Acht Mal 45 Minuten brachte Jürgen Lindemann mit seiner Firma frameByframe Cologne aus Thailand mit. Zu sehen derzeit mittwochs nach 22.00 Uhr in «Villa Germania» bei RTL II. Mit dem Produzenten sprachen wir über die ungewöhnlichen Protagonisten der Doku und ein neues Projekt für RTL II.
Herr Lindenmann, zur Zeit zeigt RTL II die neue Doku «Villa Germania» - wie ungewöhnlich ist das Format für Sie?
«Villa Germania» ist eine Doku-Soap – alles ist echt, nichts gescripted. Von dem her ist das für mich nicht ungewöhnlich.
Auf mich wirkt die Doku sehr authentisch. Man ist hingegangen, hat geschaut, was die Rentner dort so machen und hat das gefilmt. Dieses Gefühl habe ich nicht bei allen Doku-Soaps.
So war es auch. Wir sind nach Thailand geflogen und haben geschaut, was dort passieren wird. In der Folge von dieser Woche ist Horst zum Beispiel gestürzt, musste ins Krankenhaus. So etwas kann man nicht planen.
Sehen Sie, da sehe ich den Unterschied: Ein Format mit Robert und Carmen Geiss ist in der Produktion planbarer, weil die Protogonisten mit ihren Terminen doch viel mehr vorgeben…
Das mag sein. Ich glaube, die Menschen fasziniert es auch, dass unser Format ein wenig skurril ist. Eine deutsche Wohnanlage in Asien mit vielen Rentnern – der Flair des Auswanderns wird vermittelt. Die Villa kam auch schon einmal in «Explosiv» vor und hatte dort eine extrem steile Quotenkurve nach oben…
Dort leben ungefähr 30 Deutsche – Horst und Ingo sind aber Ihre Protagonisten. Was macht vor allem Horst so besonders?
Horst ist der Urbewohner der Villa – er lebt dort seit nunmehr 17 Jahren. Ihn zeichnet seine gute Stimme aus. Es gibt Menschen, denen hört man nicht gerne zu, wenn sie reden. Anderen hingegen schon – und dazu gehört auch Horst. Mit Ingo hat Horst zudem einen guten Gegenpart, die beiden sind sehr unterschiedlich. Das kommt Fernsehmachern immer zu Gute. Horst hat zum Beispiel drei Frauen, Ingo nur eine. Die beiden funktionieren als Paar sehr gut und sind ja auch im wahren Leben wirklich gute Freunde.
Die Dreharbeiten für «Villa Germania» begannen im April 2011. Wie lange haben Sie gedreht?
Wir sind immer wieder sporadisch für zwei oder drei Wochen hingeflogen. Da kann man Glück oder Pech haben – wir hatten Glück. Es war immer etwas los. Gedreht haben wir bis Februar.
Während Doku-Soaps um Jill Kussmacher oder «Die Geissens» eher etwas für Frauen sind, würde ich sagen, dass «Villa Germania» männlich ist. Erklären Sie sich somit auch die anfangs etwas durchwachsenen Quoten?
Ich habe vorher auch gesagt, dass das ein Programm für Männer ist. Aber auch Frauen haben starkes Interesse daran, was Männer ungefiltert von sich geben. Und gerade Horst ist jemand, der keinen Filter hat. Die zweite Ausgabe hatte mehr weibliche Zuschauer. Die Premierenfolge war für mich ein großer Erfolg. Wir hatten anfangs drei Prozent Marktanteil – am Ende der Ausgabe war dieser Wert auf neun Prozent gestiegen. In der zweiten Woche war die Kurve weniger aussagekräftig, aber wir haben uns auf durchschnittlich sechs Prozent gesteigert.
Sie sprachen davon, dass Horst keinen Filter hat. So hat er auch neben seiner Zweitfrau gesagt, dass diese älter und älter werde und man dies auch an der Haut sehe. In Foren löste das Reaktionen aus wie „Geht gar nicht, der Typ“. Wollen Sie mit dem Format auch bewusst ein bisschen provozieren?
Sie hätten das vermutlich so nicht ausgedrückt, ich auch nicht. Aber Horst hat es getan. Wir geben ihm die Sätze ja nicht vor. Wir machen ein Interview mit ihm. Horst ist einer, der mit solchen Aussagen wirklich überrascht. Natürlich polarisiert Horst damit – und genau deshalb ist er ein guter Typ für das Fernsehen. Die Menschen schauen Doku-Soaps doch, damit sie in eine Welt hineinkommen, deren Zugang ihnen sonst verwehrt bleibt. Und die «Villa Germania» ist eine Welt, von der viele niemals vermutet hätten, dass es sie gibt.
Das Genre Doku-Soap boomt. Ist da noch viel Platz für mehr?
Das hoffe ich. Es gibt noch viele Welten, die es zu entdecken gilt. Man kann seinen Horizont mit solchen Formaten erweitern. Übrigens: Dem Zuschauer müssen nicht alle Welten gefallen. Er kann gewisse Dinge auch schlecht finden und trotzdem mit Interesse zusehen.
Für welche dieser Welten, abseits der Villa, interessieren Sie sich?
Wissen Sie, wir Fernsehmacher haben manchmal unglaublich wenig Zeit selbst fernzusehen. Ich kann mir da jetzt kein Urteil erlauben.
Wie geht es weiter mit der «Villa Germania»? Ist eine zweite Staffel vorstellbar?
Wir müssen jetzt die erste Staffel erst einmal zu Ende bringen – es sind gerade einmal drei von acht Folgen gelaufen. Horst und Ingo jedenfalls hatten bei den Dreharbeiten riesigen Spaß. Horst sagte am Anfang einmal, dass bei ihm jeder Tag gleich sei. Er müsse auf den Kalender schauen, ob nun Sonntag oder ein Werktag ist. Wir haben in sein Leben Abwechslung gebracht und auch neue Impulse gesetzt. In einer der nächsten Folgen werden Horst und seine Ehefrau Porn so ehrlich miteinander reden wie vielleicht nie zuvor. Horst wäre also bereit für neue Folgen. Ingo ist da ein schwierigerer Charakter, weil er sehr viel hinterfragt. Auch Horst hatte jetzt mit der Ausstrahlung sicherlich Schwierigkeiten, aber er sagt halt: Gut, jetzt wissen alle, wie sie bei mir dran sind, dann ist das auch gut so. Weil aber beide viel Spaß mit uns hatten, hätten sie wohl nichts gegen eine Fortsetzung.
framebyframe ist eine sehr kleine Produktionsfirma. Haben Sie es denn im Wettbewerb mit Großen wie Endemol oder filmpool schwerer?
Vielleicht haben wir es schwerer, ja. Wir sind klein und gegen Firmen wie Endemol sicherlich eine Zwergenproduktionsfirma. Gut möglich, dass ich mir Manches in diesem Punkt auch schön rede. Aber ich mache seit 22 Jahren Fernsehen und kenne die besten Leute in der Branche. Für «Villa Germania» habe ich mir in mein Team nur die Besten geholt. Deshalb haben die Arbeiten daran auch so viel Spaß gemacht. Wir sind nach Thailand geflogen in ein Hochhaus mit vielen alten Leuten und sollten 8x45 Minuten wieder zurückbringen. Ich war mir nicht sicher, ob uns das gelingt. Wenn ich mir das Produkt nun anschaue, dann finde ich darin keine Langweile. Da bin ich stolz drauf. Wir haben in unserer Firma selbst Kamermänner, Cutter, Redakteure. Nur wenige Firmen sind so unterwegs.
Muss man denn als kleine Produktionsfirma ungewöhnlichere Ideen haben, um wahrgenommen zu werden?
Man muss ein paar Jahre im Geschäft sein und ernst genommen werden. Ich glaube, wenn man morgen eine Firma aufmacht, die keiner kennt, aber eine tolle Idee hat, ist es trotzdem schwer einen Auftrag zu bekommen. In diesem Business musst du dich bewiesen haben und das haben wir in den vergangenen Jahren. Das ist der Schlüssel.
Noch ein Blick nach vorne, Herr Lindemann. Worauf können wir uns nach «Villa Germania» freuen?
Wir haben für RTL II noch eine weitere Auswanderer-Geschichte gemacht – unter dem Motto „ausgewandert, ausgesorgt“. Es geht um junge Menschen, die mit fünf Euro nach Amerika gegangen sind, nun aber 300 Millionen auf dem Konto haben. Die lassen es dort richtig krachen. Das ist eine tolle Sendung geworden, die optisch auch ganz anders aussieht. Das ist dann – anders als «Villa Germania» Hochglanzfernsehen.
Dann sind wir auch auf dieses Format gespannt. Danke für das Interview.