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Die Kino-Kritiker: «Rock of Ages»

Ein waschechtes Musical, das aber unnötig aufgeplustert wirkt. Adam Shankmans Inszenierung ist im Jahr 1987 angesiedelt.

Spätestens seit dem großen Kassenerfolg von «Mamma Mia!» sind Musicalfilme populäre Massenware geworden. Die Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks mit Musik der legendären schwedischen Band ABBA spielte vor vier Jahren allein in den USA über 144 Millionen Dollar ein. Doch während es in dieser Filmversion lediglich Songs von ABBA zu hören gab, behandelt «Rock of Ages» nun eine ganze Musik-Ära. Adam Shankmans Musical-Inszenierung ist im Jahre 1987 angesiedelt. Aus den Kinolautsprechern schallen Hits von Bands wie Foreigner, Journey, Twisted Sisters und vieler anderer Rockikonen. Doch bei all der Freude über die alten Kulthits driftet die eh schon hauchdünne Handlung immer weiter ins Belanglose ab.

Es ist die Geschichte eines Provinzmädchens, das das Landleben satt hat und raus in die Großstadt will. Mit dem Traum, in Hollywood ein neues, besseres Leben zu beginnen, setzt sich Sherrie in den nächsten Bus und kehrt ihrer Heimat Oklahoma den Rücken. Doch kaum in der schillernden Stadt angekommen, fangen die Probleme an. Mitten auf dem Sunset Strip wird der Blondine das Gepäck geklaut. Drew, der im „Bourbon Room“, dem beliebtesten Rockclub der Stadt, arbeitet, hat den Diebstahl mit angesehen und eilt Sherrie zu Hilfe. Er stellt sie seinem Chef vor – und dieser engagiert das Mädchen als Kellnerin. Bald verlieben sich Drew und Sherrie ineinander und Drew bekommt die große Chance, mit seiner unbekannten Band als Vorgruppe seines Idols Stacee Jaxx aufzutreten. Alles scheint wie im Traum – bis ein unglücklicher Zufall die Seifenblase zerplatzen lässt.

Sherrie fristet ihr Dasein fortan als Stripperin, Drew geht mit Jaxx‘ Manager einen voreiligen Deal ein. Zudem haben der Bürgermeister Hollywoods und seine Frau der Rockszene den Kampf erklärt: Die Stadt soll sauber werden und das „Bourbon“ muss weg. Ganz so einfach geben sich die Rocker jedoch nicht geschlagen. Während die beiden Parteien alles geben, um ihren Willen durchzusetzen, bahnt sich mit grell gekleideten Boybands plötzlich eine neue Gefahr für die Rockszene an…

Bereits in der Exposition gibt Shankman, der für eher seichte Komödien wie «Der Babynator» oder «Bedtime Stories» bekannt ist, die Wegrichtung unmissverständlich an: «Rock of Ages» ist ein waschechtes Musical. Sherrie fährt im Bus aus Oklahoma hinaus in die große Welt, beginnt zu singen. Und es dauert nicht lange, bis auch die restlichen Fahrgäste inklusive Busfahrer mit einstimmen. Selbstverständlich gibt es auch gesprochene Dialoge. Doch die meiste Zeit über werden Botschaften in Songs aus den 1980ern verpackt. Das ist sehr unterhaltsam, zumal die meisten Lieder der älteren Generation bekannt sein dürften. Hinzu kommt, dass die gesamte Darstellerriege hier selber zum Mikro gegriffen hat. So erklingen Kultsongs wie etwa „Hurricane“ von den Scorpions oder „Dead or Alive“ von Bon Jovi nun aus dem Mund eines Alec Baldwin, Russell Brand oder Tom Cruise. Diese sollen auch in der deutschen Sprachfassung ohne nachträgliche Synchronisation und Untertitel auskommen.

Und Cruise beweist in der Rolle des exzentrischen Rockstars Stacee Jaxx nach seinem fulminanten Auftritt des Les Grossman in «Tropic Thunder» einmal mehr seine Selbstironie. Nur mit einem knappen Lederhöschen bekleidet bahnt sich Cruise bei seiner Figureneinführung den Weg durch drei nackte Frauen. Ein Auftritt, der weitere herrlich anzusehende Akte nach sich zieht. Cruise spielt den von der Damenwelt vergötterten, jedoch stark abgehalfterten Rocker genial. Aber auch seine Kollegen wissen zu überzeugen. Allen voran Oscar-Preisträger Paul Giamatti, der Jaxx‘ Manager Paul Gill verkörpert. Kaugummi kauend und mit Pferdeschwanz symbolisiert er den typischen Abzocker, dem das Wohl seiner Klienten und Künstler vollkommen egal ist – solange er das Geld einsackt. Ebenso überzeugend agieren Alec Baldwin als Besitzer des „Bourbon Room“, den mit seinem ständig quasselnden Mitarbeiter Lonnie (Russell Brand) viel mehr verbindet als eine bloße Arbeitsbeziehung.

Die bekannten Hollywoodveterane lassen immer wieder vergessen, dass sich in ihrem Rücken eigentlich eine Liebesgeschichte abspielt. Tatsächlich verliert «Rock of Ages» immer dann an Kraft, wenn die beiden Jungschauspieler Julianne Hough und Diego Boneta als Pärchen mit Träumen die Handlung vorantreiben sollen. Hough als singendes Barbiepüppchen vom Land harmoniert nicht mit der dreckigen Rockerszene. Auch Kinodebütant Boneta wirkt in seiner Rolle des Drew arg verweichlicht. Das ist gerade deshalb schade, weil die Geschichte auf die Beziehung der beiden abzielt. Doch während die Gesangseinlagen der namhaften Darsteller mitunter zum Mitsingen und Mitwippen animieren, gelingt dies den dünnen Stimmen und schnulzigen Vorträgen von Hough und Boneta nie.

Mit gut zwei Stunden Laufzeit wirkt Shankmans Musicaladaption unnötig aufgeplustert. Der Nebenstrang über das Vorhaben des Bürgermeisters, die Stadt sauber zu machen und den Rockerabschaum auszurotten, hält keinen Mehrwert bereit. Der angedachte Konflikt verpufft im Nirgendwo, die Charakterzeichnung des Bürgermeisters und seiner von Catherine Zeta-Jones präsentierten Gattin lassen zu wünschen übrig. Die Message des Ganzen ist zudem typisch amerikanisch ausgefallen: Lebe Deinen Traum – und am besten in Hollywood.

Trotz der einfallslosen und in ihrer Einfachheit zeitweise nervenden Liebesgeschichte halten die Choreografien und Sprüche einige Lacher bereit. «Rock of Ages» eignet sich dennoch nur für eingefleischte Musicalfans. Wahre Rockliebhaber dürften angesichts der weichgespülten Songs etwas enttäuscht sein. Die Hits der damaligen Epoche sind trotzdem eine schöne Erinnerung, die nach dem Abspann als Ohrwurm im Kopf bleibt. Der Rock’n’Roll ist tot – lang lebe der Rock’n’Roll!

«Rock of Ages» startet am 14. Juni in den deutschen Kinos.
12.06.2012 09:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/57241
Janosch Leuffen

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Rock of Ages

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