Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 196: Erinnerungen an die erste „Gerichts-Daily“ und die inoffizielle Vorlage von «Barbara Salesch» & Co.
Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir der ersten täglichen Gerichtsshow des deutschen Fernsehens.
«Streit um Drei» wurde am 12. April 1999 im ZDF geboren und entstand zu einer Zeit als das Nachmittagsprogramm noch nicht fast ausschließlich mit Gerichtsshows besetzt war. Insofern war das Konzept zumindest für den deutschen Fernsehmarkt richtungsweisend, denn in jeder Ausgabe wurden drei echte Fälle, die von Schauspielern nachgestellt wurden, vor einem echten Richter verhandelt. Ganz jungfräulich war die Idee allerdings auch nicht, gab es doch in den USA zuvor bereits sehr erfolgreiche Courtshows und selbst in Deutschland mit «Ehen vor Gericht», «Wie würden Sie entscheiden?» und «Verkehrsgericht» bereits ähnliche Formate, die allerdings noch im Abendprogramm zu sehen waren. Dennoch sollte die Produktion der Auslöser eines neuen Trends werden, der sich über zehn Jahre halten würde. Daher hieß es im zugehörigen Pressetext der sogenannten „Gerichts-Daily“ auch: „Das ZDF hatte mit «Streit um Drei» das Gerichtsformat für das Nachmittagsprogramm neu erfunden und fand sofort begeisterte Resonanz beim Publikum und in den Medien.“
Anders als bei den späteren Versionen konzentrierte man sich bei der öffentlich-rechtlichen Variante jedoch auf das Zivilrecht und damit auf kleinere Fälle und Nachbarschaftsstreiterein oder „menschliche und allzu menschliche Probleme“, wie es das ZDF beschrieb. Bei den Darstellern handelte es sich auch nicht um Laien, sondern in der Regel um richtige Schauspieler, die jedoch zum Teil unbekannt waren. Hin und wieder tauchten aber auch frühere Stars oder B-Promis wie Guildo Horn, Georg Uecker, Sky Du Mont, Peter Bond, Dirk Bach und Rolf Zacher unter ihnen auf. Die Nachstellung der Prozesse unterlag dabei einer gewissen Eigendynamik, denn die Verhandlungen wurden stets ohne Unterbrechung aufgezeichnet und die Urteile anhand der dabei vorgetragenen Aussagen gefällt. Zuweilen kam es dabei vor, dass ein Richterspruch anders ausfiel als ursprünglich vorgesehen, weil ein Darsteller zu sehr vom eigentlichen Text abgewichen war.
Der vorsitzende Richter war im Unterschied zu den Streitparteien stets ein echter Jurist. Anfangs übernahm diese Rolle der Kölner Amtsrichter Eugen Menken, der Ende der 1980er Jahre durch seine humoristischen, teils in Versform verfassten Urteile in der juristischen Szene Bekanntheit erlangte. Lang hielt er es als Fernsehrichter jedoch nicht aus, denn nach rund fünf Monaten wurde er durch Guido Neumann, den pensionierten Direktor des Amtsgerichts Winsen/Luhe, der zuvor als Berater für die Sendung tätig war, ersetzt. Anlässlich der 500. Ausgabe trat Neumann dann sogar in allen drei Fällen in einer Doppelrolle als Richter und als Zeuge auf.
Durch die Folgen führte Ekkehard Brandhoff, der die Fälle im Gerichtssaal-Studio anmoderierte und die Zuschauer in den „Beratungspausen“ nach ihren Meinungen befragte. Außerdem diskutierte er die Prozesse und Urteile mit dem Rechtsexperten Wolfgang Büser, der stets in jeder Ausgabe vor Ort war. Mit diesen Elementen lag der Schwerpunkt des Programms eher auf dem Servicegedanken, als auf dem bloßen Zeigen von Streiterein, weswegen die Sendung vom ZDF auch mit den Worten „gute Unterhaltung mit hohem Informationswert“ charakterisiert wurde. Entsprechend geordnet ging es im Vergleich zu den späteren Sat.1- und RTL-Shows zu. In der Regel wurden die Unstimmigkeiten ohne Anwälte an hölzernen Stehpulten vorgetragen.
Anders als es der Sendetitel vermuten ließ, begann das 50minütige Format nicht um 15.00 Uhr, sondern immer erst zehn Minuten nach drei. Anfangs lief sie dabei montags bis donnerstags. Ab dem Jahr 2000 kam freitags auch die fünfte Ausgabe hinzu. In dieser wurden dann jedoch ausschließlich Arbeitsrechtsprozesse verhandelt, was den Servicecharakter noch mehr betonte. Vorsitzender Richter war für diese Folgen dann Ulrich Volk. Aufgezeichnet wurden die bis zu 15 nötigen Fälle pro Woche an zwei Tagen in den Studios der Union-Film in Berlin-Tempelhof, wodurch die Reihe auf einem ähnlichen Massenproduktionsprinzip basierte, wie man es zuvor von täglichen Soaps oder Gameshows kannte.
Als im Oktober 2000 die Sat.1-Sendung «Richterin Barbara Salesch» auf den Nachmittag und damit ins direkte Gegenprogramm verlegt wurde, wurde der Wind für das ZDF schärfer. Die fiktiven Strafprozesse lockten schnell wesentlich mehr Zuschauer an. Schließlich ging es dort nicht nur um die Frage, ob ein Mann mit einem auffälligen Bart von seinem Arbeitgeber abgemahnt werden durfte, sondern um Beleidigungen, Vergewaltigungen und Körperverletzungen. In der Folge sanken die Marktanteile von «Streit um drei» auf unter neun Prozent.
Anfangs versuchte man sich davon noch unbeeindruckt zu zeigen, doch im Sommer 2001 kursierte die Idee, das Format künftig auch um Fälle aus dem Strafrecht erweitern zu wollen. Dazu suchte der Sender öffentlich nach fernsehtauglichen Staats- und Rechtsanwälten, die als Darsteller „möglichst plakativ“ sprechen können sollten. Außerdem wurden immer mehr Laiendarsteller eingesetzt und die Fälle waren fortan auch nicht mehr zwingend wahr, sondern mussten nur noch theoretisch denkbar sein. Darüber hinaus probierte man mit «Ich lass mich scheiden» auf dem gewohnten Sendeplatz eine Weiterentwicklung des Konzepts aus, bei der es um Ehestreitigkeiten ging und die juristischen Ereignisse innerhalb eines Jahres dargestellt wurden. Die zwölf Testfolgen wurden wie auch das Muterformat von der Televersal GmbH & Co. Hamburg hergestellt. Die Vormachtstellung der kommerziellen Gerichtsshows konnte auf diese Weise aber nicht gebrochen werden, sodass die ZDF-Version, die das Genre ursprünglich begründet hatte, letztlich eingestellt wurde.
«Streit um drei» wurde am 06. Juni 2003 beerdigt und erreichte ein Alter von 637 Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Ekkehard Brandhoff, der mittlerweile eine Medienagentur betreibt und Messemoderationen durchführt. Während Richter Guido Neumann im Februar 2009 verstarb, ist Experte Wolfgang Büser weiterhin in Sendungen wie «ARD Morgenmagazin» oder «WISO» zu sehen, sowie bei diversen Radiosendern zu hören.
Möge die Show in Frieden ruhen!
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