Die neue RTL II-Reportage wagte sich unter Hooligans: Wirklich investigativ oder primitiv?
«Investigativ» will „aufspüren, untersuchen, nachforschen, aufdecken, enthüllen“ – so verheißen es die Adjektive der neuen RTL II-Reportagereihe, die im Intro erwähnt werden. Bei der ersten Folge, die am späten Montagabend ausgestrahlt wurde, wagte sich Journalist Wolfram Kuhnigk unter deutsche Fußball-Hooligans und begleitete das Bundesligaspiel zwischen Köln und Mönchengladbach, zwei Erzrivalen. Hooligans sind gewaltbereite Fans, die weniger das eigentliche Spiel sehen wollen, sondern am Wochenende gegnerische Fans verprügeln. Die neue Sendung von Kuhnigk will diese Menschen zeigen und erklären, was sie bewegt, warum sie Spaß an Gewalt haben und was dagegen getan werden kann.
Doch «Investigativ» entlarvt sich als simples Reportagefernsehen, das keine Lösungen liefern will: Wie kann die Hooligan-Szene eingedämmt werden? Wie können Fan-Abteilungen oder deren Fußballvereine besser zusammenarbeiten, damit Risikosituationen nicht eskalieren? «Investigativ» liefert Bilder, die zwar erschrecken. Dass die Reportage auch überdramatisiert und Krawallfernsehen liefert, ist ebenso klar: Wenn Kuhnigk anfangs von 1,8 Millionen Polizeistunden spricht, die jährlich für Fußballspiele aufgewendet werden, so hat dies weniger mit Hooligan-Bekämpfung zu tun, sondern vielmehr mit Vorsichtsmaßnahmen oder Sicherheit. Wackelige Youtube-Videos einer früheren Schlägerei müssen herhalten, um Gewaltbilder zu liefern: Denn diese hat Kuhnigk bei seinem besuchten Spiel offensichtlich nicht bekommen. Deswegen verliert sich die Sendung in langen Gesprächen mit Polizisten, früheren Opfern und ehemaligen Schlägern, ohne wirklich investigativ zu sein.
Ebenso fragwürdig ist, hasserfüllte Fangesänge zu filmen und plakativ den Text zu untertiteln, damit der Zuschauer mitbekommt, was gesungen wird: Jedoch gibt es solche Gesänge in jedem Fußballstadion, werden von vielen friedlichen Fans gesungen und lassen nicht darauf schließen, wie gewaltbereit diese wirklich sind. Solche Bilder liefern der Reportage spektakuläre Szenen (für Außenstehende), sind aber nicht aussagekräftig.
Es bleibt der Eindruck einer gut gemeinten Reportage, die viel will, aber wenig liefert. Zwar kann «Investigativ» vereinzelt spannende Einblicke in die Hooligan-Szene liefern, doch diese beschränken sich auf kurze Gespräche mit solchen gewaltbereiten Fans. Ein Großteil der Reportage bietet keine neuen Informationen, sondern in typischer RTL II-Machart aufwühlende Szenen, die aufgrund ihres vermeintlichen Sensationscharakters Quote liefern. Genau deswegen hat diese Sendung keinen Aufklärungsauftrag und wird nicht viel nützen, um die traurigen Gewaltexzesse abseits des Fußballfeldes einzudämmen. Sie könnte vielmehr falsche Vorurteile schüren und unbeabsichtigt eine ganze Zunft von Fans unter Generalverdacht stellen: Bei 15.000 gewaltbereiten Fans (so die Zahl in der Sendung) gibt es dagegen auch viele Millionen Fußballfreunde, die friedlich mit Sport und Gegner umgehen. Eine gute und versucht objektive Reportage hätte dies ausführlicher erwähnen können.