Genau zwei Jahre ist das Sat.1-Magazin «Kerner» nun alt, im Dezember wird es eingestellt. Quotenmeter.de mit einem Rückblick auf die Geschichte des Formats, auf ständige Quotenprobleme und kleine Erfolge.
Das Projekt «Kerner» in Sat.1: Vor zwei Jahren startete es in der Hoffnung, sich als wöchentliches Live-Magazin neben dem Branchenprimus «Stern TV» etablieren zu können. Doch gerade diese Konkurrenz bereitete dem frisch vom ZDF gewechselten Johannes B. Kerner Sorgen, denn allein die Frage des geeigneten Sendeplatzes stellte die Programmplaner vor ein Problem: Unter der Woche sollte das Magazin laufen, aber bestenfalls nicht zu nahe an «Stern TV». Hinaus lief es anfangs auf den Montagabend um 21.15 Uhr, wo «Kerner» aber schon zu Beginn nicht von den Zuschauern angenommen wurde: Die Premiere erlebten 1,83 Millionen Gesamtzuschauer und 7,6 Prozent der 14- bis 49-Jährigen; nach drei Wochen war die Sendung bei 1,26 Millionen und katastrophalen 4,5 Prozent angelangt. Mit sofortiger Wirkung verlegte man das neue Magazin auf den Donnerstagabend und versuchte, die anfängliche Quoten-Misere vergessen zu machen. «Kerner» am Montag? Es scheint, als wäre das nie da gewesen.
Doch der neue Sendeplatz am Donnerstag um 22.15 Uhr barg zwei neue Probleme. Einerseits sendete man nun einen Tag nach «Stern TV» und riskierte damit inhaltliche Überschneidungen, andererseits gab es keine festen Startzeiten mehr: Innerhalb der Fußball-Saison startete das Magazin wegen der «Europa League» teils erst kurz vor Mitternacht, gern aber auch mal gegen 22.00 Uhr oder um 23.07 Uhr – kurz: Ein richtiges Stammpublikum konnte sich «Kerner» aufgrund der deutlich unterschiedlichen Startzeiten nicht mehr erarbeiten und musste darauf aufbauen, jene Zuschauer einzufangen, die zufällig vorbeizappten oder im Anschluss an das Primetime-Programm am Donnerstag dranblieben.
Für die Quote experimentierte die «Kerner»-Redaktion mit verschiedenen konzeptuellen Schwerpunkten: In der ersten Zeit hatte das Magazin einen deutlich höheren Talk-Anteil als zuletzt, wurde zudem live gesendet. Später etablierte man eine Quiz-Rubrik, aus der das aktuell ausgestrahlte «Allgemeinwissensquiz» mit Moderator Kerner hervorgehen sollte. Außerdem wurden Clip-Beiträge verstärkt.
Besonders in der Anfangszeit hatte «Kerner» eine Relevanz, die es später verlor: Beispielsweise erregte man im Winter 2010 Aufsehen durch die exzessive Berichterstattung über den Langzeit-Arbeitslosen Arno Dübel, den man persönlich als Talkgast in der Show begrüßen durfte. In Erinnerung bleibt dabei die harsche Reaktion des ebenfalls anwesenden Reiner Calmund auf Dübels Einstellung zum Arbeiten. Anfang März 2010 war dann im Zuge des Schiedsrichterskandals Manfred Amerell zu Gast. Schlagzeilen brachten diese Talkgäste sicherlich ein – doch Quote nicht: Die Amerell-Sendung verfolgten nur 7,2 Prozent der Werberelevanten, den Auftritt Arno Dübels lediglich 8,8 Prozent.
Vor der Sommerpause, die ihrerseits mit aufgezeichneten Ausgaben überbrückt wurde, konnte «Kerner» immerhin einige Male hintereinander zweistellige Zielgruppen-Marktanteile einfahren. Für die erste Live-Show nach der Pause setzte man alles auf das sogenannte „TV-Experiment“ namens „Wo ist Sven?“: Kerner-Reporter Sven versuchte, drei Wochen lang in Deutschland unterzutauchen – doch wie lange kann man im Zeitalter digitaler Medien und ständiger Überwachung wirklich unentdeckt bleiben? Schon nach einigen Tagen wurde Sven gefunden, wieder einmal war die Berichterstattung über die ungewöhnliche, wenn auch nicht neue, TV-Schnitzeljagd da. Aber wieder einmal fehlte auch das große Interesse der Zuschauer: Mit 1,15 Millionen Gesamtzuschauern und einem Marktanteil von 8,7 Prozent bei den Werberelevanten lag das Magazin erneut im roten Bereich.
In diesem Jahr wollte «Kerner» nach der Sommerpause mit dem „Postskandal“ punkten: Dazu verschickte die Redaktion dutzende Testsendungen, in denen Geld lag. Das Ergebnis war, dass am Ende fast in jeder dritten Sendung Geld fehlte. Die Post entkräftete die Vorwürfe des Tests und nahm Stellung: "Es gäbe einen Volksaufstand, wenn davon ein Drittel nicht ankäme." Eine einleuchtende Aussage. Doch immerhin sahen 10,1 Prozent der 14- bis 49-Jährigen zu, als Kerner die Ergebnisse der Redaktions-Stichprobe präsentierte. Generell folgte man damit einem leichten Aufwärtstrend der Einschaltquoten in den vergangenen Monaten: Seit Ende März wurde die sonst oft unterschrittene Acht-Prozent-Marke nur einmal gerissen, elf von 25 seitdem gezeigten «Kerner»-Sendungen erreichten einen zweistelligen Marktanteil bei den Werberelevanten. Vielleicht kommt der leichte Aufschwung einfach zu spät: Ende des Jahres wird das Magazin eingestellt. Die Zukunft des Moderators beim Sender ist offen, genauso wie die Frage, wer seinen Sendeplatz übernehmen wird. Harald Schmidt hat bereits im August Interesse am Donnerstag bekundet – wusste er damals etwa schon mehr?