Die Casting- und Recall-Ausgaben von «DSDS» sprachen in der neunten Staffel weniger Zuschauer an, als noch in den Vorjahren.
Ist Fernsehdeutschland mit Castingshows übersättigt? Oder wird über die Quoten des RTL-Dauerbrenners «Deutschland sucht den Superstar» einfach bloß auf einem unverschämt hohen Niveau gejammert? Ende 2011 fand die zweite Staffel «X Factor» ihr Ende, von November 2011 bis Februar dieses Jahres suchten ProSieben und Sat.1 «The Voice of Germany» und dazwischen wurde auch «Unser Star für Baku» gefunden. Umrahmt von diesen qualitätsgesteuerten Castings bewies sich Dieter Bohlens regelmäßig wegen übler Kandidatenhäme gescholtene Show noch immer als quotenstärkstes Format. Das aber mit deutlichem Abstand gegenüber den bisherigen Werten – und der Trend zeigt deutlich nach unten.
Die am Samstag, den 7. Januar ausgestrahlte erste Ausgabe der Staffel zog 6,17 Millionen Zuschauer an, unter denen sich 3,70 Millionen 14- bis 49-Jährige befanden. Der Marktanteil von 31 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe war zwar generell sehr stark und sehr deutlich über dem RTL-Senderschnitt, jedoch unterbot die Staffelpremiere somit die durchschnittlichen Werte der Casting-Ausgaben aus den Vorjahren. Zugleich war es die schwächste Premiere seit der sechsten «DSDS»-Staffel, aber während sich Dieter Bohlen und Co. 2009 im Laufe der Casting-Folgen wieder steigern konnten, war für die neunte Staffel bereits der Höhepunkt erreicht.
Am Mittwoch darauf schalteten nur 26,6 Prozent der werberelevanten Fernsehnutzer ein, wodurch der schlechteste Wert einer «DSDS»-Castingausgabe seit 2005 markiert wurde. Die Reichweite betrug 3,41 Millionen junge Zuschauer und 5,56 Millionen ab drei Jahren. Mit einem Marktanteil von 17,1 Prozent schlug sich die erste Mittwochs-Folge der neunten Staffel beim Gesamtpublikum aber besser als in der Zielgruppe: Gegenüber der Staffelpremiere verlor die Show nur 1,7 Prozentpunkte, bei den Umworbenen gab man um 4,4 Punkte nach.
Am zweiten Samstag der neunten Staffel war es auch bei der Gesamtreichweite, wo RTL einen Aufwärtstrend verbuchen konnte: 5,84 Millionen schalteten ein und sorgten so zum letzten Mal für mehr als 18 Prozent Marktanteil. Die Reichweite bei den 14- bis 49-Jährigen sank dagegen weiter, jedoch stieg der Marktanteil aufgrund des weniger umfangreichen Fernsehpublikums des Abends auf 28,9 Prozent – den drittbesten Wert der neunten Casting- und Recall-Runde. Die Folgen Vier und Fünf setzten in der Zielgruppe dagegen den radikalen Abwärtstrend fort: Mit 25,2 und 24,7 Prozent (bei 3,31 und 2,94 Millionen jungen Zuschauern) dürften die erfolgsverwöhnten Köpfe hinter der alteingesessenen Castingshow nicht zufrieden gewesen sein. Auch bei allen Zuschauern sah es, für die Verhältnisse dieser Show, mit weniger als 16 Prozent kritisch aus.
Die zwei letzten Ausstrahlungen im Januar deuteten eine Trendwende an: Mit 16,8 und 17,5 Prozent ging es bei den Gesamtzuschauern wieder aufwärts. Noch größere Sprünge gelangen in der kommerziell bedeutsamen Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen: 27,5 Prozent und 29,2 Prozent rückten die zwei letzten Casting-Ausgaben wieder näher an die Staffelpremiere heran. Die Reichweiten beliefen sich auf 3,47 Millionen und 3,24 Millionen junge Zuschauer (erneut war der Marktanteil am Samstag trotz kleiner Zuschauerschaft größer als am Mittwoch). Mit diesen zwei Ausgaben gingen jedoch bereits alle sieben Shows über Castingpeinlichkeiten auf Sendung, und diese bescheren «DSDS» üblicherweise nicht nur die meiste Schelte von Medienwächtern, sondern auch das größte Zuschauerinteresse.
Erwartungsgemäß konnte auch keines der ab dem 1. Februar gezeigten Recalls den Marktanteil der finalen Castingausgabe übertreffen. Das erste Recall, ausgestrahlt an einem Mittwoch, konnte sich mit 17,0 Prozent bei allen und einem Marktanteil von 27,5 Prozent Marktanteil bei den umworbenen Zuschauern zwar auf das Niveau des letzten Mittwoch-Castings heben, allerdings sollte der erste Recall auch der zuschauerstärkste bleiben. 5,64 Millionen Neugierige, darunter 3,54 Millionen 14- bis 49-Jährige, sorgten zugleich für den eindeutig schwächsten Start der Recall-Sessions seit der dritten Staffel.
Am Samstag, den 4. Februar, führten erneut etwas schwächere Reichweiten zu minimal besseren Marktanteilen: 5,60 Millionen beziehungsweise 3,31 Millionen Fernsehende brachten dem Kölner Sender, in nahezu jedem anderen Fall sehr gute, bei «DSDS» aber enttäuschende 17,4 und 28,2 Prozent. Am Mittwoch, den 8. Februar, folgte dann der Quoteneinbruch, der das Feuilleton aufweckte und über Bohlens wegbröckelndes Publikum berichten ließ: Bloß fünf Millionen schalteten ein, die schlechteste «DSDS»-Quote (inklusive Mottoshows) seit 2009. 14,8 Prozent Marktanteil zerrten den Dauerrenner fast runter auf Senderschnitt, während mit 23 Prozent der jungen Zuschauer noch etwas Luft bis zu dieser Grenze blieb. Trotzdem: Die Reichweite in der Zielgruppe war mit 3,11 Millionen eine der schlechtesten in der Geschichte des Formats, und am Samstag darauf fanden sich nur rund 6.000 zusätzliche junge Interessenten.
Die Talfahrt konnte auf der Zielgeraden jedoch gestoppt werden: Die vorletzte Mittwochsausgabe der Staffel wurde von 15,8 Prozent aller und 24,5 Prozent der jungen Zuschauer gesehen. Bei den Samstagsfolgen ging es noch ein bisschen stärker aufwärts: Am 11. Februar generierten 5,35 bzw. 3,17 Millionen «DSDS»-Jünger Marktanteile von 16,7 und 26,3 Prozent. Der abschließende Samstagsrecall dieser Staffel kam bei etwas mehr als fünfeinhalb Millionen Fernsehenden auf 17,0 Prozent sowie bei 3,29 Millionen Werberelevanten auf 27,1 Prozent. Mit der letzten Recall-Ausgabe erreichte RTL nur noch 4,95 Millionen Zuschauer und somit den tiefsten Wert seit vielen Jahren. Bei den Werberelevanten wurden allerdings noch sehr gute 23,8 Prozent Marktanteil verzeichnet.
Die Castings und Recalls kamen somit durchschnittlich auf eine Sehbeteiligung von 26,7 Prozent in der Zielgruppe. Die Reichweite betrug im Schnitt 3,30 Millionen 14- bis 49-Jährige, es sahen also eine Million Menschen weniger zu als während der Casting- und Recall-Phase der vergangenen Staffel. Das schlug sich auch in einem Verlust von über sechs Prozentpunkten beim Marktanteil nieder – eine herbe Niederlage für das Casting-Urgestein. Beim Gesamtpublikum sank die durchschnittliche Reichweite sogar um mehr als eine Million auf 5,45 Millionen Menschen, der Marktanteil schrumpfte dagegen um 3,2 Prozentpunkte auf 16,7 Prozent.
Das sind selbstverständlich Werte, von denen Produzenten vieler anderer Shows nur träumen können. Aber «Deutschland sucht den Superstar» lief bei den Umworbenen in seiner voyeuristischen Phase nie schlechter. Ausnahme bildet die erste Staffel, in der Casting und Recall zusammengefasst wurden und bloß drei Episoden ausmachten. Der Vorführfaktor war damals noch nicht so ausgeprägt – und die Mottoshows liefen wesentlich erfolgreicher als in all den Jahren danach.
Eventuell ist es nur ein Formtief, schließlich liefen die fünfte und sechste Staffel auch schwächer als die zwei anschließenden Jahrgänge von «DSDS». Wer möchte, kann diese Quoten aber auch als Zeichen eines Casting-Überdrusses und inhaltlicher Unzufriedenheit mit dem oberflächlichsten der Gesangscastings deuten. Wer Schock und Fremdscham möchte, hat ja mittlerweile «Das Supertalent». Ernsthaft an Musik interessierte Zuschauer teilen sich derweil über die anderen Gesangscastings im deutschen Fernsehen auf. Deshalb düfte es auch spannend sein, welche Richtung die «DSDS»-Macher in der unvermeidlichen zehnten Staffel einschlagen werden. Noch mehr Krawall oder die Rückkehr zu musikalischer Qualität?