Da kann nicht mal der werte Herr Wodka helfen: NBCs neue Sitcom reiht sich ein in die lange Liste der schlechten Sitcoms in dieser Saison, und bemüht sich nicht einmal, die Grenze der zotigen Comedy zu überschreiten.
Man kann vom Altherrensender CBS halten, was man möchte. Der Sender ist allerdings der einzige in der amerikanischen Fernsehlandschaft, welche es gebacken bekommen, eine ordentliche und humorvolle Sitcom auf die Beine zu stellen, die nicht aussieht als wäre sie aus den 90er Jahren geklaut worden. ABC, FOX und NBC versuchen, auf der zurzeit erfolgreichen Sitcomwelle aufzuspringen, doch mit jeder neuen Serie scheitern sie. FOX floppte kürzlich mit «I Hate My Teenage Daughter», ABC sicherte sich miese Kritiken mit
«Work It» und NBC hat sich schon keine Freunde mit «Whitney» gemacht. Jetzt kommt mit «Are You There, Chelsea?» eine neue Lachsalven-Sitcom auf die Bildschirme, welche nicht weiß, was sie will, und welche nicht das Comedy-Timing seiner Darsteller finden kann. Es gibt einen einfachen Grund, warum die CBS-Sitcoms so erfolgreich sind, während alle anderen floppen: CBS riskiert etwas, setzt auf Zoten und Skandale, und gibt seinen Darstellern die Möglichkeit, auf ihre eigene Art lustig zu sein. Alle anderen Sender scheitern darin kläglich, suchen nach dem Witz im Drehbuch, und geben dem Cast keine Chance den Humor von selbst zu liefern. «Are You There, Chelsea?» ist das neueste Beispiel, warum Sitcoms unbedingt ins 21. Jahrhundert verfrachtet werden, und nicht ihr Dasein als Kopie der 90er Jahre fristen sollten.
«Are You There, Chelsea?» basiert lose auf Chelsea Handlers 2008 erschienene Anekdotensammlung «Are You There Vodka? It's Me, Chelsea», in welcher die Komikerin und Talkshowmoderatorin verschiedene humorvolle Geschichten aus ihren Zwanzigern erzählt. Laura Prepon übernimmt die Rolle der Chelsea Newman, eine Mittzwanzigerin, die wenig vom ernsten Leben hält, und stattdessen ihren Geist freien Lauf lässt – auch wenn dies bedeutet, dass Chelsea betrunken durch die Gegend fährt, im Gefängnis landet und von ihrer hochschwangere Schwester Sloane (Chelsea Handler, die sich überraschenderweise nicht selbst spielt) aus dem Reich der steinharten Lesben befreit werden muss. Chelseas Freigeist wird von den peinlichen Ereignissen jedoch nicht gestoppt. Wodka ist immer noch ein Thema (wenn auch nur als Ersatz-Gesprächspartner für Gott), genauso wie Sex und (sexuelle) Beziehungen.
Man muss sich schon fragen, was Chelsea Handler von ihrer „eigenen“ Serie denkt, wenn sie nicht einmal die Hauptrolle übernimmt. Obwohl sie dank ihrer Talkshow auf E! einen randvollen Arbeitsplan hat, hat sie immer noch Zeit gefunden eine wichtige Rolle in «Are You There, Chelsea?» zu übernehmen – warum also nicht gleich die Hauptrolle? Das schadet dann auch der eigentlichen Serie, da Laura Prepon für die Rolle der Chelsea einfach nicht geeignet ist. Zu müde ist ihr Spiel, ihr Comedy-Timing ist fast gar nicht vorhanden, und ihr Voiceover könne nicht besser als Einschlafhilfe genutzt werden. Wie diese ungepfefferte Pilotfolge überhaupt durch die Senderbosse ging, ist fragwürdig. Zwar besitzt «Are You There, Chelsea?» einige positive Elemente, doch sind diese nicht gut genug, um die neue Sitcom als sehenswert einzustufen. Geschweige denn als Serie mit Chance auf Verbesserung. Um überhaupt humorvoll zu sein, müssen die Darsteller eine Chemie untereinander finden, und diese wirkte in der Pilotfolge mehr als aufgesetzt.
Zusätzlich will die Sitcom in einem Fall ganz speziell sein und sich von all den anderen Sitcoms auf den Konkurrenzsendern (ganz besondere CBS) abheben: Sie versucht nicht nur eine moderne Multikamera-Sitcom zu sein, wie es im Genre üblich ist (mit einer Live-Audienz, oder gekünstelte Lachkonserven als Alternative), sondern übernimmt auch einige der Singlekamera-Elemente, die von Comedys wie «Scrubs» oder «Malcolm mittendrin» bekannt sind – zu bemerken in den zwei äußerst kurzen Flashback-Momenten in der Pilotfolge, die wie ein Fremdkörper wirken. Den Erfolg einer „scharfkantigen“ Sitcom zu pushen, wenn den Produzenten nicht mal klar ist, was sie von ihrer Serie wollen, funktioniert einfach nicht. Und zusammen mit einem schlecht aufgelegten Cast (Chelsea Handler, und die depperte, jungfräulich anbetungswürdige Lauren Lapkus sind die Ausnahmen) macht es den Zuschauern nicht unbedingt schwer «Are You There, Chelsea?» unter die Kategorie „nett gemeint, aber übelst abstinkend“ abzuheften und schnell zu vergessen.
Außerdem tut es der Sitcom nicht gut, dass sie mit ihrer Thematik offensichtlich nur eine Zielgruppe anspricht: die der jungen Frauen, die ähnlich wie Chelsea offenherzig sind und frei von allen Weltsorgen sind. Dass die Verbindung zwischen Chelsea als Charakter und die Zuschauer vor den Bildschirmen nicht klappt, liegt dabei nicht nur an der ungenügenden Darstellung seitens Laura Prepon, sondern auch am Drehbuch, welches keinerlei Charaktermomente besitzt und stattdessen von einem „grenzwertigen“ Witz zum nächsten wandert, ohne wirklich die Pointe zu verstehen. Ganz zu schweigen von der eigentlichen Comedy, die es tatsächlich versucht, an die vulgären Zoten eines «Two and a Half Men» oder
«2 Broke Girls» heranzukommen, jedoch kläglich scheitert, weil das Drehbuch nicht frech genug ist und die Situation ausnutzt. So verkommt «Are You There, Chelsea?» zu einer Comedy, die in ihrer Optik irgendwo in den 90ern hängengeblieben ist, in ihrer Sprache aber an die CBS-Erfolge anknüpfen will.
Aus der Sitcom kann noch etwas Gutes werden, wenn die Autoren und Produzenten tatsächlich schnell den Mittelweg finden, doch die Hoffnungen dürften jetzt schon aufgegeben werden. So lange «Are You There, Chelsea?» gar nicht erst versucht, eine ernsthaft aufgebaute Sitcom zu sein, wird der Funke auch nicht zu den Zuschauern überspringen. Die Produktion könnte bei den Beteiligten noch so viel Spaß machen, und Cast und Crew könnten noch so nette Menschen sein – der Pilot macht einfach nicht den Eindruck, als wäre mit Herzblut an die Sache herangegangen. «Are You There, Chelsea?» kann sich demnach einen Platz als schlechteste Sitcom in der aktuellen TV-Saison warm machen. Genau neben «How to Be a Gentleman», «Work It» und
«I Hate My Teenage Daughter» – die Sitcom-Ausbeute in diesem Jahr ist recht armselig, und das überraschend bei allen vier großen US-Networks.