Seit knapp zwei Wochen wird die ARD-Vorabendsendung mit Thomas Gottschalk umgebaut. Eine Live-Ausstrahlung ist mittlerweile wegen des veränderten Konzepts nicht mehr von Nöten. Was sich sonst so getan hat...
Seit vergangenem Montag befindet sich das ARD-Vorabendexperiment von Thomas Gottschalk offiziell in einer Relaunch-Phase, deren Veränderungen am Konzept von «Gottschalk Live» die dramatisch schlechten Quoten der Vorwochen wieder steigern und der Sendung im Ersten möglichst noch eine längere Zukunft geben sollen. Eigentlich hätte dieser Relaunch nach ursprünglichen Ankündigungen bereits seit Anfang dieser Woche vollendet sein müssen, doch jüngst wurde bekannt, dass man noch bis zum 2. April brauche, damit die Zuschauer das komplett fertige Produkt bestaunen können – oder eben auch nicht. Die Macher von «Gottschalk Live» wollen die Zuschauer an einer allmählichen Umstellung teilhaben und sie selbige direkt miterleben lassen. Doch ob diese zeitaufwendige Taktik angesichts des großen Quotendrucks von Seiten der ARD richtig ist, darf man bezweifeln.
Wo in der Umbauphase steht man denn jetzt aktuell? Nun, um dies beurteilen zu können, müsste man eigentlich wissen, wohin die Reise konzeptuell überhaupt noch gehen soll, doch das wissen die Verantwortlichen der Redaktion und Grundy-Produktion wohl selbst auch immer noch nicht so ganz genau. Fest steht, dass vom eigentlichen Inhalt her im Grunde noch gar kein richtiger Relaunch stattgefunden hat. Es sind fast keine Veränderungen zu den Vorwochen auszumachen: Noch immer spricht Gottschalk schlicht mit zwei Gästen, die nacheinander ins Studio kommen und unterscheidet sich somit kaum von allen anderen Talkshows. Da es künftig, entgegen der bisherigen Planung, nun doch keinen Sidekick geben soll, wird sich am Grundkonzept wohl auch nicht mehr viel ändern. Zunächst geht es um Themen, die mehr auf die aktuellen Projekte der Gäste gepolt sind, ehe der Gastgeber eine Runde mit beiden Gesprächspartnern eröffnet. Dazu zeigt Gottschalk die einen oder anderen Einspielfilme zur Erklärung, die seit der Übernahme der Redaktionsleitung durch Markus Peichl etwas fundierter und professioneller produziert sind. Auch der zweite Gast wird vor seinem Auftritt noch kurz in einem Einspieler vorgestellt. Das war es. Die erste Werbepause dauert noch immer knapp 30 Sekunden und in der zweiten wird nach wie vor das Wetter präsentiert. Alles wie gehabt. Gottschalk steif.
Äußerlich lassen sich jedoch schon zwei wichtige Veränderungen ausmachen: Zum einen sitzt seit Montag vergangener Woche ein kleines aber feines Publikum im Studio, das die Stimmung deutlich unterhaltsamer werden lässt, da es die witzigen Stellen mit Lachern unterstützen oder Besonderes beklatschen kann. Zum anderen ist das Studiodesign seit dieser Woche ein gänzlich anderes. Zwar sendet man noch immer vom Gendarmenmarkt in Berlin, doch die Wohnzimmer-Atmosphäre ist dahin und die Redaktion ist weg. Sie sitzt jetzt zwei Etagen tiefer und Gottschalk tummelt sich mit seinen Gästen in einem Set, das dem von Sandra Maischberger ähnelt: Neonröhren und hängende Lampen an der Wand, warme Farbgebung und ein paar Streifen in strukturierter Steinoptik zwischendrin. Nur die Logoschilder, die darin eingelassen sind, gibt es ausschließlich bei Thommy, damit auch jeder Zuschauer merkt, dass dies wirklich immer noch «Gottschalk Live» ist. Der silberne Schreibtisch ist zu diesem Zweck wohl auch noch dort gelassen worden. Wie der Moderator jedoch am Montag selbst bemerkte, ist das neue Studio noch nicht ganz fertig. Sinnbildlich für die ganze Show.
Alles andere sind Kleinigkeiten. Dass nicht mehr so viele Zeitungen auf Gottschalks Schreibtisch liegen und die Gäste jetzt im Vorspann angekündigt werden, dass auch mal ein Politiker in die Sendung kommt, wie für den Berliner Standort eigentlich auch sinnig und mit Gregor Gysi zu Wochenbeginn der Fall gewesen, dass der Gastgeber mit seinen Talkpartnern auch mal die ein oder andere Nebenaktion macht, wie etwa ein kleines Quiz oder Liegestütze im Studio in Anlehnung an Michelle Obamas Auftritt im US-TV bei Ellen DeGeneres, deren Show unser «Gottschalk Live» insgeheim wohl nicht nur hier nacheiferte. Alles nett, aber auch nicht Teil eines richtigen Konzepts. Gezwungene Nummern zur Auflockerung des Talks. Ach ja! Der Talk. Den leitet Gottschalk seit Wochenbeginn erstaunlicherweise etwas sicherer. Ob es an Markus Peichls neuer Vorbereitung desselbigen liegt, oder einfach nur daran, dass der Moderator in der vorherigen Woche anhand der selbstironisch gezeigten, ihn veräppelnden Einspieler aus Satiresendungen geschockt sah, wie schwach er das bis dahin gemacht hat, ist dabei egal. Hauptsache es wirkt angemessener und professioneller.
Die Professionalität ist es dann auch, die insgesamt weiter vorangetrieben werden muss. Es braucht mehr Relevanz für das Format, welches das Kunststück zu vollbringen hat, ein erkennbares Konzept zu bieten, ohne aber einen all zu engen Rahmen zu bilden. Das dürfte hinter den Kulissen auch bekannt sein. Gunter Gabriel formulierte in der Dienstagsausgabe so schön, dass man in Deutschland langsam mal mit dem Arsch aus der Hose kommen müsse. Das trifft momentan insbesondere auf die Macher von «Gottschalk Live» zu: Wenn die Sendung eine Überlebenschance ergreifen soll, dann muss der Relaunch schneller voran und bald zu einem Ende gebracht werden. Das fertige Produkt muss überdies noch genug Zeit bekommen, zu wirken. Und es muss vor allem wieder in irgendeiner Form den Titel rechtfertigen, denn: Weil inzwischen die Social-Media-Einbindung komplett fehlt, erkennt man den Sinn der Live-Ausstrahlung nicht mehr. Jede Ausgabe könnte auch genauso gut eine Aufzeichnung sein.
Unterm Strich kann man also nur festhalten: Wenn schon Relaunch, dann bitte auch richtig und vor allem zügig! Es bleibt dem Team von «Gottschalk Live» nicht mehr viel Zeit, um die Sendung zu retten; sofern man sie überhaupt noch retten kann und der Zug sowohl beim Zuschauer als auch in der ARD-Chefetage nicht schon längst abgefahren ist – egal, was inhaltlich noch kommen mag. Die leicht steigenden Quoten Anfang dieser Woche spiegeln eine leicht steigende Tendenz der Vorabendshow wider. Doch leicht reicht eben nicht. In der hart umkämpften Todeszone ist das Prädikat "ganz nett" noch längst nicht genug.