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«push» - Ran an die Frau!

Mit Frohnatur Annika Kipp hofft Sat.1, endlich Zuschauer in den Sat.1-Vorabend zu locken. Aus dem «Sat.1-Magazin» wurde «push» - ein frauenaffines Lifestyle-Magazin. Wie präsentierte sich die erste Ausgabe und was macht Frauen eigentlich zu solch einer begehrten Zielgruppe?

Dass weibliche Fernsehzuschauer einen nicht zu unterschätzenden Anteil an potentiellen Werbekunden ausmachen, erschloss sich in der Vergangenheit immer mehr Fernsehmachern und Sendeanstalten. Neben Kuppelformaten wie «Bauer sucht Frau» und Castingshows à la «Germanys Next Topmodel» erblickten sogar eigene TV-Sender wie Sixx und glitz* das Licht der Welt. Nun setzte auch Sat.1 auf diese bewährte Zielgruppe und gestaltete sein abendliches «Sat.1-Magazin» um. Der neue Name? «push». Die Zielgruppe? Weiblich. Die Zukunft? Ungewiss!

Schon seit Monaten gleicht das Programm des Münchner Senders Sat.1 einer Großbaustelle. Während sich im Laufe der Zeit die wenigsten Formate etablieren konnten, fielen die, denen dieses Kunststück nicht gelang, sämtlichen Streichlisten zum Opfer. Für Aufwind bei den Quoten sollte es jedoch nicht sorgen und bevor Sat.1 in der kommenden TV-Saison auch noch auf den König Fußball als Quotengarant verzichten muss, unternimmt man nun noch einmal alles, um sich mit wenigstens halbwegs akzeptablen Zuschauerzahlen über den Senderschnitt zu retten. Feste Bänke müssen her. TV-Termine, die dem Zuschauer ein Gefühl der Regelmäßigkeit bieten. Und so wurde, trotz teilweise desaströser Quoten, am «Sat.1-Magazin» festgehalten. Jedoch wurde die Sendung auf den Kopf gestellt, die angesprochene Zielgruppe stärker eingegrenzt und heraus kam ein auf Frauen zugeschnittenes Help- und Lifestyle-Magazin, mit welchem sich Sat.1 nun erhofft, einen gewissen Zuschauerstamm aufzubauen. Doch was ist so reizvoll an den weiblichen Zuschauern, dass man Magazine auf sie zuschneidet und sogar ganze Sender nach ihren klischeebehafteten Sehgewohnheiten programmiert?

Geschlechtsspezifisch ausgerichtete Formate sind keine Neuheit. Mit DMAX ging 2006 der erste private „Männerkanal“ auf Sendung. Sportsender wie Sport1 und Eurosport richten sich ebenfalls hauptsächlich an ein männliches Publikum, von schlüpfrigen Bezahlsendern wie Beate Uhse TV ganz abgesehen. Nachrichtensender wie n-tv und N24 füllen das Programm zwischen den News-Breaks häufig mit technisch visierten Reportagen und bei ProSieben hält sich seit Jahren der Wissensklassiker «Galileo» im Programm, der ebenfalls hauptsächlich von männlichen Zusehern geschaut wird. Auf der anderen Seite genossen vor einigen Jahren sämtliche Kochshows einen gewissen Quotenruhm – Zielgruppe: weiblich. Helpformate wie «Die Super-Nanny» oder «Einsatz in vier Wänden» gelten ebenfalls als frauenaffin. Gleiches galt in jüngster Zeit auch für «DSDS Kids», nach wie vor für die neuste Staffel von «Germanys Next Topmodel» und vor allem die Damen dürften in freudiger Erwartung an die nächste Staffel von «Bauer sucht Frau» bereits frohlocken.

Dass sämtliche dieser Formate mit den typischen Mann-Frau-Klischees spielen, ist bereits auf den ersten Blick eindeutig. Doch werbetechnisch machen es eben jene gemutmaßten Sehgewohnheiten den Werbefirmen einfach, immerhin orientieren sich die Werbekunden an der Zielgruppe des jeweiligen Formats, sodass in einem Werbebreak bei «GNTM» Spots für Shampoo, Schminke oder Schuhfabrikate Hochkonjunktur haben, während zwischen den «Simpsons» und «Galileo» besser für das neuste Smartphone oder Männerdeo geworben wird. Je genauer die Werbung auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten ist, desto wahrscheinlicher ist schließlich der Erfolg bei den Werbenden und damit im Umkehrschluss auch für den Sender. Diese Taktik kommt an und einen Nutzen hieraus ziehen alle. Sender, Werbepartner und Zuschauer.

Vermutlich wäre es zu einfach, der weiblichen Zuschauerin an sich vorzuhalten, sie wäre leichter zu beeinflussen und damit ein gefundenes Fressen für Werbeagenturen. Und wenn man sich die Formate der Vergangenheit anschaut, so wird schnell ersichtlich, dass man auch in der Gegenwart auf Altbewährtes zurückgreift, anstatt viel herumzuexperimentieren. Seit sieben Jahren sucht Heidi Klum schon nach Nachwuchsmodels, nach wie vor haben Helpformate Hochkonjunktur und viele Frauen halten – einmal damit begonnen – an „ihren“ Serien fest. Also alles eine Frage der Gewohnheit? Vermutlich schon, denn für welchen Mann ist es nicht auch irgendwie mittlerweile zur Gewohnheit geworden, jeden Samstag um 23:00 Uhr «das aktuelle Sportstudio» zu gucken? Und gerade damit gelingt es vielen Sendern, langfristig Zuschauer und Zuschauerinnen an sich zu binden. Ob dies mit Serien geschieht oder mit der richtigen Samstagabendshow einmal im Monat, ist von Sender zu Sender verschieden.

Zurück zu «push»: Da gerade Sat.1 in den vergangenen Monaten immer mehr feste Institutionen in seinem TV-Programm ziehen ließ, ist es nun an der Zeit, es so zu machen, wie die Konkurrenz. Annika Kipp, bereits durch das «Frühstücksfernsehen» und das «Sat.1-Magazin» bekannt geworden, führt durch eine Sendung, die wie ein Mix aus RTLs Boulevard-Klassiker «Explosiv», dem «Sat.1-Frühstücksfernsehen» und Bruchstücken aus dem «push»-Vorgänger, dem «Sat.1-Magazin», wirkt.

Annika Kipp macht ihre Sache gut. Ohne Weiteres gibt sie dem Zuschauer das Gefühl, dass sie ihre eigene Sendung liebt. Durch ihre Herzlichkeit und Spontaneität gibt sie «push» ein Gesicht und stellt so eine Frau dar, an der sich frau gern orientiert. Doch inhaltlich fehlt es der Sendung an Wiedererkennungswert. Auch wenn die Sendung von vielen – auch vom Sender selbst – als in der Aufmachung "anders" beschrieben wird, so macht eine Grimassen schneidende Moderatoren noch kein evolutionäres Format aus. Youtube-Videos zu kommentieren, gehört selbst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern mittlerweile zum guten Ton. Es ist zwar ganz klar ein roter Faden zu erkennen, der sich dadurch bemerkbar macht, dass die Beiträge allesamt Themen behandeln, die auf den ersten Blick die Wünsche der Durchschnittsfrau widerspiegeln, wie einen Besuch auf der Beautymesse oder die Vorstellung origineller Heiratsanträge, sowie ein Appell an die weibliche Zuschauerschaft, Fotos vom Nachwuchs einzusenden, jedoch ist diese Aufmachung Fluch und Segen zugleich. Eine Studie des Kölner-Rheingold-Instituts zu den Sehgewohnheiten der Frau förderte einst zu Tage, dass Frauen vor allem nicht auf ihre Rollenklischees reduziert werden wollen. Doch leider tut «push» genau das.

Und wirklich innovativ ist das alles auch nicht - nur ein Punkt fiel deutlich auf: Sowohl Moderatorin Kipp als auch die beiden Repoter von der Beauty-Messe kommentierten ihre eigenen Beiträge zusätzlich noch in der Blue-Box, eben so wie man es aus diversen Chart-Shows oder auch vom Mega-Erfolg «Berlin - Tag & Nacht» kennt.

So bleibt es fraglich, ob sich das neue Magazin in einem bislang von Scripted-Crime-Dokus dominierten Vorabend durchsetzen wird. Fraglich auch, ob Frau mit dem Finger auf sich zeigen und sich vorschreiben lässt, dass ihr Beauty- und Familythemen zu gefallen haben und sich «push» somit im Läufe der Zeit etablieren lässt. Es kann klappen – muss aber nicht.
30.05.2012 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/57001
Antje Wessels

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push Annika Kipp

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