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First Look: «The Finder»

Lost & Found in eine Krimiserie verpackt bedeutet nicht unbedingt spannende Unterhaltung. Mit dem Produzententeam hinter «Bones» kann die Serie durchaus unterhaltsam sein - vorausgesetzt sie setzt genauso stark auf Charaktermomente wie die Mutterserie.

Wenn es nach TV-Kritikern gehen würde, sind Spin-Offs von erfolgreichen TV-Serien nicht immer eine gute Idee. Die Kriminal-Franchises «CSI», «NCIS» und «Law & Order» außen vorgelassen, gibt es vielleicht nur zwei namhafte Tochterserien, die es zu etwas gebracht haben, während der andere Rest selten oder gar nicht ein Erfolg war, oder sogar nach einer (halben) Staffel wieder eingestellt wurden. «The Bionic Woman» aus den 1970ern, sowie Buffys bluthungriger Liebhaber «Angel» konnten auf ihre eigene Art und Weise sich von ihrer Originalserie abheften und ein fast eigenständiges Universum aufbauen. Mit «The Finder» gibt es nun auf FOX ein weiteres Spin-Off in der Welt von Fortsetzungen, Remakes, Reboots und Adaptionen. Der Backdoor-Pilot lief in der sechsten Staffel von «Bones» und stellte den ehemaligen Soldaten Walter Sherman (Geoff Stults) vor, der nach eigenen Angaben alles finden kann, was Menschen so verloren haben: eine vermisste Person, ein verlorengegangenes Schmuckstück oder sogar der eigene Glaube. Zwar kreierte der Backdoor-Pilot innerhalb «Bones» die Frage, was eigentlich die Aufgabe derer Hauptcharaktere in der Episode waren, doch der Großteil bestand eigentlich nur darin, Walter bestmöglich einen charakterlichen Einstand zu geben, damit er seine eigene Serie tragen kann.

Während «Bones» sich auf die Buchreihe von Kathy Reichs fokussiert, geht «The Finder» mit einer komplett anderen Buchvorlage ins Bett: Lose adaptiert wird "The Locator" von Richard Greener (welches rein gar nichts mit Kathy Reichs oder «Bones» gemeinsam hat, bis auf das Spin-Off hier), und erzählt die Geschichten von Walter und seinem Partner Leo Knox (Michael Clarke Duncan), die in der ersten Episode damit beschäftigt sind, die Überreste eines Vaters zu finden, dessen Sohn glaubt, er sei mit seinem Flugzeug irgendwo in der Pampa von Florida untergegangen. Walter macht von Anfang an klar, dass die Suchenden selten das Ergebnis mögen werden, die Walter während seiner Suche ausgräbt. Denn Walter ist nicht nur ein Locator, sondern auch der beste, den es gibt. Er findet wortwörtlich alles – auch wenn Walter sich manchmal zu sehr in die Fälle hinein beißt, und sogar mit seinem Leben bezahlen könnte. Unterstützung findet Walter unter anderem in US Marshal Isabel Zambada (Mercedes Masöhn), sowie in der kriminellen Teenagerin Willa Monday (Maddie Hasson), die ihren ganz persönlichen Grund hat, mit Walter und seinem Team herumzuhängen.

Genauso wie «Bones» hat auch «The Finder» keinerlei Schwierigkeiten, locker und flockig zu wirken, und sich nicht zu sehr in die Story hineinzusteigern, um es für die zuschauende Zielgruppe kompliziert zu machen. Der Aufbau der Serie ist recht einfach: ein paar exzentrische Charaktere, eine traumatisch wirkende Vergangenheit des Titelcharakters, neurotische Ermittlungsweisen, abgeschlossene Geschichten. Und all das spielt sich in den schöneren Gebieten von Florida ab, was «The Finder» nicht nur nach einer USA-Network-Serie aussehen lässt, sondern zeitweise sogar «Hawaii Five-0» ähnelt – halt nur ohne Verfolgungsjagden und Schießereien. Das ist auch der Grund, warum «The Finder» überhaupt nichts Neues in der TV-Landschaft darstellt, weil es alles irgendwo schon mal gegeben hat. Während die Dynamik der Serie an «Bones» ähnelt, kann der Look den von «Magnum, P.I.» zugeschrieben werden. «The Finder» ist demnach nichts weiteres als ein Update der 80er-Jahre-Detektivgeschichten aus dem Fernsehen. Allerdings schafft es die Serie auf Grund seines Entwicklers Hart Hanson wichtiger zu wirken, als es eigentlich ist: Hanson hat schon mit «Bones» bewiesen, dass er in der Lage ist, das inzwischen alteingesessene Crimegenre im Fernsehen mit charakterbezogenen Geschichten zu erfrischen. Ob ihm dasselbe mit «The Finder» gelingen wird, steht jedoch noch offen. In der Pilotfolge hat es nicht unbedingt funktioniert.

Statt sich vollkommen auf dem Fall der Episode zu konzentrieren, ist Hanson nämlich lieber damit beschäftigt, den Fall nach hinten zu drängen und die gesellschaftliche Unbeholfenheit seines Hauptcharakters ins Zentrum zu stellen. Vor allem in der ersten Hälfte wirkt dies zu sehr aufgesetzt, und gibt Geoff Stults keine Chance, als Charakter zu glänzen. Er wird quasi zum Komödianten degradiert, der nicht in der Lage ist, einen Witz zu erzählen, und auch gar nicht daran denkt, wie es wohl anderen Personen in seinem Umkreis gehen muss. Das macht zwar ein wenig den Charme von Walter Sherman aus, doch in Sachen Charakterentwicklung gab es im Piloten nur wenig, um zu glauben, dass aus «The Finder» eine wirklich charakterstarke Serie wird. Viel schlimmer ist jedoch die Tatsache, dass es den Anschein hat, als hätte Walter außerordentliche Fähigkeiten. Statt bei der Erklärung aufzuhören, dass Walter nach seiner Zeit als Soldat sich lieber mit den Fällen kleinerer Menschen beschäftigt, und hin und wieder mal einen großen Fall lösen darf, wird angedeutet, dass Walter außerordentliche Kräfte hat. Nein, es ist nicht genug, dass Walters Gehirnschaden der Grund dafür ist, warum er keinen Fall einfach so aufgeben kann und sich gerne mal in Lebensgefahr begibt. Hanson schreibt Walter in eine Richtung, die ihn als Superheld in einer übernatürlich-freien Welt darstellt – was es natürlich einfacher macht, die Ermittlungen in den nächsten Gang zu schalten, damit Walter am Ende der Stunde auch das findet, wonach er die ganze Zeit sucht.

Deshalb kann man «The Finder» als Serie nicht unbedingt ernst nehmen. Der einzige Spaß liegt zwischen Walter und Leo, und für die männlichen Zuschauer gibt es Isabel in einer Unterwäscheszene, die nicht besser aus einer Copkomödie hätte kommen können. Dagegen kann Willa als vierter Hauptcharakter in diesem Mix nicht überzeugen: Bei ihr hat man das Gefühl, dass sie sich schnell zu einem nervenden Teenager verwandeln könnte, bevor Hanson einen Weg findet, sie ordnungsgemäß in einer Geschichte unterzubringen. Immerhin ist Willa jetzt schon interessanter als manch anderer Teenager-Charakter in einer Serie: Sie ist immerhin nicht die Tochter von Walter, und hat demnach eine andere Dynamik mit den Charakteren, die Hanson auszuspielen wissen sollte.

Wenn die Autoren in der Lage sind, aus «The Finder» eine Serie zu machen, die sich nicht nur mit dem allseits bekannten und vorhersehbaren Ermittlerkram beschäftigt, könnte die Serie durchaus ein unterhaltsamer Spaß sein. Walter Sherman passt durchaus in die Reihe von exzentrischen Charakteren, deren Existenz durch Gregory House oder Walter Bishop am Leben gehalten wird, doch die Serie selbst macht nicht unbedingt den Eindruck, als würde sie mehr wollen als zum Beispiel «Dr. House» («Fringe» hier mal ausgenommen, weil es Science-Fiction ist). Im FOX-Programm passt die Serie allerdings gut genug, um nach dem bescheidenen Quotenergebnissen der Pilotfolge (vier Prozent in der Zielgruppe) den Sender hoffen zu lassen, dass es mit «The Finder» nicht schon nach 13 Episoden oder eher Schluss ist. Erinnerungen an das «Criminal Minds»-Spin-Off werden wach.
15.01.2012 08:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/54358
Christian Wischofsky

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Tags

The Finder Geoff Stults Hart Hanson

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