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First Look: «Work It»

Die mieseste TV-Idee seit Jahren... macht Spaß? Warum ABCs kontroverse neue Sitcom von Jedermann schnell abgestempelt wird, allerdings so schlecht ist, dass es schon wieder lustig ist.

2012 hat gerade erst einmal begonnen, und schon hat die US-Presse die schlechteste neue Serie des Jahres gefunden: «Work It», die abgewandelte TV-Version des Gebrüder-Wayans-Films «White Chicks», welcher schon 2004 für seine hirnrissige Art und Weise der feministischen Darstellung eins hinter die Löffel bekommen hat. In «White Chicks» verkleideten sich zwei schwarze FBI-Agenten in Frauenkleider, färbten sich weiß und arbeiteten undercover in einer Welt erobert von weißen Möchtegern-Schönlingen, die Teil eines kriminellen Plots sind. «Work It» ging weniger kompliziert vor, hat aber die selbe Masche zu bieten: Zwei von der schwachen Wirtschaft geplagte Männer geben sich als Frauen aus, um in einem besser bezahlten Job eine neue Karriere zu starten. Das Schlimmste daran ist aber nicht der Vergleich mit «White Chicks». Schon 1980 gab es auf ABC mit «Bosom Buddies» eine Serie, in welcher Tom Hanks und Peter Scolari sich in Frauenkleider zwangen, um mit einem besser bezahlten Beruf die Miete ihres geliebten Apartments bezahlen konnten. Während in den frühen 80er Jahren die Idee, dank der Darstellung von Geschlechter-Stereotypen und der Idee von zwischenmenschlichen Beziehung, funktionierte (und die Chemie zwischen Hanks und Scolari durchaus spürbar war), zeigt «Work It», dass Männer in Frauenkleider inzwischen alles Andere als garantierte Lacher sind.

Lee Standish (Benjamin Koldyke) und Angel Ortiz (Amaury Nolasco) sind beste Freunde, die regelmäßig in ihrer Lieblingsbar einen über den Durst trinken und mit ihrem Kumpel Brian (John Caparulo) über die Weltgeschichte und ihre (Ehe-)Frauen diskutieren. Lee ist arbeitslos und sucht nach einem Job, der in der heutigen Wirtschaftskrise mehr Geld einbringt, um die Familie über die Runden zu bringen. Angel erfährt stereotypische Schikane im Taco-Fast-Food-Shop, in welchem er arbeitet. Nachdem Lee in einer Arztpraxis mit anhören muss, dass heutzutage Frauen die besseren Jobs bekommen, zwingt er sich kurzerhand in die Kleider seiner Frau Connie (Beth Lacke) und bekommt einen Job als Pharmavertreter(in). Und da es anscheinend Spaß macht sich als Frau auszugeben und eine große Lüge zu geben, bringt Lee Angel mit ins Büro. Ebenfalls als Frau, und mit dem Problem, seine männlichen Triebe vor seinem neuen Boss Vanessa (Rochelle Aytes) unter Kontrolle zu halten.

Es ist keine Schwierigkeit, in «Work It» die schlechteste Serie aller Zeiten (?) zu sehen, wenn man sich nur den Inhalt durchliest. Politisch korrekt wird die Serie nie sein; als Starvehikel für die Hauptdarsteller ist «Work It» so ziemlich ausgeschlossen; und selbst für die Autoren hinter des (Mach-)Werks dürfte die Sitcom sich als Fingerübung beweisen. Oder alternativ eine Tür ins TV-Business öffnen, welche nach ein paar Wochen wieder zugeknallt wird, wenn es nach den Kritikern geht. Es gibt Fragen, die es zu beantworten gilt: Warum hat ABC diese Serie durchgewunken und ins Programm geschickt? Warum schafft ABC es in diesem Jahr mit gelungenen Comedys wie «Suburgatory» und «Happy Endings» zu beweisen, dass «Modern Family» nicht alleinstehend für großartige Comedy sein muss, und kommt jetzt mit «Work It» um die Ecke? Und warum ist die Serie eigentlich von der ersten bis zur letzten Sekunde so verdammt schamlos, dass es weh tut?

Wer von «Work It» etwas erwartet, wird sofort enttäuscht werden. Wer der feministischen Welt und seinen frauenfeindlichen Witzen kritisch gegenüber steht, wird jede Sekunde der neuen Sitcom abgrundtief hassen. Wer nicht glauben kann, wie zwei Männer unter Perücken und Kleider aus den 90er Jahren im 21. Jahrhundert durchs Leben gehen können, darf sich darauf vorbereiten, innerhalb von 21 Minuten gleich mehrfach gekreuzigt zu werden. Wenn man schon als Zuschauer nach fünf Minuten bessere Ideen bekommt, um den Großteil der Serie zu füllen, dann muss man sich schon Gedanken über ABC machen. Und wer bei zotigen Zitaten von wegen „Es ist keine Rezession, es ist eine Mann-zession“ sofort zu lachen anfängt, sollte vielleicht darüber nachdenken einen Arzt aufzusuchen. Alle weiblichen Zuschauer sollten jedoch Vorsicht wahren: Wenn man «Work It» Glauben schenken darf, gibt es nur notgeile Ärzte, die das Eine wollen. Demnach sind alle Männer Sexisten mit einer Beule in der Hose, und Frauen sind die Einzigen, die das Finanzwesen aufrecht erhalten können. Hat da wer den Trend der letzten Jahre verschlafen und glaubt sich in den 90er Jahren wiederzufinden?

Wer von «Work It» allerdings rein gar nichts erwartet und von Vornherein an die Serie als die „schlechteste Comedy aller Zeiten“ herangeht, dürfte nach einer halben Stunde mit einem Lächeln auf dem Gesicht zurückkehren. Immerhin wurde der Beweis erbracht, dass „schlechter“ auch „ausgesprochen lächerlich, dass es schon wieder lustig“ sein kann. Die flachen Witze finden ihren Weg zum vorbereiteten Zuschauer, und irgendwie macht es dann doch Spaß, die Idiotie der Serie zu erleben, und all die unlogischen Sachen an der Story herauszufiltern. Beginnend mit dem sprießenden Bartwuchs des Hauptdarstellers, welches zu jeder Zeit seinen neuen Kolleginnen ins Gesicht springen könnte, oder der Tatsache, dass zwei Männer als so offensichtlich tuntige Frauen sich immer noch wie Männer verhalten, wenn sie mit wunderhübschen Frauen zusammenarbeiten, die höchstwahrscheinlich sogar lesbisch sind. Natürlich beliefert man das männliche Publikum mit einem Sexwitz nach dem anderen, doch das macht nichts aus, wenn man erst einmal realisiert, dass «Work It» für offenbar keinen triftigeren Grund entwickelt und geschrieben wurde. Die kritische Seite der Story wird gar nicht erst Beachtung geschenkt (immerhin ist dies eine Sitcom, und kein HBO-Drama), warum also nicht in die Vollen gehen und so viele sexistischen Gags wie möglich an den Mann bringen?

Doch wir sind ehrlich: «Work It» ist eine miese Serie, die in der falschen Zeit lebt. Wer über die Gags lachen kann und sich dabei miserabel fühlt, hat immerhin genug Verstand, um die Comedy als gut gemeinten Versuch abzustempeln und schnell zu vergessen. Wer hier jedoch nach Glaubwürdigkeit sucht, sollte vielleicht mal etwas tiefer in die Geschichte der TV-Sitcoms blicken: «Work It» ist nicht die erste Serie, die mit einer unglaubwürdigen Herangehensweise mit Lachern hantiert – egal, ob der Zuschauer nun lacht oder vor Scham sein Gesicht in seine Hände vergräbt. «Eine schrecklich nette Familie» hat für zwölf Jahre bewiesen, warum „over the top“ auch kultig sein kann, und selbst Showtimes «Shameless» muss sich damit abfinden, eine Familie darzustellen, welche man gerne mal übers Gesicht klatschen könnte. Und die Favoriten für die schlechteste TV-Idee sind immer noch wahre Machwerke wie «Past Life» oder «Cavemen». «Work It» ist prinzipiell nichts anderes als ein Versuch, eine alteingesessene Sitcom in die moderne Welt zu bringen, nur schlechter und zotiger geschrieben und mit harten Kritiken und Beschwerden seitens Transgender-Gruppen bestückt (was ist heutzutage eine Serie ohne Kontroversität?) . Und wer das innerhalb der 21 Minuten bemerkt, kann durchaus Spaß mit der Serie haben. Auch wenn der Spaß darin liegt, all die schlechten Dinge zu erkennen und sich darüber zu amüsieren, als die Charaktere bei ihrer Arbeit zuzusehen.
05.01.2012 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/54157
Christian Wischofsky

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