Die Fortsetzung des Oscar-prämierten «Happy Feet» von 2006 gerät mit ihren großen Ambitionen trotz einer tollen Optik völlig aus dem Takt.
Der steppende Pinguin Mumble ist Vater geworden. Während der Rest seiner Pinguingemeinde ebenfalls begeistert singt und tanzt, ist es ausgerechnet Mumbles Sohn Eric, der nach dem Sinn hinter der Tanzerei fragt. Als Mumble keine Antwort findet, bricht Eric mit seinen Freunden sowie dem Möchtegern-Casanova Ramon zu einer anderen Pinguinsiedlung auf. Dort lernen sie Sven den Großen kennen, einen fliegenden Pinguin, der von der Kraft des positiven Denkens predigt und auf Anhieb Erics neues Vorbild wird. Papa Mumble gefällt das gar nicht und holt Eric mitsamt Anhang nach Hause zurück. Doch ehe sie ankommen, wird der Eingang zur Siedlung durch die Nachwirkungen eines gewaltigen Erdbebens verschlossen. Nun müssen Mumble und Co. nach einer Lösung suchen, um das eingepferchte Pinguinvolk zu retten.
Der Australier George Miller begann seine Karriere mit den «Mad Max»-Filmen, dürfte mittlerweile aber mindestens genauso bekannt für seine Familienfilme sein. Er war einer der Autoren des mehrfach für den Oscar nominierten «Ein Schweinchen namens Babe» und übernahm danach die Regie bei der von ihm verfassten Fortsetzung. 2006 folgte «Happy Feet», der einen Academy Award als bester Animationsfilm gewann. Allen Familienfilmen Millers ist gemein, dass sie trotz kindlicher Herzensgüte sehr ernste Themen ansprechen und nicht davor zurückschrecken, ihre jüngsten Zuschauer auch zu verängstigen. Dies gilt auch für «Happy Feet 2».
Während aber «Ein Schweinchen namens Babe» kindliche Naivität und die harsche Realität nahezu perfekt unter einen Hut brachte, stolpert George Miller in «Happy Feet 2» über seine zu hoch gesetzten Ambitionen. Statt in einem Fröhlichkeit ausstrahlenden Film mit thematischer Unerbittlichkeit zu überraschen, will «Happy Feet 2» schlicht nie den richtigen Takt finden. Singen Baby-Pinguine in der einen Minute noch zur Melodie von Justin Timberlakes „Sexy Back“ darüber, wie flauschig sie doch sind, philosophiert George Miller in der nächsten über Individualität und Sozialdarwinismus. Solch eine wagemutige Mixtur könnte reizvoll sein, ergäbe sie ein stimmiges Ganzes. Doch in «Happy Feet 2» laufen gewissermaßen drei völlig verschiedene Filme nebeneinander her und behindern sich gegenseitig.
Wer sich in «Happy Feet 2» mehr für die titelgebenden Tanzeinlagen interessiert, wird in der Mitte des Films mit gestelzten, belehrenden Dialogszenen bombardiert, welche jeglichen zuvor etablierten Rhythmus zerstören. Diejenigen hingegen, die sich von «Happy Feet 2» aufgrund seiner Behandlung von Themen wie falschen Predigern, Selbstsucht, Konformität und Individualität einen der anspruchsvolleren Animationsfilme des Jahres versprechen, laufen Gefahr, während der Tanzeinlagen vor Fremdscham im Kinosessel zu versinken. Insbesondere, wenn sie die deutsche Fassung des Films betrachten: In dieser wurde ein Gros der Songs (vom Soulklassiker „Ain't Nobody“ bis hin zu Queens „Under Pressure“) ohne jegliches melodisches Feingefühl übersetzt, so dass sie stellenweise absolut unerkenntlich sind.
Der Spagat zwischen Kinder- und Erwachsenenpublikum misslingt konsequenterweise ebenfalls. Den Kindern werden zu viele Gedankenansätze entgegengeschleudert, was für Langeweile sorgt, während sich Erwachsene durch gestelzte Momente quälen müssen, in denen für die im Publikum sitzenden Kinder Offensichtlichkeiten nochmals verbalisiert werden. Und gerade dies ist ein besonders lästiger, da kaum nachvollziehbarer Schwachpunkt von «Happy Feet 2»: George Miller traut seinem Kinderpublikum zu, eine unbeschönigte Weltsicht zu verkraften, erachtet es aber paradoxerweise als notwendig, selbst überdeutliche Dinge in bemüht kindgerechten Dialogen anzusprechen. Es wäre wesentlich stimmiger, ließe Miller öfter die Bilder für sich stehen.
Ärgerlich ist all dies auch deshalb, weil «Happy Feet 2» trotzdem beweist, dass Miller sein Talent, jung und alt, Anspruch und Unterhaltung zu vereinen, nicht verlernt hat. Er hat es nur von den flauschigen Pinguinen auf ein weniger massentaugliches Tier verlagert. Auf Krill. Zwischen die stilistisch schizophrene Pinguingeschichte schaltete George Miller einen Subplot über zwei Krills namens Bill und Will. Will beschließt, aus dem Mikrokosmos, den sein Schwarm bildet, auszubrechen und sich als erster Krill der Weltgeschichte die Nahrungskette hochzuarbeiten. Bill ist von diesem Gedanken völlig verängstigt, dennoch schließt er sich Will aus Freundschaft an und steht ihm bei seinem absurden Unterfangen bei.
Alles, was in «Happy Feet 2» oberhalb des Wasserspiegels misslingt, gelingt in der Krill-Geschichte mit Glanz und Gloria. Bills und Wills Dialoge überraschen mit Tiefsinn sowie äußerst schwungvollem Humor, der auf sämtliche Altersschichten abzielt. Im Gegensatz zu den eindimensionalen Pinguinen, bei denen die handlungslösende Erkenntnis bloß durch das konstruierte Drehbuch pünktlich zum Finale eintrifft, machen Will und Bill innerhalb ihrer kurzen, perfekt abgerundeten Sequenzen einen plausiblen Charakterwandel durch. Sie sind unterhaltsam, regen ohne jeglichen didaktischen Zeigefinger zum Denken an, kurzum: Sie scheinen einem wesentlich besseren Film entfleucht, bloß um der kopflosen Pinguin-Fortsetzung ihr Minimum an Kohärenz zu verleihen.
Wenigstens technisch darf sich «Happy Feet 2» als stolze Weiterführung des Originals von 2006 rühmen. Die ansprechend sowie realistisch gestalteten Figuren bewegen sich in einer beeindruckenden CGI-Welt mit sensationellen Licht- und Partikeleffekten, die die Eislandschaften täuschend echt aussehen lassen. Besonders faszinierend sind die Unterwassersequenzen gelungen, doch auch die via Motion Capturing umgesetzten Tanzchoreographien sind handwerklich besser als im ersten Teil, da die menschlichen Bewegungen wesentlich besser auf die Pinguinkörper übertragen wurden. Die Songauswahl ist gelungen und bietet einen groovigen Querschnitt aus mehreren Jahrzehnten. Dies lässt John Powells instrumentale Filmmusik umso tiefer fallen: Der talentierte Komponist hinter Filmen wie «Drachenzähmen leicht gemacht» lässt sich von Millers ungelenkem Versuch, Kinder mit existenzialistischen Fragen zu konfrontieren, zu schwülstiger Betroffenheitsmusik hinreißen, welche die zuckrigsten Dialogpassagen des Films noch unerträglicher macht.
Fazit: «Happy Feet 2» verpackt in atemberaubenden Bildern zahllose Gedanken über existentialistische Themen, welche er jedoch nicht zu Ende führt. Obendrein versagt der Film durch seine schwachen Dialogpassagen darin, Erwachsene und Kinder auf Augenhöhe anzusprechen. Die gut choreographierten Tanzsequenzen wirken vor dem Hintergrund der Handlungsthematik öfter unfreiwillig komisch, was von der misslungenen Übersetzung der Songs bloß verstärkt wird. Überzeugte Fans des Erstlings bekommen dank eines großartigen Subplots über die Evolution revolutionierenden Krill genug Unterhaltung für den Wert einer Kinokarte. Alle anderen verzichten oder bestaunen die Krills bei einer Fernsehausstrahlung.
«Happy Feet 2» ist ab dem 1. Dezember 2011 in zahlreichen deutschen Kinos sowohl in 2D als auch in 3D zu sehen.