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360 Grad: The Winner Takes It All

Ein neuer «Wetten, dass..?»-Moderator ist nach über einem Jahr der Suche gefunden. Ein Kommentar von Julian Miller.

Schon als Thomas Gottschalk am 12. Februar des vergangenen Jahres in der ersten «Wetten, dass..?»-Ausgabe seit dem tragischen Unfall von Samuel Koch ankündigte, dass er seine Moderationsaufgabe nach der aktuellen Staffel abgeben würde, war vielen mulmig zumute. Jedem war klar, dass das riesige Fußstapfen sind, die Gottschalk hier hinterlassen würde. Die einzige Möglichkeit, das Risiko eines Scheiterns zu verhindern, wäre die Einstellung des Formats gewesen. Doch angesichts der trotz sinkender Quoten immer noch riesigen Resonanz beim Publikum und der langen Tradition, die mit der Sendung verbunden ist, war das für das ZDF wohl keine Option.

Es musste ein Nachfolger gefunden werden. Und selbst die größten Pessimisten konnten damals noch nicht vermuten, dass sich diese Prozedur über mehr als ein Jahr hinziehen und zu einer einzigen Farce verkommen würde. Es ist verständlich, dass man, solange Thomas Gottschalk noch Moderator der Sendung sein würde, keinen Nachfolger präsentieren wollte. Doch hinter den Kulissen musste die Suche sofort beginnen. Schnell stellte sich als „heir apparent“ Hape Kerkeling heraus und seine Name flatterte monatelang durch die Spekulationsartikel. Bis zu seiner Absage in der «Wetten, dass..?»-Ausgabe vom 8. November, in der durchklang, als würde er sich das nicht antun wollen. Ebenfalls verständlich. Doch noch im September hatte Thomas Bellut angekündigt, dass man beim ZDF im Falle einer Absage Kerkelings ein Problem haben würde. Und so kam es dann auch.

Spätestens jetzt rächte es sich, dass man es beim ZDF in den letzten Jahren versäumt hatte, ein Sendergesicht für die große Samstagabend-Show-Bühne aufzubauen. Das Chaos war perfekt und die verschiedensten Namen geisterten durch die Meldungen: Barbara Schöneberger, Markus Lanz und Joko und Klaas wurden als Favoriten gehandelt. Mit welchen von ihnen wirklich intensive Gespräche stattfanden, ist nicht bekannt.

Am vergangenen Sonntag wurde schließlich kommuniziert, was man bereits wochenlang spekuliert hatte. Markus Lanz darf ran, ein Moderator, der ums Verrecken nicht polarisieren will. Damit ist er der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Zuschauerschaft einigen kann. Hauptsächlich, weil er keine Gründe liefert, weswegen man ihn ablehnen könnte. Die Zeiten, in denen sich samstagabends die ganze Familie vor dem Fernseher versammelt hat, ist wohl in weiten Teilen wegen der zunehmenden Ausdifferenzierung der Programmpräferenzen passé. Doch wenn es ein Format gibt, dass diesem Anspruch, großes Show-Fernsehen für eine möglichst breite Zuschauermasse zu sein, noch zumindest in abgeschwächter Weise gerecht wird, ist das wohl «Wetten, dass..?».

Markus Lanz ist (nach Hape Kerkeling) damit wohl vielleicht die intelligenteste Wahl für Gottschalks Nachfolgerschaft. Und das, gerade weil er nirgendwo aneckt, es keine Zuschauerklientel gibt, die irgendeinen Grund hätte, ihn abzulehnen. Joko und Klaas machen sicherlich innovatives und auch herausragendes Fernsehen – doch sie tun es hauptsächlich auf einem Spartenkanal weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit für eine junge, urbane und intellektuelle Zielgruppe. Ob die 50+-Generation schnell einen Zugang zu ihnen finden könnte, scheint fraglich. Lanz ist dagegen jemand, auf den man sich einigen kann. In seiner Talkshow wirkt er bieder, angepasst, immer freundlich, immer höflich. Und das sind vielleicht die Hauptkriterien, die man als «Wetten, dass..?»-Moderator erfüllen muss.

Das lässt sich auch daran erkennen, dass die große Feuilleton-Häme nach der großen Bekanntgabe vom letzten Sonntagabend ausblieb. Man gibt Lanz zumindest die Chance, sich zu beweisen. Aus manchen Artikeln klingt auch durch, dass man froh zu sein scheint, dass nun überhaupt jemand gefunden wurde. Denn das Perverse ist, dass die erfolgreichste Samstagabendshow des ZDF, die seit drei Jahrzehnten eine feste Instanz in deutschen Wohnzimmern ist, wie ein Eimer Erbrochenes herumgereicht wurde.

Manche trauten es sich nicht zu, diese Aufgabe zu übernehmen, andere schienen Angst vor dem Spott zu haben, mit dem sie von Boulevard und Feuilleton gleichermaßen überschüttet hätten werden können, spätestens nach der ersten Ausgabe. Die Nachfolgesuche wurde zur Staatsaffäre aufgeblasen. Doch daran trägt das ZDF eine gehörige Mitschuld, da es nicht dazu imstande war, direkt nach Gottschalks Ankündigung, die Sendung am Ende des Jahres abzugeben, zumindest intern Nägel mit Köpfen zu machen. Damit konnte man all den Spekulationen nämlich nicht das Wasser abdrehen.

Hoffentlich geht die Wahl unseres neuen Bundespräsidenten reibungsloser vonstatten.

Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.
16.03.2012 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/55548
Julian Miller

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360 Grad Markus Lanz

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