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Was kommt nach «House» und den «Desperate Housewives»?

Zwei der erfolgreichsten Serien der letzten Jahre enden im Frühjahr: Welche aktuellen Serien können die Thronfolge antreten, Maßstäbe setzen und über Jahre das Fernsehen prägen?

Am 8. Februar 2012 gab FOX offiziell bekannt, was seit längerem bereits gemutmaßt wurde: Die aktuell in den USA laufende achte Staffel von «House» wird zugleich die letzte sein. Die Darsteller zu teuer oder mit Abwanderungsgedanken, die Quoten im Tief: Die Serie um den misanthropischen Doc, die das Genre der Arztserien nach ihrem Start im November 2004 revolutionierte, hat ihre besten Tage hinter sich. Nun ist der ideale Zeitpunkt für einen würdigen Abschied gekommen. Mit «House» verschwindet aber nicht nur eine auch in Deutschland überaus beliebte und mit fünf Primetime Emmy Awards ausgezeichnete Serie, sondern es endet auch eine Fernseh-Ära.

«House» läutet dieses Ende im Gleichklang mit «Desperate Housewives» ein. Das Ende der wegweisenden Dramedy ist bereits seit längerer Zeit beschlossen. Auch hier werden noch in diesem Frühjahr die letzten Lichter am Set ausgelöscht, nach ebenfalls acht Staffeln. Mit einem Start im Oktober 2004 gehört «Desperate Housewives» zu einer kleinen goldenen Generation an Dramaserien, die das US-amerikanische wie deutsche Fernsehen über Jahre prägten. Vor allem ABC konnte gleich eine ganze Hand voll Hochkaräter etablieren, die dem Sender zu neuer Blüte verhalfen. «Lost» gehörte ebenso dazu wie «Grey's Anatomy». Letzteres wird bald als einziger Überlebender seiner Generation die Fahne hoch halten.

Angesichts des Auslaufens dieser langlebigen Formate stellt sich für die Zuschauer und wohl noch mehr die Fernsehmacher selbst die Frage: Was kommt nach «House»? Welche Serie kann an den Erfolg von «Desperate Housewives» anknüpfen? Und wird es wieder einmal eine Serie á la «Lost» geben, die trotz Nischenthematik zum Mainstream-Erfolg wird und damit ein ganzes Genre neu belebt? Gerade auf ABC stockte die Entwicklung seither. Jahrelang hat es der Sender kaum mehr geschafft, auch nur eine einstündige Serie pro Jahr erfolgreich zu starten. Auch ein Blick auf den gesamten Markt der Networks lässt einem die Hits von heute nicht unbedingt ins Auge springen.

Die derzeit erfolgreichste Drama-Serie in den USA ist «NCIS». Ein Fakt mit viel Aussagekraft, denn mit einem biblischen Alter von mittlerweile neun Jahren sticht sie sogar die besagte Goldene Generation aus und kann wahrlich nicht als deren Thronfolger angesehen werden. Es zeigt aber, wo man dieser Tage überhaupt nach langlebigen Serien Ausschau halten muss: CBS hat sich in den letzten Jahren als nachhaltig geführte Heimat für TV-Serien ausgezeichnet. Einziges Problem: Umwerfend innovativ ist keine davon. Von den großen Neustarts der letzten Jahre – «The Mentalist», «Hawaii Five-O» oder in dieser Saison «Person of Interest» – sind noch einige weitere Staffeln zu erwarten, die sich die Serien auch ohne Zweifel verdient haben. Gute Darsteller, hochwertige Inszenierung und klare Alleinstellungsmerkmale treffen hier aufeinander, aber davon, ihr Genre neu zu definieren, sind sie alle weit entfernt.

Genau das hat die großen Serien des letzten Jahrzehnts aber ausgezeichnet. Durch «Desperate Housewives» wurde das Dramedy-Genre überhaupt erst etabliert und «Lost» zeichnete sich durch einen einzigartige Erzählstil aus, verknüpfte Elemente aus verschiedensten Genres und generierte einen Hype weit über das Medium Fernsehen hinaus. Die Innovativmotoren sitzen woanders in der TV-Landschaft, haben aber derzeit schwer mit dem Wandel des Mediums zu kämpfen. Das Internet hat die Sehgewohnheiten vor allem der jungen Zuschauer verändert, die kleinen Cable-Sender haben sich aufgeschwungen zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind schlechter geworden. Eine Serie wie «Lost» mit ihrem kinoreifen Produktionsstandard zu starten ist heutzutage fast undenkbar. Viele Serien, die es dennoch versuchen oder für die Pilotfolge augenscheinlich das Budget für die halbe Staffel verbraten, scheitern daran. Beispiele sind «The Event» aus dem letzten Jahr oder in dieser Saison «Terra Nova», das trotz seiner angeblich exorbitanten Kosten zahlreiche Schwachstellen in der Effektarbeit aufwies.

Unter den Networks finden sich nur zwei Sender, denen man aktuell noch einen solchen Hit zutrauen kann: ABC und FOX. Ersteres scheint seine Drama-Krise überwunden zu haben und konnte kürzlich einige Erfolge verzeichnen, letzteres wagt im Allgemeinen die kreativeren Experimente. ABC hat mit «Once Upon a Time» auch den Überraschungshit des Jahres im Programm. Selbst gegen äußerst schwierige Konkurrenz, von Football bis hin zur Grammy-Verleihung, fährt die Märchenserie respektable Zuschauerzahlen ein. Für einige weitere Staffeln dürfte der Erfolg in jedem Fall reichen, vom Breakout-Status ist die Serie aber weit entfernt.

Die neuen FOX-Serien hingegen fielen bislang deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das Dinosaurier-Spektakel «Terra Nova» lief genauso durchschnittlich wie es derzeit die Mysteryserie «Alcatraz» aus der Schmiede von J. J. Abrams tut, der seit «Lost» immer herbeigerufen wird, wenn es eines neuen Hits Bedarf. Nach dem schnell verwelkten «Fringe» und totalen Flop von «Undercovers» war die Zuverlässigkeit der Hitschmiede Bad Robot aber schon im Vornherein anzuzweifeln. Mit «Touch» hat FOX noch einen Hoffnungsträger ausstehen, der sich schon mit einer geglückten Preview der Pilotfolge auszeichnen konnte. Showrunner Tim Kring hat einst bereits mit «Heroes» bewiesen, dass er fesselndes Fernsehen beherrscht. Den Beweis seiner Nachhaltigkeit ist er aber noch schuldig.

The WB und UPN, zwei weitere Networks, die in 2004 sendeten, existieren nicht mehr. Das Nachfolge-Network The CW agiert mittlerweile jenseits jeglicher Relevanz. So stellt «The Vampire Diaries» im Vergleich mit dem restlichen Programm zwar einen veritablen Hit dar, der noch viele Jahre vor sich hat, im Vergleich zu den Quoten der Serien der anderen Networks ist die Serie dennoch gerade noch eine Fußnote wert. Händeringend nach einem Hit sucht auch NBC, die Hoffnung, dass auf dem Sender in nächster Zeit noch einmal etwas gedeiht ist aber derzeit auf dem Tiefpunkt.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten erblüht die Sitcom-Landschaft und so sind auch hier eher die Serien zu finden, die uns noch über Jahre begleiten werden. Zwar wird wohl auch von ihnen keine auf lange Sicht neue Farben in die TV-Landschaft tragen, aber in ihrer Gesamtheit dürften die erfolgreichen Sitcoms dafür sorgen, dass die Welle noch eine Weile anhält. «The Big Bang Theory» schwingt sich zu immer neuen Rekorden auf dem Sendeplatz am Donnerstag auf, übertrumpft mittlerweile das als unbezwingbar gegoltene «American Idol», das US-amerikanische Pendant zu «Deutschland sucht den Superstar». Die Produktion ist bereits bis 2014 gesichert und es ist schwer vorstellbar, dass die Serie nicht über dieses Datum hinaus fortgesetzt wird.

Mit der Mockumentary-Comedy «Modern Family» gehört eine weitere Comedyserie jüngeren Datums und mit «2 Broke Girls» eine frisch gestartete Serie zu den derzeit größten Erfolgen. Auch diese beiden Serien werden uns mit Sicherheit noch über Jahre erhalten bleiben und die Stützpfeiler ihrer jeweiligen Comedytage bilden. Gerade die Verschiedenheit dieser beiden Serien, «Modern Family» mit seiner pseudo-realistischen Inszenierung und gekonnt überhobenem Alltagshumor und die Sitcom klassischer Machart «2 Broke Girls» mit ihrem derben und direkten Humor zeigt, dass es das Genre im Ganzen ist, das derzeit boomt.

Auf die großen Drama-Hits der Gegenwart werden wir wohl noch warten müssen - vielleicht aber gar nicht so lange. Wirklich innovative Ideen zünden gerne gerade dann, wenn niemand mehr glaubt, dass sie funktionieren.
14.02.2012 09:33 Uhr Kurz-URL: qmde.de/54943
Stefan Tewes

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House Desperate Housewives

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