Deutschlands zweitgrößter Sender, SWR 3, lässt tagsüber auch mal Songs von Usher oder David Guetta über den Äther. Wir sprachen mit Musikchef Uli Frank, der an eine vorsichtige Angleichung zwischen Jugendwellen und Hitradios glaubt.
So manchem Radiohörer im Südwesten wird es aufgefallen sein: SWR 3 traut sich etwas. Seit einigen Wochen kommen aus den Radios in Stuttgart, Ulm, Koblenz, Kaiserslautern und Co. neue und teilweise eher unbekannte Töne. Mehr von Taio Cruz, Usher, Jason Derulo - also Künstlern, die ihr zu Hause bis dato vor allem bei jungen Sendern wie 1Live oder BigFM hatten. Dass auch die großen Mainstream-Radios vermehrt auf amerikanische Musik setzen, ist ein Trend, der zurzeit quer durch die Republik zu spüren ist. Bei SWR 3 fällt die Neuordnung des Musikprogramms besonders deutlich auf.
Sie erfolgte übrigens nicht auf Grund von Verlusten bei den Hörerzahlen - mit 1,13 Millionen Hörern in der durchschnittlichen Stunde und einem Plus bei der vergangenen Media-Analyse ist der Elch-Sender die Nummer 2 in Deutschland, hinter dem privaten Antenne Bayern. Und dennoch war eine Renovierung nötig. „Man muss auch das Musikprogramm mal renovieren, so wie Sie Ihr Zimmer renovieren“, erklärt Musikchef Uli Frank. „Wir haben zurzeit viele gute neue Musik, die von Pop und Urban angehaucht ist. Unsere Akzeptanz-Tests zeigen zudem, dass Black und Dance bei der breiten Masse immer besser ankommt.“ Das ist auch der Grund, warum sich die Ushers und Rihannas inzwischen problemlos im Mainstream-Radio spielen lassen.
SWR 3 geht mit diesen neuen Musikfarben aber dennoch vorsichtig um, betont man in Baden-Baden. In der Regel nur zwei Titel kommen in einer Stunde vor. Und damit sich auch die älteren SWR 3-Hörer weiterhin wohl fühlen, werden sie behutsam verpackt. „Der Kurs von uns als Pop-Hit-Radio hat sich nicht geändert“, sagt Frank. Vor und nach Stücken von Usher zum Beispiel spielt SWR 3 immer Lieder, die mindestens fünf Jahre alt sind. Ein Unterschied zu Jugendradios wie Energy oder BigFM, die problemlos Flo Rida auf besagten Usher folgen lassen können.
Und dennoch stimmt Frank zu, wenn man von einer vorsichtigen Annäherung der großen Hitwellen und Jugendsender spricht. „Jugendradios wie BigFM haben festgestellt, dass sie Hörer gewinnen können, wenn sie etwas mehr Popthemen wie Nickelback aufgreifen."
Zu verdanken ist die neue Klangfarbe gerade den 30- bis 40-Jährigen. „Lange Zeit waren Black-Hits zum Beispiel schwierig zu spielen. Die Redakteure fanden sie klasse, aber die Akzeptanz bei den Hörern ist erst in jüngster Zeit gewachsen“, weiß der Musikfachmann. Aber auch die Musik habe sich verändert. So hätten die meisten Songs von Usher einen hohen Popanteil mit starken Hooks. Und auch die DJs, die Frank als die Popstars der Zukunft bezeichnet, würden darauf achten, dass zumindest eine ihrer zehn bis 20 Versionen, die es von jedem Song gibt, poppige Anteile habe. Der Club-Hit „Levels“ von Avicii käme so inzwischen auf eine hohe Akzeptanz bei den SWR 3-Hörern. „Wir freuen uns darüber“, sagt Frank.
Der Trend, dass Dance und Black-Hits vermehrt im Radio und in den Charts auftauchen, werde noch eine Weile andauern, ist sich der Musikchef des öffentlich-rechtlichen Senders sicher. „Die Amerikaner haben erkannt, dass sie für den europäischen Markt etwas poppiger werden müssen.“ Und sie bemühen sich, auch bei den großen Sendern unterzukommen. So werden von allen Songs spezielle Radio-Versionen (zum Beispiel ohne Rap-Anteil) bereitgestellt. Diese nutzt SWR 3 auch – „lange Rap-Parts würden unsere Hörer überfordern“, meint Frank. Zudem glaubt er, dass auch die Latin-Musik wieder auf dem Vormarsch sei.
Die Musik für ein 24-Stunden-Programm wie SWR 3 zu erstellen, bleibe auch aber in Zukunft die Quadratur des Kreises. Natürlich haben der 26-jährige Mountainbikeverkäufer und der 53-jährige Beamte unterschiedliche Geschmäcker. „Es gibt auch 53-Jährige, denen Taio Cruz gefällt, aber die Gefahr wäre groß, dass diese sich bei SWR 3 nicht mehr zu Hause fühlten, würden wir längere Strecken mit dieser neuen Farbe bespielen.“ Die Jugend sei hingegen nicht so festgelegt, sagt Frank und verweist auf zwei der großen Radio-Hits des ersten Halbjahres: „Heart skips a beat“ von Olly Murs und „Somebody that I Used to know“ von Gotye. Geschmäcker bleiben auch 2012 unterschiedlich; neue Klangfarben aber - und das dürfte feststehen - tun allen großen Radiosendern in der Republik gut.