Story
Eigentlich will Dr. Julia Wagner sich für eine Weile zurückziehen, um ein Buch zu schreiben. Doch Polizeipräsident Lin Thanapat bittet die in Bangkok praktizierende Kindertherapeutin dringend um Hilfe. Im entlegenen Chantaburi am Golf von Thailand wurde ein halb verhungertes achtjähriges Mädchen gefunden, das verängstigt ist und kein Wort spricht. Das Kind verbrachte offenbar lange Zeit alleine im Regenwald, Narben an Armen und Beinen deuten darauf hin, dass es gefesselt war.
Niemand scheint das Mädchen zu vermissen. Mit viel Geduld versucht Julia, das Vertrauen des verstörten Kindes zu gewinnen, dem sie den Namen Alice gibt. Dr. Max Carrasin, Chefarzt des Krankenhauses in Chantaburi, unterstützt die Arbeit der Therapeutin nach Kräften. Doch der spektakuläre Fall erweckt die Neugier einiger Psychologen von der Universität. Julia muss Professor Lirut davon überzeugen, dass Alice Liebe braucht und kein wissenschaftliches Forschungsobjekt ist.
Dank ihres Einfühlungsvermögens findet die erfahrene Therapeutin endlich Zugang zu dem traumatisierten Kind, als ein gewisser Henry Thomas auftaucht, der behauptet, der Vater des Mädchens zu sein. Der wohlhabende Bauunternehmer wurde von der Polizei verdächtigt, seine Familie ermordet zu haben, und befand sich in den vergangenen Monaten in Untersuchungshaft. Aus Mangel an Beweisen wurde er jetzt freigelassen. Thomas behauptet, seine Frau und seine Tochter seien entführt worden - doch diese Geschichte klingt unglaubwürdig. Alice hat Angst vor diesem Mann, den sie nicht zu kennen scheint. Dr. Wagner sieht nur eine Möglichkeit, um die Wahrheit herauszufinden. Sie lässt sich von Alice und deren kleinem Hund „Zippo" immer tiefer in den Regenwald hineinführen - an jenen Ort, an dem das Mädchen Furchtbares durchgemacht haben muss.
Darsteller
Christine Neubauer («Die Geierwally») als Dr. Julia Wagner
Hardy Krüger jr. («Forsthaus Falkenau») als Dr. Max Carrasin
Alexandra Wallis («Wer zu lieben wagt») als Alice
Dirk Martens («SK Kölsch») als Henry Thomas
Nirut Sirichanya («Hangover 2») als Lin Thanapat
Sherry Edwards als Yukho
Charoensri Tuamsook («Wer zu lieben wagt») als Prof. Lirut
Kritik
Christine Neubauer ist eine der meistbeschäftigsten Schauspielerinnen Deutschlands. Auch in «Das Mädchen aus dem Regenwald» spielt sie im Grunde genommen wieder dieselbe Rolle, in der man sie dieses Jahr schon in ihrer «Minensucherin» und als «Gottes mächtige Dienerin» sehen musste: die der guten Helferin, die immer lächelt und deren von Klischees durchsetztes Gequatsche stets den beabsichtigten Effekt erzielt.
Ihr neuer Film wirkt wie der hilflose Versuch von Produzentin Regina Ziegler und Regisseur und Autor Wolf Gremm, ein wenig «Nell» nachzubauen. Doch was dabei herauskommt, ist nicht einmal «Nell» für (geistig) Arme. Es ist «Nell» für hoffnungslos Bankrotte, deren Haus schon lange zwangsversteigert wurde.
Allein das Drehbuch zeigt, was die Leitlinien des Unterfangens sein sollten: Es geht um Vereinfachung und Emotionalisierung, während selbst auf ein Minimum an intellektuellem Anspruch keinerlei Wert gelegt wird. Deutlich wird das an mehreren Stellen, unter anderem wenn Julia Wagner (eine Figur, die als renommierte Kindertherapeutin angelegt ist, sich allerdings ausschließlich der banalsten Hausfrauenpsychologie bedient) im Klinsch mit den Psychologen von der Universität, die die kleine Alice aus ihrer Obhut nehmen wollen, nicht etwa durch Argumente zu überzeugen versucht, sondern an die Gegenseite „als Frau“ appelliert. Wie man es von Christine Neubauer gewohnt ist, löst ihre Figur ihre Probleme nicht mit Kompetenz, sondern mit Mitgefühl. Und als Sahnehäubchen, man erwartet es ja auch nicht anders, agiert unsere Dr. Wagner dann natürlich noch so saublöd, dass ihr traumatisierter Schützling im städtischen Menschengewirr auch schon einmal abhandenkommt.
Natürlich gibt es im fernen Thailand dabei nicht einmal den Hauch einer Sprachbarriere. Da liest eine Deutsche einem Kind, dessen Herkunft nicht geklärt ist, schon einmal ein englisches Kinderbuch in deutscher Übersetzung vor. Logik interessiert hier nicht – man soll fühlen, nicht denken.
Gleichsam suggestiv versucht dieses Drehbuch auch die Sympathien der Zuschauer zu lenken, etwa, was die Vorverurteilung der Figur des Matthew Thomas angeht: Denn der Vater der kleinen Alice, der bis vor Kurzem in Untersuchungshaft gesessen hatte, da ihm vorgeworfen wurde, seine Tochter und Ehefrau ermordet zu haben, ist hier schlicht „der Böse“, der dann auch noch selbst schuld sein soll, dass ihm nicht geglaubt worden und er somit im Knast gelandet war. Am Schluss aber ist auch er in Windeseile geläutert – dafür brauch man nicht einmal zwei Minuten Filmzeit.
Doch Christine Neubauer macht sogar dieses dramaturgische Elend noch schlimmer. Denn sie spricht und spielt so aufgesetzt wie eh und je: ungeheuer pathetisch, mit breitem Lächeln, ganz viel Mitgefühl und penetranter Bauernschläue. Fertig ist der Degeto-Einheitsbrei aus banalem Drehbuch, suggestiver Inszenierung, einem Wirrwarr von Klischees und der Melodram-Hauptdarstellerin vor dem Herrn.
Das Erste strahlt «Das Mädchen aus dem Regenwald» am Donnerstag, 17. November 2011, um 20.15 Uhr aus.