Die neue ABC-Märchenserie bietet einen unausgegorenen Mix zweier Welten.
Die US-Networks haben nicht gekleckert, wenn es um die Serienbestellungen der aktuellen TV-Saison geht, die inzwischen in ihre sechste Woche geht. Dass es heißt, dass einige Formate anderen ähneln, war zu erwarten. «The Playboy Club» und «Pan Am» wurden miteinander verglichen, und «2 Broke Girls» hat es nicht einfach, nicht als aufgesexte «Two and a Half Men»-Variante von «New Girl» gesehen zu werden. Jetzt kommt ABC mit der märchenhaften Fantasyserie «Once Upon a Time» um die Ecke, welches eine Woche früher startet als NBCs Versuch, die Welt der Gebrüder «Grimm» in ein mysteriöses Copdrama zu packen. Beide Serien werden sich den Vergleichen nicht entziehen können, aber jetzt dürfte schon klar sein, wer der Gewinner ist: Während «Grimm» als Krimiserie mit übernatürlichen Elementen eher einfallslos daherkommt (mehr zur Premiere am Samstag), ist «Once Upon a Time» eine Serie, welche das Fantasygenre definiert - und damit in der Premiere einen besseren Eindruck hinterlegt.
Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Oder so haben wir es seit jeher gedacht. Emma Swan (Jennifer Morrison) führt problemlos ihr eigenes Leben als Kautionseintreiberin, nachdem sie wenige Wochen nach ihrer Geburt als Baby auf der Straße aufgefunden wurde. Ihr 28. Geburtstag verwandelt sich für die einsame junge Frau jedoch in ein unverhofftes „Abenteuer“, nachdem der zehnjährige Henry Mills (Jared Gilmore) vor ihrer Tür steht und behauptet, dass er ihr Sohn ist, den Emma vor zehn Jahren zur Adoption aufgegeben hat. Henry benötigt Emmas Hilfe und bringt sie in die Kleinstadt Storybrooke, in der die Zeit stillzustehen scheint. Henry behauptet immer wieder, dass die Geschichten der Märchen real sind und dass die böse Königin (Lana Parilla) einen Fluch über Schneewittchen (Ginnifer Goodwin) und ihren Prinzen (Josh Dallas) gelegt hat, die nun ohne Erinnerungen an ihr märchenhaftes Leben im Albtraum von Storybrooke ihr Dasein fristen. Und Emma ist diejenige, die gegen die böse Königin antreten und den Fluch auflösen soll – ist sie laut Henry immerhin die Tochter von Schneewittchen und ihrem Prinz.
Es dürfte sicherlich nicht einfach sein, die Prämisse der Serie zu schlucken, besonders wenn man die Aufmachung der Pilotfolge als Entscheidungshilfe herbeizieht. Die Szenen in der alternativen Märchenwelt sind nicht verzaubernd genug, um fabelhaft zu wirken; und die Szenen in der Realwelt wirken zu normal, um ein Teil einer Fantasysaga zu sein, welche einen Krieg zwischen einer bösen Königin und einer unscheinbaren Kopfgeldjägerin verspricht. Die Mischung funktionierte einfach nicht, und doch hat man nach einer Stunde das Gefühl, dass in «Once Upon a Time» eine mehr als fabelhafte Serie steckt. Immerhin bedient sie sich nicht der Prämisse eines unschuldig aussehenden Mädchens, welches rein zufällig (auch als „Schicksal“ bekannt) in einer Märchenwelt landet und erfahren muss, dass sie die einzige Hoffnung für ein Happy End der Märchencharaktere ist («Alice im Wunderland», «Das zehnte Königreich»). Die Autoren gehen stattdessen einen anderen Weg und verlegen die Handlung, die eigentlich in der Märchenwelt stattfinden soll, in die reale Welt – was den Vorteil hat, dass die Märchencharaktere nur allzu real werden können.
Hier liegt allerdings auch die Schwierigkeit, ob «Once Upon a Time» als Serie wirklich ernst zu nehmen ist. Schon in der Pilotfolge galoppiert das Drehbuch zwischen den alternativen Welten hin und her und es gelingt nicht eine gewisse Konstanz ins Storytelling zu bringen. Stattdessen sind die Szenen in der Märchenwelt als Flashbacks zu betrachten, die allerdings genauso gut in der Zukunft spielen oder eine völlig eigene Serie bilden können. Das Verbindungsstück zur Story um Emma in der realen Welt fehlt und macht es nicht einfacher, die Pilotfolge als das zu akzeptieren, was sie sein soll: ein Einstieg in die Crossoverserie von Märchen und Boston, Massachusetts. Das birgt auch die Gefahr, dass die Märchenszenen gar nicht nach Märchen aussehen – viel eher bringen die Angst vor der bösen Königin, sowie die CGI-Landschaftsaufnahmen den Eindruck einer weiteren Fortsetzung von «Die Chroniken von Narnia» mit sich. Dass in der Pilotfolge alle weltweit bekannten Märchen wie Schneewittchen, Rumpelstilzchen oder Pinocchio in die Story hineingeworfen wurden, macht die Sache auch nicht leichter. Der Märchenteil soll offensichtlich Schneewittchen als Hauptcharakter haben – wozu also die Eingliederung von Gepetto und seinen Jungen, und was hat Rumpelstilzchen (Robert Carlyle) als weiterer Antagonist hinter der bösen Königin zu tun?
Zusätzlich kann man mit Hilfe von «Once Upon a Time» nicht unbedingt darauf kommen, dass die Serie auch eine Geschichte über unendliche Liebe erzählt. Schneewittchen und ihr Prinz Charming hatten gewissermaßen ihr Happy End während der ersten Minuten, doch scheint es kein Teil der Erzählungen in der Märchenwelt der Serie zu sein. Natürlich wirkt es offensichtlich, dass Emma als Langzeit-Single und Alleingänger innerhalb der Geschichte die Liebe ihres Lebens findet, damit auch die reale Welt mit den Elementen eines Märchens ausgestattet wird. In der Pilotfolge gibt es davon jedoch noch keine Spur. Was man vielleicht als gutes Omen betrachten sollte. Immerhin läuft «Once Upon a Time» auf einem Sender, der mit «The Bachelor» jegliche verrückte und nervende Eigenschaften von Neuverliebten zeigt, während die fiktive Welt einer Shonda Rhimes durch «Grey's Anatomy» und «Private Practice» jedes Klischee einer neuen Romanze auspackt und diese wiederholt durchnimmt. Die große Liebe im Märchenuniversum von «Once Upon a Time» kann also nichts Besonderes mehr sein und so wird es schwer für die Autoren, den Zauber der Originale überhaupt in einer TV-Serie unterzubringen ohne kitschig und übertrieben zu wirken.
Das ist der Stand der Serie nach 43 Minuten: ein unausgeglichener Mix zwischen der Fantasy- und der Realwelt, der mit den heutigen Standards des Storytellings nicht mehr mithalten kann. Allerdings ist die Prämisse der Serie, wenn man über alle Schwierigkeiten einmal hinweg sieht, interessant genug, um «Once Upon a Time» im Auge zu behalten. Hier kommt es darauf an, ob das Autorenteam rund um Adam Horowitz und Edward Kitsis, die neben Hände voll von «Lost»-Folgen auch unter anderem für «Felicity», «Birds of Prey» und «Tron Legacy» am Drehbuchtisch saßen (um hier mal den PR-Gag stillzulegen, dass „«Once Upon a Time» von den «Lost»-Autoren“ ist), die altmodische und überromantische Märchenwelt in eine Welt überrannt von Zombies, glitzernden Vampiren und mordenden Hausfrauen übertragen können. «Once Upon a Time» mag vergleichbar wie «Das zehnte Königreich» als Miniserie funktionieren, doch es scheint unklar, wie Emmas Geschichte über mehrere Jahre standhalten soll, ohne zur typischen ABC-Dramedysoap zu verkommen.