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«Suburgatory»: Neues Zuhause in der Vorstadthölle

Von der Großstadt in die Hölle. In ABCs neuer Sitcom siedelt ein Vater/Tochter-Gespann in eine Welt vollgepflastert mit Barbie-Müttern und glitzernden Töchtern, die knallpinke Brillen tragen - satirisch kommentiert von einem launigen Teenager

Der Comedyboom im amerikanischen Fernsehen lässt sich nicht verleugnen. «Two and a Half Men» ist auch ohne Charlie Sheen nicht totzukriegen, «Modern Family» ergatterte ein neues Serienhoch und «New Girl» schaffte es sogar, sich über sein weitaus bekannteres Vorprogramm «Glee» zu stellen. Ohne Frage ist eine neue Comedywelle im Anmarsch und nachdem die TV-Networks in den vergangenen Tagen fleißig neue Comedyserien bestellten, liegt es nun in der Hand der neuen Sitcoms, sich und das Genre zu beweisen. «New Girl» gab nun der ABC-Sitcom «Suburgatory» die Klinke in die Hand und kam mit guten Kritiken und noch besseren Quoten aus dem Garagentor geschossen. Und wer an einer schrille Barbiepuppen-Parodie von «The Stepford Wives» Interesse bekundet, wird an «Suburgatory» seine Freude haben.

Willkommen in der Vorstadt: Die 16-jährige Tessa Altman (Jane Levy) hat zusammen mit ihrem Vater George (Jeremy Sisto) die Gemütlichkeit von Manhattan verlassen, um in einer ruhigen Kulisse ein besseres Leben führen zu können. So denkt zumindest George, nachdem er eine Packung Kondome in Tessas Schublade findet, doch muss er schnell miterleben, dass Tessa vom Umzug überhaupt nicht begeistert ist. Aufgepuppte und -gepumpte Mütter, die mit einem Dauerlächeln ihre Töchter mit all den Dingen versorgen, die kein Mensch braucht, sowie Mitschüler, die ihr Leben in Trance und mit zuckerfreiem Red Bull als tägliche Droge leben. Tessa fühlt sich wie in einer Spielzeugpuppenversion von Stepford versetzt und macht ihren Hass für Jedermann offensichtlich – sollte Jedermann diesen Hass inmitten von Friede, Freude, rosaroten Eierkuchen überhaupt bemerken.

Kleinstadtparodien sind wie fürs Kino gemacht. «Pleasantville» ging in die fantasievolle Richtung und machte aus seiner Geschichte ein Coming-of-Age-Drama, welches nicht nur für die Charaktere galt, sondern auch für die Stadt selbst. «American Beauty» ging sogar noch einen Schritt weiter und war in der Lage die schmerzende Verrücktheit mit dem Drama eines Lester Burnham zu verbinden. Und das schon genannte «The Stepford Wives» ist ein Klassiker, welcher nicht nur die ultimative Satire der Vorstadt-Gleichförmigkeit, sondern diese auch als Hölle beschreibt, in der jegliche Träume aussterben und keiner etwas tut, was auch annähernd eine verstörende Reaktion als Gegenantwort fordert. «Suburgatory» geht zwar nicht so weit wie die Roboterhausfrauen, doch gibt es einige Ähnlichkeiten mit der Darstellung der Vorstadt als absolute Hölle für einen 16-jährigen Teenager.

«Suburgatory» ist allerdings nur eine waschechte TV-Sitcom, die (vorerst) nicht so weit gehen will und stattdessen mit den Charakteren arbeitet. Tessa kommt als glaubhafter Teenager herüber, dessen Ärger über den Umzug nur zu real scheint, und dessen Kommentare über ihre Gleichgültigkeit für ihre neue Umgebung aus tiefen Herzen kommt. Unglücklicherweise fehlt es der Serie an einer passenden Hintergrundgeschichte, die den Umzug in die in einem Farbmixer getünchte Vorstadt überhaupt erklärt. Es fehlt an Vorwissen, warum Tessa diese Art von Leben hasst, und es fehlt an Vorwissen, warum George entschieden hat, New York City zu verlassen. Eine Packung voller Kondome kann doch nicht wirklich die Ausrede für die Autoren sein. Es reicht nicht, wenn Tessa aus dem Off erklärt, dass er nur ein besseres Leben für seine Tochter will, aber nach dem Verhalten von Tessa in der Premiere zu urteilen, scheint sie in Manhattan nicht gerade ein schlechtes Leben geführt zu haben. Als Teenager scheint sie sogar mehr vom Leben mitgenommen zu haben, als so manche Hausfrau in der namenlosen Vorstadt.

Das ist allerdings auch das einzige Problem an der Serie. Für Leute, die nichts mit dem satirischen Humor von «Suburgatory» anfangen können, welcher dem Film «Easy A» ähnelt (und «Suburgatory» demnach als Networkversion des MTV-Sommererfolges «Awkward.» gelten kann), ist die Serie sicherlich nichts. Für Fans der schrillen Parodie, welche sich nicht zu schade ist, mit ihren Storys auch eine „Moral von der Geschichte“ mitzugeben, und sich nicht von den Übertreibungen von Tessas Kommentaren stören lassen, finden mit «Suburgatory» jedoch eine Serie, welche überraschender nicht hätte sein können. Der Humor mag subtil wirken und viel zu sehr auf das in Deutschland unbekannte Vorstadtleben der Amerikaner ausgerichtet sein, doch dank der charmanten Tessa funktioniert er trotzdem. Und dank Tessa funktionieren die Voiceovers hier besser, als es in «Hart of Dixie» der Fall war. Nicht nur ist das Genre wie geschaffen für schnippische Kommentare aus dem Off, Tessas Erzählung ist auch ein Beispiel dafür, wie clever das Drehbuch eigentlich ist.

Und damit wie clever «Suburgatory» mit den Klischees der amerikanischen Vorstädte spielt und diese genüsslich auskostet. Hier wirkt keine Pointe, als sei sie für den Lacheffekt ins Drehbuch gepresst worden und es wirkt keine Szene so, als würde sie nur auf die Pointe warten. In «Suburgatory» sind die Vorstadtbewohner sich sogar bewusst, dass sie eine Ansammlung von Klischees und „erweiterten“ Oberweiten sind und es macht ihnen rein gar nichts aus. Sie kümmern sich nicht darum, ob ihre Kinder eine Box voller Kondome im Schubfach haben, oder dass sie täglich ein gefühltes Vermögen für ihre Sprösslinge ausgeben, obwohl die Chance besteht, dass die neuen Klamotten drei Tage später in der Mülltonne landen. Genau das ist mit der „Moral der Geschichte“ gemeint: Auch wenn Tessa die Vorstadt hasst und diese als ihre persönliche Hölle des Lebens ansieht, wird auch sie nicht darüber hinwegkommen, das Gute in den neuen Nachbarn zu sehen. Es gibt halt nicht in jeder Vorstadt roboterartige Hausfrauen, die im Einklang das Leben steril halten.

Es fehlt noch einiges, um «Suburgatory» als beste Comedy des Jahres zu bezeichnen, aber es gibt definitiv kein Problem, die Serie als einen der besten Comedyneustarts einzuordnen. Und wie «New Girl» hat auch die Vorstadtsatire in ihrer ersten halben Stunde genügend Momente erschaffen, um zeitweilig zu einem kleinen Drama zu verkommen. Immerhin sind die Charaktere in «Suburgatory» das Nonplusultra, und nicht unbedingt der Humor. Der kommt quasi gratis dazu.
30.09.2011 09:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/52344
Christian Wischofsky

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Suburgatory

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