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360 Grad: The Good, the Bad and the... What-the-Fuck

Julian Miller fasst die Highlights der in den Halbfinalen des «ESC» ausgeschiedenen Länder zusammen. Inklusive Links zu den Auftritten.

Trotz einiger innerer Zwiste, die in letzter Zeit auch mit durchaus harten Bandagen ausgetragen wurden, darf Europa einmal im Jahr geschlossen auftreten. Dann, wenn wieder Eurovision-Zeit ist, wenn sich der Kontinent auf seine Gemeinsamkeiten besinnen kann, fernab von politischen und wirtschaftlichen Streitereien.

Was man da dann zu sehen bekommt? Gute Musik. Schlechte Musik. Sehr schlechte Musik. Und Dinge, die man einfach nur noch als bizarr bezeichnen kann.

Den Vogel abgeschossen hat dieses Jahr sicherlich San Marino. Hinter dem Beitrag steckt Komponist Ralph Siegel (wer sonst), der einen Song über Social Networks geschrieben hat. Was man aus dem Thema alles hätte machen können. Aber wir sprechen ja von Ralph Siegel. So wird daraus eine banale Midtemponummer ohne packenden Hook, ohne Variation, ein steriles Machwerk, das trotz der modernen Thematik in den 80ern festzustecken scheint. Eine Thematik, die viel an Angriffsfläche geboten hätte, die fast schon dazu einlädt, den Social-Media-Boom zumindest in Ansätzen auch auf eine sinnvolle Weise kritisch zu hinterfragen. Ach ja, stimmt, wir sprechen von Ralph Siegel. Da sieht das dann natürlich so aus, dass seine Sängerin auf der Bühne irgendetwas von „googling, gaggeling“ quasseln muss, als wäre sie dem Teletubbyland entsprungen. Noch dazu: Der Fummel, den sie dabei trägt, lässt sie auch so aussehen. Klar, dass man damit nicht einmal den sprichwörtlichen Blumentopf gewinnen kann. Vom Einzug ins Finale ganz zu schweigen.

Unsere geliebten Österreicher haben es auch nicht geschafft. Ihr Song: Woki mit deim Popo. Also auf deutsch etwa (frei übersetzt): Wackel mit dem Arsch. Zugegeben, das ist jetzt nicht gerade Dostojewskij. Gleichzeitig sprechen wir natürlich von dem Land, das Europa schon einmal mit dem Refrain „Klane Hasrln hab'n kurze Naserln und klane Katzerl hab'n weiche Bratzerln“ beglückt und damit dann noch einen guten sechsten Platz abgeräumt hat. Eine ordentliche Portion Wahnsinn und Anarchismus gehört für die Österreicher beim ESC wohl also dazu, vielleicht auch gerade weil es im letzten Jahr mit einem recht behäbigen Chanson nicht geklappt hat. Aber auch diesmal fahren unsere Nachbarn schon wieder nach dem Halbfinale zurück nach Hause. Obwohl die Nummer an komödiantischem Potential eigentlich kaum zu überbieten war.

Während man es in Österreich zumindest alle paar Jahre einmal in die Top Ten des ESC schafft, scheint Montenegro gar kein Glück zu haben. Seit seinem Beitritt zur EBU im Jahr 2007 hat man es noch nie auch nur ins Finale geschafft. 2009 natürlich erst recht nicht, denn da trat man gar nicht an. Wer die diesjährige Darbietung beim ersten Halbfinale am Dienstag gesehen hat, kann sich denken, warum das bisher nichts geworden ist. Auf der Bühne stand Rambo Amadeus, ein etwas beleibter Endvierziger, der eher der politischen Kabarett- als der Musikszene seines Landes entstammen zu scheint, und irgendwas vom „Euro Neuro“ sang, zusammen mit einem Haufen kaum dechiffrierbarer Phrasen über „pragmatic“, „hermetic“, „analphabetic“ und „cosmetic“. Eine der typischen What-the-Fuck-Performances.

Überzeugen konnte dagegen der israelische Beitrag, der in seiner Aufmachung vielleicht auch nicht ganz ernst gemeint, gleichzeitig musikalisch aber hochwertig produziert und sängerisch interessant war. Ein hübsches Bühnendesign hat dabei den Auftritt recht treffend abgerundet. Schade, dass man das am Samstag nicht noch einmal sehen wird.

Die Niederländer haben unterdessen den Klischee-Indianerkopfschmuck ausgepackt, den sich die ehemalige «The Voice of Holland»-Teilnehmerin Joan Franka aufsetzen durfte. In dem belanglosen Liedchen besingt sie die Geschichte eines alten Verflossenen. Wieso man auf der Bühne dabei einen auf amerikanischen Ureinwohner macht? Hat sich dem Verfasser dieser Zeilen auch nicht so richtig erschlossen.

Was bei vielen ESC-Nummern oft das Absurde ist, ist der oft durchschimmernde Anspruch, so viele Zielgruppen wie möglich bedienen zu wollen. Für jeden Geschmack soll etwas dabei sein und dann, für die Jurys, am besten auch noch ein bisschen Kunst, wie Bernd Meinunger das einmal formuliert hat. Aus dieser bizarren Vorstellung hat sich der georgische Beitrag dieses Jahr einen kleinen Spaß erlaubt. Denn alle dreißig Sekunden ändert sich der Stil - von Oper über Dance bis hin zu Rock.

Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.
24.05.2012 23:16 Uhr Kurz-URL: qmde.de/56890
Julian Miller

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Tags

360 Grad Eurovision Song Contest ESC Grand Prix

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