quoten eingefahren haben, finden sich vereinzelt wieder in heutigen Erfolgssendungen: in «Markus Lanz»; in dem Boulevard-Format «Stern TV», wo Alltagsschicksale zum Konzept gehören; in modernen Beziehungs-Soaps wie «Schwiegertochter gesucht» und «Schwer verliebt». Ein wenig vom Konzept des Daily Talks steckt in all diesen Sendungen. Die Nachmittags-Gesprächsrunde selbst scheint hingegen im Zuge dieser Entwicklung vor allem eines zu werden: überflüssig.
08.08.2012 09:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/58381
Jan Schlüter

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Annica Hansen

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