Ein Riesenerfolg mit inhaltlichen Schwächen: Die ersten Staffel ohne Charlie Sheen zeigt sich von stetigen Veränderungen und Korrekturen geprägt.
Großes Theater überschattete die Dreharbeiten der achten Staffel des Sitcom-Hits «Two and a Half Men». Star Charlie Sheen fetzte sich mit Showrunner Chuck Lorre, zog schließlich den Kürzeren und wurde fristlos gefeuert. Statt die Serie einzustellen, ließ CBS mit Ashton Kutcher als neuem Hauptdarsteller eine weitere Staffel drehen, die mit grandiosen Einschaltquoten startete und nach wie vor äußerst gut läuft. Auch ProSieben kann sich freuen, denn hierzulande erreichten die ersten drei Folgen mit Kutcher ebenfalls hervorragende Zuschauerzahlen.
Auf den ersten Blick hat sich gar nicht so viel geändert: Milliardär Walden Schmidt hat das Strandhaus in Malibu gekauft, Alan hat es wieder einmal geschafft, sich zur kostenlosen Untermiete einzunisten. Und Walden, frisch von seiner Frau Bridget getrennt, hat nun die Freiheiten, jede Nacht eine andere Unbekannte aus der Bar abzuschleppen, die von seinem blendenden Äußeren und seinen prall gefüllten Bankkonten geblendet ist. So sehr Freunde des flachen Humors weiterhin bedient werden, so sehr fällt aber auch schnell auf, dass die Figuren so einfach nicht funktionieren wollen. Walden nervt damit, dass er jede Folgen seiner Frau hinterher weint und in unpassende Sexgeschichten gerät, die sich anfühlen, als sei das Drehbuch noch für Charlie Sheen geschrieben worden und ihn wie einen Fremdkörper wirken lassen. Alan prostituiert sich jede Folge auf erbärmlichere Art und Weise und Jake glänzt durch eine derartige Abwesenheit, die Angus T. Jones auf Minutengage gerechnet zum bestbezahlten Schauspieler der TV-Branche gemacht haben dürfte.
Die gute Nachricht ist: Die Macher scheinen ein waches Auge auf die Serie und die Reaktionen ihrer Zuschauer zu haben, die Serie selbst befindet sich in einem Status ständiger Entwicklung. Nach und nach verschwinden viele Altlasten, die aus der Ära Sheen übrig geblieben sind und jetzt einfach nur noch störend wirken. Und das nicht nur erzählerisch, sondern auch optisch, denn Mitte der Staffel wird der Serie endlich die Runderneuerung des Sets gegönnt, die nötig war, um die Serie als das zu präsentieren, was sie sein soll: ein frisches, neues Format.
Vor allem aber hat man herausgefunden, welchen Platz Ashton Kutcher im neuen «Two and a Half Men» einnehmen kann. Und zwar weder den des sexhungrigen Frauenhelden noch des Schuljungen, der auf ewig seiner ersten großen Liebe hinterher trauert. Noch im Laufe der ersten zehn Folgen werden neue Figuren eingeführt, die Walden viel mehr Fokus verschaffen und darüber hinaus sein Profil schärfen. Auch Alan bekommt ab und an Szenen, die ihn wieder als ein vernünftiges menschliches Wesen zeigen. Selbst in Sachen Charlie Harper wird noch einmal nachgelegt. Die Wut hinter den Kulissen scheint verraucht, denn die weitere Behandlung von Charlies Tod geht deutlich respektvoller vonstatten als noch im Staffelauftakt.
«Two and a Half Men» bleibt auch in der neunten Staffel von Flachwitzen geprägt, ein Großteil der Gags zielt unter die Gürtellinie, Konsistenz ist ein Fremdwort und im Zweifelsfall wird der vertiefende Dialog dem schnellen Witz geopfert. Aber das war schon immer so und gehört zum Erfolgsrezept, das seit Jahren Millionen Menschen begeistert. Nun ist die Serie auf dem besten Weg, dieses so zu verändern, dass es die Serie noch eine ganze Weile tragen und ihre Zuschauer unterhalten wird.
Es wäre tatsächlich schon fahrlässig, das Wort "Holzhammer" außen vor zu lassen. Offenbar wollte das Team um Showrunner Chuck Lorre klar machen, dass es bei «Two and a Half Men» in dieser Saison noch extremer zugeht als zuvor. Auf Charlies Beerdigung werden seine Sexualkrankheiten sowie posthum seine Homosexualität geoutet, Berta hat Sexphantasien von Neuling Walden, dieser wiederum steigt mit Alans Mutter Evelyn ins Bett. Leider vergaß man dabei, dass all das nicht im Entferntesten ein funktionierendes Charaktergerüst ergibt, weshalb Ashton Kutcher wie völlig fehl am Platz wirkt. Hieran hat man im bisherigen Verlauf der Staffel deutlich gearbeitet.
Die Situation, in der sich Walden befindet, wurde im Lauf der vergangenen Monate komplett auf den Kopf gestellt. Walden hat sich innerlich von Bridget gelöst, wodurch dieser nun die Rolle der rachsüchtigen Exfrau zufällt. Auch seine Ausflüge in den Gelegenheitssex haben ein schnelles Ende gefunden als mit Zoey ein neuer Charakter in sein Leben tritt. Die Britin, gespielt von Sophie Winkleman, bringt ordentlich frischen Wind herein mit ihrer ehrlichen und direkten Art insbesondere Alan gegenüber, mit ihrem resoluten Umgang mit Walden und ihren typisch britischen Eigenarten inklusive ur-britischer Eltern. Im Gegensatz zu Vorgänger Charlie lässt sich festhalten, dass der naive Walden in einer Beziehung viel besser funktioniert als ungebunden. Auch Waldens Mutter Robin, die erst kürzlich zur Serie gestoßen ist, bringt eine interessante Ambivalenz mit. Aufpassen muss man nun nur, mit zwei rachsüchtigen Ex-Frauen und zwei problematischen Müttern die Figuren einander nicht zu gleich zu machen.
Und was Charlie angeht: Über die Art und Weise wie er in der ersten Folge mit seiner Beerdigung verabschiedet wurde, kann man sicherlich streiten. Der Vorwurf, dass Lorre sich hiermit an Charlie Sheen rächen wollte, liegt jedenfalls nahe. Zum Glück hat man in den weiteren Folgen noch einige Male die Gelegenheit gefunden, sehr viel respektvoller auf "Onkel Charlie" einzugehen. Sei es mit dem obwohl bissig pointierten doch sehr vernünftigen Tagebuch Charlies, das gefunden wird, oder einige Gespräche von Alan mit Jake und Walden, in denen er ausdrückt, dass er Charlie ernsthaft gemocht hat und vermisst. Vielleicht war es rückblickend doch nicht so verkehrt, das Thema zunächst mit einer Portion Zynismus unter den Tisch zu kehren und erst später tiefergehender aufzugreifen.
Neben dem wieder aufgetauchten Jake, der einige Folgen lang höchstens einmal durch den Hintergrund laufen und dabei pupsen durfte, konnten sich die Zuschauer auch schon an vielen weiteren zurückgekehrten Figuren erfreuen. Bei vielen stellt sich jedoch die Frage, welche Zukunft sie in der Serie haben. Für Rose dürfte die elfte Episode der Staffel der endgültige Abschied gewesen sein, fehlt ihr doch jegliche Bindung zu den Figuren. Ihre letzte Szene macht ziemlich deutlich, dass Bridget künftig ihre Rolle einnehmen wird. Aber auch bei Judith und Herb sowie Evelyn wird man sich überlegen müssen, wie es weiter geht, da der Witz der Figuren immer sehr fein auf das Brüdergespann abgestimmt war.
Es wartet also durchaus noch weitere Arbeit auf die Autoren, aber die großen Schritte liegen hinter ihnen. Die Hauptfigur funktioniert, die Serie hat sich von ihrer Vergangenheit emanzipiert und die Zuschauer folgen weiterhin. Aber war es wirklich nötig, Ashton Kutchers herrlich charismatischen Jesus-Stil wieder auf Schönling zu trimmen?