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Wird ohne «Gottschalk Live» alles besser?

Der große Showmaster räumt seinen kleinen Vorabend-Platz: Am Mittwoch ist «Gottschalk Live» Geschichte – und hinterlässt die Frage, ob die verbliebenen Sendungen am Vorabend des Ersten mit steigenden Quoten rechnen können. Eine Analyse.

Am Mittwoch geht das große ARD-Vorabendprojekt zu Ende, über das schon jeder geschrieben hat, über das schon alles gesagt wurde: «Gottschalk Live». Mit dessen Absetzung ändert sich aber auch wieder das Sendeschema des Ersten, das zurückkehrt zu seiner alten Struktur vor Gottschalk: mit jeweils zehn Minuten längeren Sendezeiten für «Brisant» um 17.15 Uhr und «Verbotene Liebe» um 18 Uhr sowie der späteren Startzeit für die Krimis, die nun wieder um 18.50 Uhr beginnen. Aber ist die Rückkehr zu diesem alten Programm auch erfolgversprechend? Oder müssen die Verantwortlichen des Ersten damit rechnen, auch in den nächsten Monaten auf schwache Vorabend-Quoten blicken zu müssen – ob nun mit oder ohne Gottschalk?

Beim Blick auf die Zuschauerzahlen des Soap-Klassikers «Verbotene Liebe» zeigt sich ein deutlicher Abwärtstrend im Jahr 2012: Ab dem Start von «Gottschalk Live» am 23. Januar bis Ende Mai hatte die Soap durchschnittlich 1,30 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 8,1 Prozent beim Gesamtpublikum. Im Vergleichszeitraum 2011 hatte «Verbotene Liebe» 370.000 Zuschauer mehr und noch 10,1 Prozent der Zuschauer auf seiner Seite. Ähnliche Verluste zeigen sich auch bei den jüngeren 14- bis 49-Jährigen, die am ARD-Vorabend relevant sind, weil dort auch Werbung gezeigt sind. Bis zum 30. Mai 2011 hatten die Serie 0,40 Millionen Menschen aus dieser Altersgruppe verfolgt, in diesen Jahr waren es nur noch 0,31 Millionen – dies ist fast ein Viertel weniger. Der Marktanteil sank im Jahresvergleich von 6,9 auf 5,7 Prozent.

Ob die Verluste allerdings wirklich auf die Sendezeitverlegung und –verkürzung durch «Gottschalk Live» zurückzuführen sind, bleibt fraglich. Möglicherweise haben auch inhaltliche Veränderungen und das Erstarken der Vorabendkonkurrenz (allen voran RTL II) zu schlechteren Zuschauerzahlen geführt – und dies wird die wohl interessanteste Frage der kommenden Monate: Kann «Verbotene Liebe» die verloren gegangenen Zuschauer wieder zurückerobern?

Beim Blick auf andere ARD-Vorabendsendungen zeigt sich, dass diese durch das veränderte Sendeschema zwar ebenfalls leichte Quotenverluste erleiden mussten, allerdings weniger starke: Beispielsweise hat der erste «Heiter bis tödlich»-Krimi, «Nordisch herb» (Foto), vor Thomas Gottschalk durchschnittlich 3,7 Prozent des 14- bis 49-jährigen Publikums interessiert – die restlichen vier Folgen seit «Gottschalk Live»-Start schafften es anschließend sogar auf 4,0 Prozent. Beim Gesamtpublikum verlor man allerdings leicht von 6,4 auf 6,0 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Krimi «Henker & Richter», dessen acht Episoden vor Gottschalk 3,9 Prozent der Jüngeren eingeschaltet hatten; seit dem 24. Januar waren es nun 3,3 Prozent. Bei allen Zuschauern ab drei Jahren ging es von 6,2 auf 5,2 Prozent bergab. Allerdings: Auch abseits dieser Verluste befinden sich die Quoten der neuen Krimis allgemein auf sehr niedrigen Niveau – und da sie bereits vor Gottschalk große Probleme hatten, dürfte sich dies nun wieder ohne ihn nicht großartig ändern.

Auch der noch halbwegs erfolgreiche Klassiker «Großstadtrevier» hat am Montagabend leichte Verluste erleiden müssen: Die neue Staffel kam von Oktober bis Mitte Januar auf 10,8 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum, die fünf restlichen neuen Folgen bis Ende Februar dann auf 9,5 Prozent. Die Reichweiten fielen von 2,81 auf 2,39 Millionen Zuschauer Bei den Jüngeren legte das «Großstadtrevier» immerhin leicht zu, von 5,8 auf 6,0 Prozent Marktanteil.

Was zeigen also diese Zahlen? Abseits möglicher größerer Aufschwünge bei der «Verbotenen Liebe» dürfte der ARD-Vorabend auch in den kommenden Monaten dahindümpeln – Gottschalk als Hiobsbote der schlechten Quoten kann hier als Argument nur bedingt gelten; die Probleme liegen vielmehr bei den Sendungen selbst und zum großen Teil auch bei der Konkurrenz wie dem sehr erfolgreichen RTL II-Vorabend. Immerhin aber werden die Durchschnittsquoten der gesamten Programmstrecke wieder ansteigen – allein durch den Wegfall des Quoten-Desasters «Gottschalk Live». Viel mehr als Schadensbegrenzung ist dies aber nicht.

Dass sich am neuen, alten Programmschema des Ersten mittelfristig viel ändert, ist unwahrscheinlich: Man will weiterhin konsequent auf die neuen «Heiter bis tödlich»-Krimis setzen, die zum Teil in neue Staffeln gehen und sich dadurch entwickeln dürfen. Aber wie sehr kann man an diesem Konzept festhalten, wenn die Zuschauerzahlen im Frühjahr 2013 immer noch so schwach sind? Vielleicht müssen dann abermals Alternativen her für diese seit Jahren bestehende Programm-Baustelle, die mit «Gottschalk Live» nur ihren Tiefpunkt gefunden hat.

Und wegen des Gottschalk-Flops wäre es zwar gewagt, an Mut und Experimentierfreudigkeit zu appellieren: Aber angesichts einer kürzlich veröffentlichen „Hörzu“-Umfrage wünschen sich viele Zuschauer Informationsprogramme zu dieser Zeit – also beispielsweise Dokus. Interessant wäre auch, der wohl erfolgreichsten Programmarke des Ersten neben der «Tagesschau» am Vorabend eine Chance zu geben: einer täglichen «Sportschau», die – im Sinne ihres eigenen Titels – abseits des Fußballs auch über andere Sportarten berichtet. Vielleicht braucht es aber auch „nur“ ein neues «Türkisch für Anfänger» (Foto), ein neues «Berlin, Berlin» – also eine neue junge Serie, die mit Frische und Qualität ein Publikum in ihren Bann zieht, wenn auch ebenfalls ein nicht allzu großes.

Abseits dieser Gedankenspiele darf sich Programmdirektor Volker Herres zumindest einer positiven Sache gewiss sein: Schlimmer als mit «Gottschalk Live» wird es nicht mehr kommen. Viel besser aber wohl in naher Zukunft auch nicht.
06.06.2012 09:14 Uhr Kurz-URL: qmde.de/57133
Jan Schlüter

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Gottschalk Live ARD

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