Der deutsche Serienmarkt steckt in der Krise. Sagt man. Der US-Markt hingegen boomt. Sagt man. Ist dem wirklich so? Macht der Erfolg von Sitcoms wie «Two and a Half Men» oder Dramaserien wie «Grey‘s Anatomy» schon ein ganzes Image aus? Und darf man Flops wie «Dr. Molly und Karl», «Klinik am Alex» und «Lasko» vor große Erfolge wie «Danni Lowinski» stellen, nur um das angeschlagene deutsche Serienimage nicht zu verbessern? Eine Analyse.
Nachdem im ersten Teil ausführlich die Etablierung erfolgreicher US-Serien in Deutschland beleuchtet wurde, wird im zweiten Teil des Quotenmeter.de-Serienspecials darauf geblickt, welche Formate es trotz des US-Hypes partout nicht schaffen wollten, ein breites TV-Publikum zu überzeugen.
Vor allem dem oftmals von RTL stiefmütterlich behandelten Sender RTL II mochte es in der Anfangsphase des US-Booms nicht gelingen, auf den erfolgsversprechenden Zug aufzuspringen. Mit den aussichtsreichen Showtime-Serien
«Californication» (Foto) und
«Dexter» war dem Sender kein Erfolg vergönnt – im Gegenteil. Die Dramen wurden nur allzu schnell ins Nachtprogramm verbannt und liefen dort nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Mai dieses Jahres versuchten die Programmchefs noch einmal ihr Glück und setzten auf den Trend „Eventprogrammierung“. Man sendete die dritte Staffel des freizügigen «Californication» innerhalb einer Nacht. Der erhoffte Erfolg blieb aus. Was fehlte, war ein ansprechendes Rahmenprogramm, wie es andere Sender mit ihren fast an Themenabende erinnernden Sendestrecken vormachen. So bleibt «Californication» in Deutschland ein Flop. Selbiges gilt für «Dexter», was unter anderem mit derselben, unglücklichen Programmierung zu tun haben dürfte. Zwar wurden in Deutschland ebenfalls die ersten drei Staffeln ausgestrahlt, allerdings verfuhr man ähnlich wie mit «Californication» und verschob die dritte Season kurzum ins späteste Spätabendprogramm.
Auch der aus der «Twilight»-Saga resultierte Vampirhype wollte bei RTL II nicht um sich greifen. In den USA ein Riesenerfolg, vermochte in deutschen Landen kaum jemand an der Free-TV-Ausstrahlung der Horrorserie
«True Blood» Gefallen finden. Selbiges galt bei dem Sender unter anderem auch für
«The Event» (2011) und
«Haven» (2012). Immerhin zeichneten sich einfallsreiche PR-Kampagnen aus. Mit seiner großen Werbetrailer-Aktion zu «The Event», verhalf man der Erstausgabe zu knapp 1,4 Millionen Zuschauern. In den kommenden Wochen sank die Reichweite jedoch so rapide gen Keller, dass man sich entschloss, die Sendung nach nur sechs gezeigten Episoden abzusetzen. Ein klares Indiz dafür, dass der Stoff hierzulande schlichtweg keinen interessiert. Wenngleich gesagt werden muss, dass auch in den USA die Zuschauerzahlen im Verlauf der ersten Staffel so stark zurückgingen, dass keine zweite Runde geordert wurde.
Damit nicht der Eindruck entsteht, US-Serien zu einem Flop werden zu lassen, sei ein RTL II-Problem, wollen wir flott über den Rand der Münchner hinaus blicken. Dort stellt man fest, dass sich in der Vergangenheit auch anderorts Quotenlöcher aufgetan haben. Nicht nur wegen schlechter Platzierung der einzelnen Serien im Programm. Teilweise bestand in Deutschland einfach kein Interesse an Formaten, die in den USA gefeiert wurden.
Auch wenn sich Serien wie
«Body of Proof» in einen höchst erfolgreichen ProSieben-Serienmittwoch einreihen durften und gern in einem Atemzug mit «Desperate Housewives» und «Grey’s Anatomy» genannt wurden, so muss man bei näherer Betrachtung feststellen: Mit einem Marktanteil von durchschnittlich 10,1 Prozent in Staffel eins war die Chirurgen-Serie kein gleichzusetzender Hit für ProSieben. Auch die zweite Staffel bei kabel eins lief nicht überdurchschnittlich. Ob es nun die bereits im ersten Teil gemutmaßte starke Konkurrenz war, oder ob derartige Plots in Deutschland generell auf taube Ohren stoßen: vermutlich trug die Mischung aus beidem dazu bei, dass «Body of Proof» einer der Serien-Flops 2011 wurde. Gleiches Schicksal wiederfuhr vor einigen Wochen der FOX-Serie
«Touch». Nach starkem Start, aber rasant schwindenden Zuschauerzahlen zog man auch hier zügig die Reißleine – und das, obwohl das Mystery-Format mit einer spannenden Geschichte und namhaften Darstellern, unter anderem Kiefer Sutherland auftrumpfen konnte. In den USA lief das Format nach «American Idol» und holte dort halbwegs ordentliche Werte – ab diesem Herbst muss sich die Serie jedoch auf dem Freitag gerne auch Todestag genannt, behaupten. Doch viele bemängelten die Verworrenheit der Story, anderswo beklagte man sich über einen unsympathischen Cast. Zusammengefasst stimmte wohl einfach zu wenig an der Produktion, um aus ihr einen Hype werden zu lassen – und die Sternstunden eines Kiefer Sutherland sind auch schon seit einiger Zeit vorbei.
Einen äußerst interessanten Serienflop hatte ProSieben Ende 2011 zu vermelden. Damals zeigte der Sender die US-Version der europäischen History-Serie «Borgia» die, begleitet von Skandalnachrichten um viel nackte Haut und harte Gewaltspitzen, ein relativ großer Hit im ZDF wurde. Das amerikanische Pendant
«Die Borgias – Sex. Macht. Mord. Amen.», das sich wohl dadurch eine ähnliche Aufmerksamkeit erhoffte, dass es sehr schnell nach der Ausstrahlung von «Borgia» gesendet wurde, kam bei ProSieben nicht mal halbwegs auf einen grünen Zweig. Zwar konnte wieder einmal beobachtet werden, dass auch hier die Auftaktfolge – der Neugier sei Dank – ordentlich Zuschauer anziehen konnte. Doch das wohl erhoffte «Borgia»-Fieber blieb aus und die Serie verabschiedete sich sang- und klanglos. Interessant an dieser Beobachtung ist die Ausgangslage. Die US-Filmproduktionen, die sich für «Die Borgias» erkenntlich zeigten, schafften es nicht, aus dem erfolgsversprechenden Stoff über die Borgia-Familie eine ansprechende US-Version zu kreieren. Ähnlich verhält es sich normalerweise auf umgekehrtem Wege, wenn deutsche Filmproduktionen versuchen, US-Formate auf Deutsch zu adaptieren.
Während man anderorts Flops als solche abhakt und entweder in die Nacht verbannt oder ganz aus dem Programm nimmt, geht die ProSiebenSat.1-Gruppe bisweilen ein wenig geschickter vor und beruft sich auch bei den Lowlights auf das Prinzip der Zweitverwertung. Erst kürzlich floppten die Blutsauger-Tagebücher von
«The Vampire Diaries», die Anfang 2010 noch relativ vielversprechend bei ProSieben starteten. Nach einem starken Reichweitenrückgang entschied man sich im Herbst 2011, die Vampir-Soap zum Frauensender sixx zu verschieben. Auf der einen Seite setzte man die Serie dort natürlich einem insgesamt kleineren Zuschauerkreis aus, auf der anderen zeigte sich jedoch im Vergleich zu den ProSieben-Quoten ein prozentual beachtlicher Erfolg. Als man Anfang des Jahres auch noch damit warb, nach der Free-TV-Preview der einzelnen Folgen bei sixx, die ungeschnittene Fassung am darauffolgenden Montag bei ProSieben zu zeigen, hätte man mit dieser Strategie hervorragend fahren können. Wenn man «The Vampire Diaries» nicht in einem Rutsch mit «Touch», dem bereits besprochenen US-Flop gesendet hätte. Nach deren Aus zog man die späte «Vampire Diaries»-Ausstrahlung um eine Stunde auf 21.15 Uhr vor, musste sie folglich wieder gekürzt zeigen. Der Mehrwert war gleich Null und ein Flop vorprogrammiert.
Nicht immer müssen amerikanische Serienflops allerdings aus einem bestimmten, teils vielschichtigen Grund entstehen. Bei einer derartigen Masse an Konkurrenz aus amerikanischen Landen, fehlt gewissen Formaten einfach das Quäntchen Glück, sich zu etablieren. Mangels packender Story, aufgrund von charakterlich schwacher Besetzung oder einfach wegen eines unpassenden Sendeplatzes versank so einiges an US-Ware bereits in der Versenkung, ohne viel Aufsehen zu erregen. Zudem kommt es immer wieder vor, dass sich Serien einfach totlaufen, wenn sie mit den Jahren nicht mehr viel Neues bieten. So flaut
«Bones – Die Knochenjägerin» bei RTL in der fünften Staffel langsam ab, während es
«Navy CIS: LA», einem Spin-Off des erfolgreichen «Navy CIS» nie richtig gelang, einen ebensolchen Hype zu erreichen wie sein großer Bruder.
Welche Erkenntnis lässt sich nun nach einer Gegenüberstellung US-Amerikanischer Tops und Flops ziehen? Entgegen der gern getätigten Aussage, amerikanische Serienformate seien die ideale Allzweckwaffe gegen Quotenmiseren zeigt sich doch, dass bei weitem nicht jedes Experiment der Sender zu einem Erfolg wird. Das Potential, zu einem Highlight zu werden, scheint zwar doch insgeheim in jeder Serie zu stecken, in einigen Fällen sieht es jedoch so aus, als würden sich die Sender eine entsprechende Anerkennung selbst verbauen. Vereinzelt dadurch, sich Ausstrahlungsrechte zu kaufen, die zum Sendergesicht überhaupt nicht passen. Beispiele hierfür sind unter anderem «Californication» und «Dexter» bei RTL II, die vielleicht auf einem solideren ProSieben besser funktioniert hätten. Teilweise durch merkwürdige Programmierungen in Serienslots, wo das gefloppte Format wie ein Außenseiter wirkte. «Die Borgias» in einem Slot mit „How I Met your Mother“ zu senden, fällt ganz klar in ebenjene Kategorie. Ab und an kommt es jedoch vor, dass die Schuld für ein Quotendesaster weder beim Sender, noch bei der Serie zu suchen ist. Wer hätte ahnen können, dass ein Format wie «Body of Proof» in Deutschland schlicht niemanden interessieren würde? Um solche bösen Überraschungen zu vermeiden, setzte sich in jüngster Vergangenheit das neue Konzept der „Eventprogrammierung“ durch, um innerhalb kürzester Zeit auszutesten, wie hoch das Interesse an einem bestimmten Format ist. Trotzdem ist nach wie vor sicher: wo Highlights sind, muss es auch Flops geben.
Ob das bei den deutschen Serien nun gänzlich anders aussieht, wird in der kommenden Woche beleuchtet. Im dritten Teil des Serien-Specials.