ProSieben startet am Montagabend um 22.00 Uhr die neue Kiefer-Sutherland-Serie «Touch»: Am Abend gibt es zunächst eine Preview (genau wie auch in den USA). Die eigentliche Staffel läuft dann ab Ende März. Quotenmeter.de-Redakteur Christian Wischofsky kennt den Piloten.
In einer weltweiten Marketingkampagne findet die neue Serie mit Kiefer Sutherland nicht nur in den USA ihre Premiere. Und zusätzlich kann die Pilotfolge sogar auf fast allen Leveln überzeugen.
Es ist interessant mitzuerleben, wie der Start einer neuen Serie im US-Fernsehen gleich in mehreren, internationalen, Instanzen zu einem Entscheidungsträger werden kann. Das neue FOX-Drama «Touch» ist in diesen Tagen und in den nächsten Wochen nicht nur eine ganz normale Serienpremiere, sondern das Fragezeichen über den Köpfen der Beteiligten, und die Hoffnung für FOX, dass es wenigstens mit einer neuen Serie als qualitativer Erfolg ins nächste TV-Jahr schafft. Hier sind die Fragen, die FOX mit der „Special Preview“ von «Touch» stellt: Ist es Serienentwickler Tim Kring möglich, seine Fehler aus zwei miserabel geschriebenen «Heroes»-Staffeln wieder gut zu machen, und das Vertrauen der Kritikern, Fans und Zuschauer zurückzugewinnen? Ist es Hauptdarsteller Kiefer Sutherland möglich, nach acht Jahren Terroristenklatsche auch mit der Rolle eines Vaters bei den Kritikern und in den Awardzeremonien zu überraschen? Hat FOX mit «Touch» einen Erfolg auf der Hand, den es mit «Terra Nova» in Sachen Drehbuchqualitäten nicht gab, und bei «Alcatraz» zur Zeit gesucht wird? Und viel wichtiger: Ist die weltweite Sneak Preview der Pilotfolge (Ende Februar
auch auf ProSieben) ein gutes Zeichen in Sachen Einschaltquoten und Buzz, bevor die Serie überhaupt offiziell startet?
«Touch» ist die universelle Geschichte von menschlichen Kontakten, die über die Landesgrenzen hinaus reichen. Ein verloren gegangenes Smartphone mag zwar ein herber, emotionaler Verlust für den Besitzer Simon (David de Lautour) sein, doch für den Rest der Welt ist das Handy ein Weg, den Zauber der Welt an andere Menschen weiterzugeben. Der irakische Teenager Abdul (Shak Ghacha) mag zwar in einer verzwickten Situation stecken, die mit dem Tod von unschuldigen Menschen enden könnte, doch am Ende gibt es dank mehrerer Zufälle, die direkt zu Abdul führten, einen Beweis von Menschlichkeit – selbst in krisengeschüttelten Gebieten. Im Mittelpunkt dieser Kontakte, Verbindungen zwischen den Menschen, und Zufällen steht der elfjährige Jake Bohm (David Mazouz), Autist und stumm seit seiner Geburt. Sein Vater Martin (Kiefer Sutherland) muss seit dem Tod seiner Frau am 11. September 2001 mit der schwierigen Erziehung seines Sohnes allein klarkommen, hat allerdings immer wieder mit dem Kinder- und Jugendbehörde zu tun. Dieses Mal in Form von Clea Hopkins (Gugu Mbatha-Raw), die vermutet, dass Jake in einem Institut besser aufgehoben ist, als bei seinem überforderten Vater, der mit mickrigen Jobs versucht über die Runden zu kommen. Das Schicksal für Vater und Sohn ändert sich jedoch bald, als Martin langsam herausfindet, dass Jake in der Lage ist, die unsichtbaren, doch regelmäßigen mathematischen und wissenschaftlichen Muster zu sehen und dadurch gewissermaßen die Zukunft vorherzusagen. Für Martin ist zum ersten Mal die Chance gekommen, seinem Sohn zuzuhören – und dafür benötigt es nicht mal gesprochene Worte.
Man darf sich durchaus fragen, wie die Prämisse von «Touch» als Serie dauerhaft funktioniert. Inwiefern werden die weltweiten Kontakte zwischen den einzelnen Charakteren wichtig für den eigentlichen Hauptplot der Serie sein? Wie wird es möglich sein, all diese zufälligen zwischenmenschlichen Verbindungen mit Jake in Verbindung zu bringen, der schon in der Pilotfolge quasi als Rettung der Zukunft visioniert wird? Und können vor allem die Geschichten außerhalb der Bohm-Familie und ihrem Behördenkontakt Clea genauso emotional überzeugen wie das ansprechende Drama innerhalb der Familie? In der Pilotfolge mag dies nicht hundertprozentig funktioniert haben, vor allem weil eine Verbindung zwischen den Geschichten von Simon, Abdul und Jake fehlte, doch für die Premiere ist das vorerst egal. Die Geschichten konnten auch so auf einem dramatischen Level überzeugen, ohne wirklich übertrieben zu sein oder auf eine universelle Botschaft zu pochen. Statt den Zuschauern eine Moral mit seinen einzelnen Storys auf dem Weg zu geben, gibt es Happy Ends, die weitaus bewegender sind, als es die Moralpredigten von Serien wie «Eine himmlische Familie» oder «Ein Hauch von Himmel» jemals waren.
Die Versöhnung von Tim Kring mit den Zuschauern?
Serienfans ist bekannt, dass Kring mit seiner Arbeit an der zweiten und dritten Staffel von «Heroes» sich keine Freunde machte. Eine außerordentlich in sich stimmige erste Staffel wurde in den drei Folgejahren zerstört, weil Kring keine Kontrolle über seinen übergroßen Charakterpool hatte und schnell die Kontrolle über die unzähligen Geschichten verlor. Mit «Touch» kann Kring wieder verlorenen Boden gut machen. Allerdings nur, weil sein neuestes TV-Werk nicht mit einem vergleichbaren Charakterpool wie bei «Heroes» hantiert. Schon die Pilotfolge macht klar, dass Martin, Jake und Clea im Zentrum des Geschehens stehen, während die universellen Geschichten episodenzentrisch sind und höchstwahrscheinlich keine großen Auswirkungen auf die Hauptcharaktere haben. Was jedoch auf langer Hinsicht jedoch auch einige Probleme mit sich bringen kann. Die Frage wird sein, ob es Kring gelingt, auch in mehr als einer Staffel noch fantastische Geschichten zu entwickeln, welche mehr als die Hälfte der Stunde einnehmen, und größtenteils gar nichts mit Jake und Martin zu tun haben. Es wird wichtig werden, auch nach der Pilotfolge einen Weg zu finden, der die Hauptgeschichte mit den episodenzentrischen Plots verbindet – auch wenn dies über mehrere Ecken und Enden geschieht.
Kring gelingt es in der Premiere jedoch alle emotionalen Zügel aufzugreifen und diese wirken zu lassen. Das klappt nicht nur wunderbar mit Sutherlands zerbrochener Darstellung als verzweifelter Vater, sondern auch mit dem Rest des Casts. Die Darsteller sind in der Lage, Krings neues Serienuniversum auf die Mattscheibe zu bringen, ohne auch nur in einem Moment übereifrig oder übertrieben zu wirken. Selbst Gastdarsteller wie Titus Welliver («Lost» und «The Good Wife») und David de Lautour gelingt es, ihren Charakteren genügend Profil zu geben, um zu glauben, dass sie im Kontext der Serie einen weitaus größeren Part einnehmen, als es ihnen der Pilot zugestehen will. Das liegt nicht nur an den tollen Darstellern, sondern auch an Krings Drehbuch, welches die Charakterfacetten ins Rampenlicht bringt, die vor allem in der dritten «Heroes»-Staffel so schmerzlich vermisst wurden. Zusätzlich kann «Touch» eine der wenigen Serien werden, dessen Drehbücher ein großes Augenmerk auf seine Gastcharaktere legen wird, die jedoch nur in einer Episode auftreten werden. Eine Serie, welche sich in jeder Episode auf die Gastcharaktere fokussiert und deren Geschichten mit den Protagonisten in Verbindung bringt, gibt es nicht alle Jahre. Auch wenn das heißt, dass «Touch» mehr ein Procedural sein wird, als ein serielles Abenteuer mit einem sich ständig weiterentwickelten Staffelplot.
Emotionen zwischen Vater und Sohn
Wie erwähnt, darf Kiefer Sutherland wieder zeigen, was er in acht Jahren «24» gelernt hat. Seine zerbrochene Darstellung erinnert zwar teilweise an die emotionalen Momente eines Jack Bauer, doch man bekommt nicht unbedingt das Gefühl, dass Sutherlands Charakter einmal mehr „Wir haben keine Zeit“ in sein Handy brüllen muss, um die Story zum nächsten Punkt zu führen. Der Abstand zu Jack Bauer ist in «Touch» weitaus größer, als es zum Beispiel im Horrorfilm «Mirrors» war. Das hilft ungemein der Beziehung zwischen ihm und seinem Seriensohn Jake, welche nach einer Folge nicht hätte interessanter aufgebaut werden können. Selbst ohne Worte gelingt es David Mazouz eine beeindruckende Performance hinzulegen, auch wenn diese größtenteils nur daraus besteht, ein paar Zahlen hinterherzujagen. Die Beziehung zwischen Martin und Jake ist es auch, welche «Touch» vom Startfleck weg tragen sollte. Mit dem Ziel zu verstehen, was in Jakes Kopf vorgeht, gelingt es der Pilotfolge, einen Fixpunkt für Martin zu geben, der ihn nicht nur von einer kleinen „Rettungsmission“ zur nächsten schickt, sondern auch seine väterlichen Charakteristiken ausbaut.
Wenn es Kring gelingt, auch die Nebencharaktere stärker in diese Vater/Sohn-Verbindung zu bringen, dann wird «Touch» nicht nur seiner Prämisse gerecht, sondern ist auch in der Lage, ein wundervolles Familiendrama zu erzählen. Und wenn Kring genügend Ausdauer und Mut hat, seine ursprünglichen Ideen bis zum Ende durchzuziehen, wird er auch einen Weg finden, Jake innerhalb der Serie nicht seine Stimme finden zu lassen. Seine Sicht der Welt und der mathematischen Muster wirken besser, wenn diese aus den eröffnenden und abschließenden Monologen kommen – die sich zwar nicht gewaltig unterscheiden (ein großer Teil des abschließenden Monologes ist sogar eine wortwörtliche Wiederholung der Eröffnung), doch mit dem Wissen und Geschichten der Episoden am Ende eine größere Wirkung entfalten.
Qualität, die «Terra Nova» und «Alcatraz» fehlte
Die drei Serien sind natürlich nicht zu vergleichen, wenn es um ihre Prämisse geht, doch wenn es darum geht, in der Pilotfolge den Zuschauern einen Blick in das Serienuniversum zu geben, punktet «Touch» mit mehr Gefühl. «Terra Nova» ließ schon im Pilotfilm durchblicken, dass es nicht mehr sein will als eine actionreiche Achterbahnfahrt der 90er-Jahre-Klischees (die sich dann alle während der ersten Staffel bestätigten), während «Alcatraz» es nicht gelang, ein volles Abbild seines Mysteriums zu geben (und stattdessen nach einem Best Of der vergangenen Sci-Fi-Erfolge aussieht, als einzigartig zu sein). Nach 50 Minuten ist zwar nicht unbedingt klar, was «Touch» für die Zuschauer bereithalten wird, doch es sieht aus, als würde in diesem Werk mehr Herzblut stecken. Regisseur Francis Lawrence («I am Legend», «Wasser für die Elefanten») gibt den einzelnen Geschichten nicht nur die nötige Farbe, um einzigartig zu wirken, sondern auch den visuellen Touch, den es benötigt, um mit dem Hauptplot verbunden zu werden. Ein Herzblut, der sich deshalb sichtbar macht, weil der «Touch»-Pilot seine Außergewöhnlichkeit zeigen will.
Zumindest in dieser Hinsicht hat FOX mit «Touch» einen Erfolg geliefert. Wenn die Autoren an Krings Tisch es auch noch schaffen, die eine oder andere unlogische Handlung aus dem Weg zu räumen – die Weltreise von Simons Smartphone verdient ein eigenes Essay über die unbegreiflichen Handlungen zufälliger Menschen – dann wird «Touch» nicht nur visuell und akustisch überzeugen können, sondern auch mit Geschichten, welche über den Science-Fiction-Stoffen stehen, und vielleicht auch eine Erklärung abliefern, warum das Sci-Fi-Genre im US-Fernsehen am Aussterben ist: So lange es keine Vernunft in den Geschichten gibt, welche die Entscheidungen eines Charakters erklären (was im Dramabereich immer einfacher ist als in Sci-Fi-Stoffen, welche in erster Hinsicht visuell überzeugen müssen), wird es für den Zuschauer auch keinen Grund geben, mit den Charakteren mitzufiebern und deren fiktives Leben über Jahre hinweg zu folgen.
«Touch» touched die ganze Welt
FOX ist nicht der einzige Sender, der den «Touch»-Piloten in einer Sneak Preview versendet, bevor die Serie überhaupt offiziell ihre Premiere findet. Wie es sich für das Konzept der Serie gehört, wurde auch die Marketingstrategie der Serie für einen weltweiten Markt angegriffen. Russland, Israel, Deutschland, England, und mehr als 100 weitere TV-Märkte werden ebenfalls in den Genuss der Spiritualität der Serie kommen, um den Eindruck zu erwecken, dass nicht nur im fiktiven Serienuniversum die Menschen durch gesehene und ungesehene Kontakte beeinflusst werden. Dass das Studio auch gleichzeitig die aktuelle Debatte über Internetpiraterie und den Schutz von Meinungsfreiheit im digitalen Zeitalter angreift, scheint dabei genauso zufällig zu sein, wie die Verbindungen der Charaktere in der Serie.
«Touch» ist deshalb nicht nur eine gewöhnliche Serie über eine außergewöhnliche Vater/Sohn-Beziehung, sondern wird auch als Modell für den internationalen Vertrieb von Serien und Filmen dienen. Sollte FOX mit der einzigartigen Strategie tatsächlich einen Erfolg landen – auch wenn die Zukunft der Serie nur dadurch entschieden wird, ob die amerikanischen Zuschauer ein- oder ausschalten – wäre darüber nachzudenken, ob US-Serien und Filme dauerhaft gleichzeitig veröffentlicht werden. Ein Beispiel, welchem Hollywood mit seinen größten Kino-Blockbustern schon seit Jahren folgt und dabei einen Startwochenend-Rekord nach dem anderen knackt, und nun in ein TV-Modell umgemünzt werden soll.
Ob «Touch» am Ende die Qualität des Piloten über eine ganze Staffel halten kann, ist jedoch eine andere Frage. Es wird sich zeigen, ob Tim Kring aus seinen Fehlern gelernt hat, und ob die Prämisse der Serie gut genug ist, um diese über Jahre hinweg zu tragen. Allerdings beweist der Pilot auch, dass Kring es als Autor einfach drauf hat, einen aufregenden Einstieg in sein Serienuniversum zu geben. Es gibt immerhin einen Grund, warum «Heroes» in seiner ersten Staffel ein Erfolg war, und deren Pilotfolge allgemein betrachtet als einer der besten TV-Piloten der 2000er gilt. «Touch» darf sich nun ebenfalls dieser Liste hinzugesellen. So lange die Zuschauer keine Angst vor der Esoterik und Spiritualität der Geschichten haben.
Dieser Artikel erschien bei Quotenmeter.de erstmals Ende Januar, direkt nach der Ausstrahlung im US-Fernsehen.