Julian Miller zieht nach den ersten vier Ausgaben von «Gottschalk live» Bilanz und erklärt, wo noch nachgebessert werden muss.
Im Grunde genommen lässt sich nun, da das Werbungswirrwarr in geregelte Bahnen gelenkt wurde, das Problem von «Gottschalk Live» recht einfach formulieren: Man weiß nämlich auch nach vier Ausgaben noch nicht so richtig, worum es eigentlich gehen soll.
Gottschalk hat sich schon in den ersten Minuten der Premierensendung bemüht, das kaum vorhandene Konzept so gut zu präzisieren, wie er konnte: Die Show soll vor der «Tagesschau» eine kleine Erholungspause bieten. Die tagesaktuellen Themen sollen nahezu ausschließlich aus dem Soft-News-Bereich stammen. Gottschalk versprach eine wulff- und rettungsschirmfreie Zone.
Daran hat er sich auch gehalten. Er interviewte Wim Wenders zu seiner Oscarnominierung, ließ sich von Armin Rohde zum Einstand zwei Flaschen Weißwein schenken und erläuterte ein bisschen die Hintergründe der Boulevardpresse, mit der Heidi Klum und Seal nach der Bekanntgabe ihrer Trennung nun so zu kämpfen haben. Als am Mittwoch die Opernsänger Anna Netrebko und Erwin Schrott zu Gast waren, beschränkte sich das Interview mit der Ausnahme eines kurzen Exkurses zum schwierigen Thema Nachwuchsförderung in der Opernbranche hauptsächlich mit der Beziehung, die die beiden Gäste miteinander führen, und ihrem gemeinsamen Sohn.
Wenn «Günther Jauch», wie die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel (und Lebensgefährtin von Anne Will) so nett getweetet hat, das «Stern tv» der ARD ist, dann ist «Gottschalk live» die öffentlich-rechtliche Version von «taff», gewissermaßen ein Boulevard-Magazin für die 40+-Zielgruppe: Die Themen sind seicht und leicht verdaulich, bei der Umsetzung steht der Wohlfühleffekt im Vordergrund, die Punkte Stars, Tiere und Kinder werden pflichtbewusst abgearbeitet. Nur dass Nela Panghy-Lees kleiner Labradorwelpe vielleicht noch einen Tacken süßer ist als der Hund, der am Mittwoch in der ARD zu Gast war. Und dass «Gottschalk live» einen Politikredakteur beschäftigt (wofür auch immer - außer, um schnell einen Miniputsch in Papua-Neuguinea zu erklären).
Natürlich ist das noch ein erster Eindruck. Denn bei Gottschalks Magazin kann und wird sich wohl noch viel ändern. Eine tägliche Sendung kann man anhand ihrer ersten vier Folgen nicht abschließend beurteilen – aber sie zeigen vielleicht, wo die Reise hingehen soll und decken die Schwachstellen des Formats auf, die auch schnell ausgemacht sind. Denn mehr als Gottschalk als Host und das sehr schön eingerichtete Studio hat die Sendung als Alleinstellungsmerkmal nicht zu bieten. Gottschalk ist der Star, der uns die Welt der Prominenten und Eisbärbabys erklärt. Für den Anfang ist das sicherlich ganz nett, wird aber auf die Dauer nicht reichen.
Auch von der groß angekündigten Social-Media-Initiative (so ziemlich das einzige Element dessen, was man „Konzept“ nennen könnte) war bisher recht wenig zu spüren. Außer dass Gottschalk eine halbe Überstunde macht, um nach der Sendung mit den Zuschauern ein bisschen zu chatten, und dass man Günther Jauchs abgetragene Krawatte an einen zwölfjährigen Zuschauer verschenkt. Dabei betonte Gottschalk, dass er mit all dem Netzkram „langsam“ anfangen möchte; wahrscheinlich, um die doch sehr vielen älteren Zuschauer, die zu einem großen Teil mit den Internetgepflogenheiten auf diesem Niveau noch nicht allzu vertraut sein dürften, nicht zu verschrecken. Doch auch hier klang durch, dass man diesen Teil im Laufe der Wochen und Monate konsequent ausbauen möchte.
Mehr als eine technische Probe waren die ersten vier Ausgaben von «Gottschalk live» also wahrlich nicht. Nun bleibt abzuwarten, wie sich dieses Magazin aus dem trendigen Berlin entwickeln wird. Potential ist vorhanden. Doch es stellt sich immer noch die Frage, was man mit der Sendung eigentlich genau machen will, außer Gottschalk eine Standleitung am Vorabend zu geben.
Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.