Inhalt
Eine Prostituierte biedert sich in einer Münchner Disco einem der ausgelassen feiernden Männern an. Dieser lehnt zunächst ab, allerdings zeigt sich die Dame hartnäckig, bietet sogar gratis Oralverkehr an. Wenige Zeit später wird ihre Leiche auf der Damentoilette gefunden. Die Polizei vermutet, dass sich der Fall einfach klären lässt, aber dann erhängt sich der Hauptverdächtige. Die jungen, abseits der Norm denkenden Kripo-Beamten Laim und Berners sind sich vor dem Hintergrund dieses unerklärlichen Suizids, dass sich hinter dem Prostituiertenmord eine größere, verwobene Geschichte verbirgt.
Die Indizien führen Laim, der selbst Stammkunde bei der Callgirlvermittlung ist, bei der die Tote beschäftigt war, in die Chefetage eines örtlichen Chemie-Großkonzerns. Der Anwalt des Unternehmens gehört ebenfalls zur großen Kundenliste des Begleitservices und verkehrte häufig mit der Ermordeten. Die Ermittler wittern, dass der raffgierige Konzernvorstand in den Fall verwickelt sein muss, aber die bereits wegen Kartellabsprachen in Verruf geratenen Firmenmitglieder haben allesamt wasserdichte Alibis ...
Darsteller
Maximilian Simonischek («Hindenburg») ist Lukas Laim
Katharina Böhm («Russisch Roulette») ist Marion Andergast
Gerhard Wittmann («Die Hummel») ist Simhandl
Kostja Ullmann («Die wilden Hühner und das Leben») ist Tim Berners
Harald Schrott («Vier Frauen und ein Todesfall») ist Rüdiger Nefzer
Gisela Schneeberger («Der Dicke») ist Laims Mutter
Michael Roll («Kommisarin Lucas») ist Dr. Eildinger
Kritik
«SOKO Köln»-Regisseur Michael Schneider versucht mit «Die Tote ohne Alibi» eine atmosphärische Gratwanderung im Bereich dessen, wonach es dem breiten deutschen Fernsehpublikum im Krimigenre geziemt. Fernsehkrimis sind, wenn man das Genre an dieser Stelle etwas verallgemeinern darf, entweder leichtgängige Berieselung, oder sie gehören der pessimistischen, in verrottete Seelen blickenden Gattung des Schweden-Krimis an. Nach einem Drehbuch von Christoph Darnstädt («Die Grenze») versucht sich Schneider mit «Die Tote ohne Alibi» an einem tonalen Krimihybriden. Die Hauptfigur Laim hat ihre dubiosen Ecken und Kanten, verspürt aufgrund seiner moralisch fragwürdigen Familie Selbsthass, und doch ist sie keine in Zweifel ersaufende Ermittlerfigur, die kurz vorm Überkochen ist. Stattdessen legt ihn Simonischek als allen seinen Problemen zum Trotz charismatischen Zeitgenossen an.
Das in diesem über 100 Minuten langen Fernsehkrimi skizzierte München scheint zunächst als deutsche Entsprechung für die Großstadt-Schauplätze diverser Schwedenkrimis erdacht: Das Nachtleben brummt in einem schillernden, zugleich aber grün-gelblichen und somit leicht ekligen Farbton, Monogamie ist den meisten Polizisten ein Fremdwort, zügelloser Sex in Szeneclubs und ein raffgieriger Großkonzern mit dunklen Geheimnissen. Aber «Die Tote ohne Alibi» strahlt darin noch immer etwas optimistischeres aus: Der Rechtsapparat ist nicht durchweg inkompetent, die zwei Hauptermittler kommen vergleichsweise gut miteinander aus, der Sumpf der Korruption lässt sich noch immer überblicken. Das große Figurenarsenal dieses Krimis hält einige erfrischende, wenngleich einseitige, Spaßbringer bereit. So etwa Gisela Schneeberger als Laims selbstinszenatorische Mutter.
Der Spagat zwischen Kriminalfall, Charakterzeichnung und Humor gelingt Schneider zwar nicht ununterbrochen mit grazilem, so aber mit durchweg sicherem Schritt. Die Übergänge funktionieren und ergeben ein stimmiges Ganzes. Woran sich das Drehbuch allerdings verhebt, ist der überambitionierte Sprung vom Mord an einem Callgirl hin zu den industriellen Machtspielereien. Ab der zweiten Hälfte versucht sich «Die Tote ohne Alibi» vermehrt als Industriethriller, was allerdings schon daran scheitert, wie konstruiert der Mordfall zum wirtschaftlichen Lug und Trug führt. Der früh offen gelegte Schurke fällt obendrein charakterlich zu eindimensional aus, als dass das psychische Duell mit der mehrschichtigen Hauptfigur größere Spannungsmomente erzeugen könnte. Deshalb wäre entweder weniger mehr gewesen, und man hätte es inhaltlich auf den Mord belassen und die interessante Charakterzeichnung Laims dafür stärker in den Vordergrund gerückt, oder man hätte den Mut für einen Zweiteiler aufbringen sollen, wodurch mehr Raum für die Vertiefung der Industriethriller-Elemente gewonnen wäre.
Aufgrund der etwas zerfahrenen zweiten Hälfte bleibt «Die Tote ohne Alibi» hinter den hohen Versprechungen der ersten Filmstunde zurück. Für Genrefans ist diese Mischung aus knallhartem und etwas leichter verdaulichem Krimi jedoch durchaus empfehlenswert.
Das ZDF strahlt «Die Tote ohne Alibi» am Montag, dem 30. April 2012, um 20.15 Uhr aus.