Seit rund vier Monaten ist die «Harald Schmidt Show» wieder bei Sat.1 zu sehen. Wie hat sich Harald Schmidt mit seiner Show seit dem Wechsel von der ARD zu Sat.1 entwickelt und wie lief die erste „Drei-Tage-Woche“?
Seit dem 10. Januar dieses Jahres ist Harald Schmidt nicht nur zurück aus der Winterpause, sondern auch zurück auf dem Sendeplatz am Donnerstag. Dies war zu seiner Zeit im Ersten sein angestammter Sendeplatz und bedeutet, jetzt in Sat.1, die Erweiterung der «Harald Schmidt Show» von zwei auf drei Ausgaben pro Woche. Somit ist Harald Schmidt nun von dienstags bis donnerstags jeweils um 23:15 Uhr in Sat.1 zu sehen.
Die Rückkehr zu Sat.1 scheint den häufig als „König der deutschen Late Night“ titulierten Late-Night-Talker beflügelt zu haben. Seit seinem Wechsel zu Sat.1 wirkt Harald Schmidt deutlich fokussierter und motivierter, als dies in manchen Phasen seiner Zeit bei der ARD der Fall war. Die ersten drei im Jahr 2012 gesendeten Ausgaben der «Harald Schmidt Show» bestätigten dabei, dass der mit der Rückkehr zu Sat.1 eingeschlagene Weg, was die inhaltliche Ausrichtung der Show angeht, in diesem Jahr fortgesetzt wird.
Der Aufbau der «Harald Schmidt Show» ist nach wie vor an die Late-Night-Shows amerikanischer Vorbilder wie Jay Leno oder David Letterman angelehnt. Die Sendung beginnt mit einem Stand-up-Teil, in dem Harald Schmidt Witze über das aktuelle Tagesgeschehen erzählt. Weiter geht es mit einer Sequenz am Schreibtisch, die tagesaktuelles Thema humorvoll aufgreift. Dies kann durch Teilnahme des Publikums oder einzelner Publikumsteilnehmer geschehen, durch Einbindung des Bandleaders Helmut Zerlett oder durch einen vorproduzierten Einspielfilm.
Danach sind die prominenten Gäste an der Reihe. Harald Schmidt hat sich in der ARD-Zeit angewöhnt, häufig nur noch einen Talkgast pro Show zu empfangen. Diese Tradition führt er bei Sat.1 fort. Abgerundet wird die Sendung in den meisten Fällen von einem weiteren Showact aus den Bereichen Musik oder Comedy.
Das Kernthema der ersten drei Ausgaben der «Harald Schmidt Show» des Jahres 2012 war klar gesetzt: Die Affäre rund um den Bundespräsidenten Christian Wulff und das damit verbundene Medienecho. Harald Schmidt bereitete diese Debatte humoristisch in vielfältiger Art und Weise auf, sei es durch klassische Stand-up-Comedy, einen nachgespielten Drohanruf auf die Mailbox eines Publikumsgastes oder mit Hilfe eines Einspielers von Jan Böhmermann, der das Haus von Christian Wulff in Großburgwedel von außen besichtigte. Neben diesem, alles überstrahlenden Thema, fanden die weiteren aktuellen Ereignisse nur am Rande Platz.
Ein weiterer Punkt, der ins Auge fällt, ist die Einbindung des Warm-ups. Vor Beginn einer jeden Sendung begrüßt Harald Schmidt das Publikum im Rahmen des so genannten Warm-ups und beginnt ab und an ein Gespräch mit einzelnen Publikumsgästen. Diese, im Vorfeld der eigentlichen Aufzeichnung gelaufenen Gespräche bindet Harald Schmidt in seine Sendung ein, indem er beispielsweise für den Fernsehzuschauer unverständliche Anspielungen macht, auf die das Publikum im Saal hingegen mit Lachen oder Applaus reagiert. Dieses Stilmittel kam in den ersten drei Sendungen des Jahres 2012, wie schon zum Ende des vergangenen Jahres, vermehrt zum Einsatz.
Darüber hinaus bleiben die klassischen Elemente der Sendung weiterhin erhalten. So gab es die Wahl zum „Liebling des Monats“ bei der Harald Schmidt Christian Wulff diktatorisch zum Liebling bestimmte oder die Einbindung von Helmut Zerlett, der Harald Schmidt dabei zur Hand ging, ein eigenes Twitter-Konto zu eröffnen. Und auch die Rubrik „Charly Wagner liest Klassiker des Herrenwitzes“ war wieder vertreten.
Ein neues Element der Sat.1-Zeit sind die unregelmäßigen Besuche von Olli Dittrich. Seit der Wiederauflage der «Harald Schmidt Show» hat Olli Dittrich Harald Schmidt mehrfach im Studio als „Überraschungsgast“ besucht. Zusammen wurden dann beispielsweise Szenen aus einem Zugabteil nachgestellt, Geschichten aus dem Showgeschäft ausgetauscht oder, wie in der vergangenen Woche, über die optimale Besetzung eines Films über die „Wulff-Affäre“ diskutiert.
Bei der Auswahl der Gäste ist sich Harald Schmidt seiner Zeit im Ersten treu geblieben. Im Gegensatz zu seinem ersten Gastspiel bei Sat.1 sind nun weniger „Stars und Sternchen“ zu sehen, sondern hauptsächlich Gäste aus den Bereichen Theater, Literatur, Klassik sowie hier und da ein Gast aus dem „Sat.1-Universum“, der Werbung für seine dortige Sendung macht. In der vergangenen Woche war dies Ulla Kock am Brink, die mit ihrer Sendung «Die perfekte Minute» in die dritte Staffel startete. Was die Wahl der Musikgäste angeht, setzt die «Harald Schmidt Show» auf Live-Qualität. So gaben sich seit September 2011 Gäste wie Motörhead, Kasabian oder Noel Gallagher's High Flying Birds die Ehre. Auch die klassische Musik kam mit Gästen wie Anne-Sophie Mutter, David Garrett oder Julia Fischer nicht zu kurz.
Ein weiterer Teil der «Harald Schmidt Show» ist die Interaktion von Harald Schmidt mit anderen Personen, ob aus dem Publikum, den prominenten Gästen oder aber dem eigenen Team. Was die Einbindung des Teams angeht, knüpft Harald Schmidt wieder vermehrt an seine erste Phase bei Sat.1 an, in der er viele, eigentlich hinter der Kamera agierende Mitglieder des Teams in die Show einband.
Seit seiner Rückkehr zu Sat.1 hat Harald Schmidt dem Publikum bisher die Fähigkeiten des Sprechers der Sendung Pat Murphy sowie von Buchhalter Lu vorgeführt und hat mit Butler Markus eine neue Variation des Sidekicks ins Spiel gebracht. Auch Bandleader Helmut Zerlett greift immer mal wieder in die Sendung ein und ergänzt diese durch eigene Erfahrungs- oder Reiseberichte oder beteiligt sich an gemeinsam mit Harald Schmidt durchgeführten Aktionen, wie einer versuchten Weinverkostung im Studio.
Das noch aus ARD-Zeiten bekannte Team rund um Jan Böhmermann, Katrin Bauerfeind und Pierre M. Krause kam dagegen nicht mehr so häufig zum Einsatz, wie dies noch im Ersten der Fall war. Zwar war Katrin Bauerfeind an manchen Aktionen beteiligt und auch der eine oder andere Einspielfilm von Jan Böhmermann oder Pierre M. Krause war zu sehen, doch durch die Ausweitung von einer Sendung pro Woche bei der ARD auf drei Sendungen pro Woche bei Sat.1 fiel der Anteil des bisherigen Ensembles bisher nicht so stark ins Gewicht.
Die Quoten der Sendung sind übrigens auch 2012 klar unterdurchschnittlich: Hier gilt zunächst das Statement des Sat.1-Geschäftsführers Joachim Kosack, der in einem Interview mit Christopher Keil und Karoline Meta Beisel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 12. Januar dieses Jahres darauf hinwies, dass Harald Schmidt wichtig für Sat.1 sei und er da nicht jeden Tag auf die Quote schaue. Durch den zusätzlichen Sendeplatz am Donnerstag sei eine Verlässlichkeit für die Zuschauer als auch für Harald Schmidt selbst gegeben.
Die durchschnittliche Zuschauerzahl im vergangenen Jahr, also seit der Rückkehr am 13. September 2011 bis zur letzten Sendung vor der Weihnachtspause am 21. Dezember 2011, lag bei 0,78 Millionen, was einem Marktanteil beim Gesamtpublikum in Höhe von 6,1 Prozent entspricht. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen lag der Marktanteil für den gleichen Zeitraum bei durchschnittlich 7,7 Prozent, was einer durchschnittlichen Zuschauerzahl von 0,46 Millionen entspricht.
Die Werte der ersten drei Sendungen des Jahres 2012 schwanken zwischen 0,50 Millionen und 0,71 Millionen Zuschauern beim Gesamtpublikum. In Marktanteilen bedeutet dies zwischen 3,9 Prozent und 4,8 Prozent beim Gesamtpublikum und zwischen 5 Prozent und 6,7 Prozent in der Zielgruppe.
Wie sich der zusätzliche Sendetermin am Donnerstag auf die Reichweite der übrigen Sendungen auswirkt ist noch nicht abzusehen. Interessant zu beobachten dürfte dabei sein, wie sich die «Harald Schmidt Show» dauerhaft gegen die aus der Winterpause zurück gekehrte Konkurrenz der öffentlich-rechtlichen Talker schlägt. Auch bleibt abzuwarten, ob und wie Harald Schmidt das von RTL ausgestrahlte Format «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!» thematisch in seine Sendung einbinden wird, da dieses quotenstarke Format an manchen Tagen in direkter Konkurrenz zur seiner Late Night-Show läuft.
Die «Harald Schmidt Show» gehört zum Besten, was im Fernsehen derzeit geboten wird“, so beschreibt Oliver Jungen im Feuilleton der Samstagsausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 14. Januar dieses Jahres den aktuellen Zustand des Formates. Es wirkt, als hätte Harald Schmidt seinen gewohnten Rhythmus bei Sat.1 wieder gefunden. Die Sendung erscheint deutlich straffer und Harald Schmidt macht an vielen Stellen einen deutlich angriffslustigeren und engagierteren Eindruck, als dies an so manchen Abenden im Ersten der Fall war.
Im Hinblick auf kommende Großereignisse, wie die Fußball-Europameisterschaft der Herren, die Olympischen Sommerspiele in London, die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten von Amerika oder die angespannte politische Lage rund um den Euro, dürfte das Jahr 2012 Harald Schmidt reichlich Material liefern. Und so ist der Teil der Fernsehzuschauer, dem ohne eine abendliche Einordnung des Weltgeschehens durch Harald Schmidt etwas fehlt, seit Beginn dieses Jahres von dienstags bis donnerstags um 23:15 Uhr in Sat.1 gut aufgehoben.