Gerade in den USA gestartet und in Deutschland längst angekommen. ProSieben hievte den Sitcom-Erfolg rekordverdächtig schnell ins Programm.
So schnell ging es selten: Erst im September 2011 in den USA gestartet ist die neue Comedyserie «New Girl» bereits seit Anfang Januar auf ProSieben zu sehen. Derzeit hat die US-Ausstrahlung gerade einmal einen Vorsprung von sechs Episoden gegenüber der deutschen Bearbeitung. Während es bei manch anderen Serien Jahre dauert bis sie es ins deutsche Fernsehen schaffen – etwa Comedy-Megahit «Modern Family», das in seiner dritten Staffel laufend nun endlich eine deutsche Synchronisation beauftragt bekommen hat – scheint ProSieben das Potential der neuen Serie schnell erkannt zu haben.
Nachdem ihr Freund sie betrogen hat, zieht Grundschullehrerin Jessica Spencer, kurz Jess genannt, in eine Wohngemeinschaft ein. Ihren ausschließlich männlichen Mitbewohnern Nick, Schmidt und Coach wird schnell klar, wen sie sich mit der naiven und nerdigen jungen Frau, die zwischen singender Wohnungsbeschallung und verheulten «Dirty Dancing»-Abenden hin- und herwechselt, ins Haus geholt haben. Doch die Versuche, sie wieder los zu werden enden mit der Erkenntnis, welchen Gewinn die Neue für die Gemeinschaft beitragen kann.
Vielen Sitcoms wird nachgesagt, vor allem von ihrem Hauptdarsteller zu leben, bei den wenigsten dürfte es wirklich so sein. Das zeigt ganz aktuell das Beispiel «Two and a Half Men», dass massiv vom Personenkult um Hauptdarsteller Charlie Sheen aufbauend auch ohne ihn weiterhin prächtig funktioniert, indem einfach der gewohnt flache Humor fortgeführt wird. «New Girl» dürfte hingegen zumindest seinen erfolgreichen Start nahezu komplett Hauptdarstellerin Zooey Deschanel zu verdanken haben. Mit ihrer gekonnten und schon in anderen Produktionen bewiesenen Art zwischen schutzlos und impulsiv, naiv und eigenwillig, sexy und nerdig erfüllt Deschanel Profil wie Erwartungen perfekt. Ihre Fans kommen hier voll auf die Kosten, wer Zooey Deschanel früher nichts abgewinnen konnte, wird weiterhin seine Probleme haben.
Vor allem mit den ersten Folgen, in denen der weitere Cast ziemlich blass bleibt. Frauenheld Schmidt ist eindimensional, Nick nervt zuweilen damit, extrem an seiner Exfreundin zu hängen und Winston, der ab der zweiten Folge Coach ersetzt, dessen Darsteller Damon Wayans Jr. für die unerwartete Verlängerung seiner Serie «Happy Endings» zurückkehren musste, ist den Autoren selber offenbar ein großes Rätsel. Während sich Nick und Schmidt schnell zu starken Figuren entwickeln und vor allem im Zusammenspiel miteinander und mit Jess hervorragend funktionieren, bleiben die Geschichten um Winston bis zu den jüngsten US-Folgen mager.
Was mit Schmidt und Nick geklappt hat, sollte aber auch mit Winston noch möglich sein. Die Zeit dafür wird die Serie auf jeden Fall haben. Als erfolgreichste FOX-Comedyserie seit Jahren sollte «New Girl» ein langes Serienleben beschert sein. Wie es auf ProSieben weitergeht, bleibt abzuwarten. Sehr stark gestartet sind die Quoten zuletzt auf den Senderschnitt gefallen. Doch wie schon bei den anderen Sitcoms im Primetime-Programm von ProSieben wird sich hier wohl vor allem Geduld schlussendlich auszahlen.
Jess ein dauerverheulter Nerd, Nick ein ziemlicher Waschlappen, Schmidt ein wandelndes Klischee und Winston halt einfach anwesend. Die Ausgangskonstellation von «New Girl» war gar nicht so berauschend wie es sich beim Ansehen der ersten Folgen anfühlt, aber auch nicht schlechter als bei vielen anderen Sitcoms. Hier müssen die Figuren im Verlauf der ersten Staffel erst einmal ihren Platz und ihre Chemie untereinander finden und «New Girl» erledigt diesen Job bislang ziemlich gut.
So bleibt Jess nicht lange in der Rolle der frisch verlassenen, sondern geht nach wenigen Folgen bereits eine Beziehung zu Paul ein, für die sie schließlich jedoch selbst zu unreif ist. Nick darf sich mehr und mehr von seiner leicht aufbrausenden Seite zeigen und ein bisschen den WG-Psychopathen raushängen lassen. Auch er findet im Verlauf der ersten Staffelhälfte eine neue Freundin und seine Rolle somit eine ganz neue Basis. Schmidts Eindimensionalität wird wiederum durch seine zarten Annäherungsversuche zu Cece gebrochen, auch wenn die Serie hier seltsam unstetig ist und diese Storyline immer wieder komplett aus den Augen verliert.
Das größte Problem ist bislang Winston. Nachträglich in die Serie geschrieben funktioniert er weder für sich noch im Zusammenspiel mit den anderen Figuren. Weder zu Jess noch Schmidt noch Nick hat Winston bislang eine Beziehung, aus der sich humoristisches Kapital schlagen lässt. Seine größte Story war es, zu einem überehrgeizigen Glockenspiel-Trainer für Grundschulkinder zu mutieren und seine frühere Bettbekanntschaft zu stalken. Beide Episoden waren hier nicht sonderlich überzeugend.
Wenn man auch für Winston einen Platz in der Serie findet, wird «New Girl» eine traumhafte Charakterkonstellation haben, in der die einzelnen Rollen perfekt harmonieren. Das zeigt sich vor allem daran, dass Zooey Deschanel die Serie schon nach kurzer Zeit nicht mehr annähernd so sehr auf eigenen Schultern tragen muss wie in den ersten Folgen. Den Grundstein für den Erfolg der Serie dürfte sie gelegt haben, aber das nachhaltige Interesse der Fans, das sich eingestellt hat, wird dem guten Zusammenspiel der Charaktere und den gewitzten und schnell erzählten Geschichten zu verdanken sein. Das wiederum gibt Hoffnung, dass auch in Deutschland viele Zuschauer das Potential der Serie noch erkennen.