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First Look: «Pan Am»

Bitte schnallen Sie sich an und genießen Sie den Flug, unsere Stewardessen werden sich ausreichend um Sie kümmern. Wie die neue ABC-Serie es schafft, mit Ideen um sich zu werfen und trotzdem interessant wirkt. Ein Blick auf die Traumwelt der 60er-Jahre-Generation

Die TV-Networks haben die 1960er Jahre für sich entdeckt. Während «Mad Men» einen Preis nach dem anderen bekommt, haben die Geschäftsführer von NBC und ABC sich vorgenommen, auf den Zug mit aufzuspringen. Vergangene Woche hatten die Bunnies aus «The Playboy Club» ihren Einstand und sind jetzt schon Kandidaten für eine schnelle Entlassung aus dem TV-Geschäft; am Sonntag starteten die Stewardessen von «Pan Am» ihre Arbeit, konnten jedoch ihren Einstand mit besseren Einschaltquoten feiern. Und die jungen Frauen mit ihren blauen Uniformen und ihren lächerlichen Hüten bieten gleich mal mehrere gute Gründe, warum «Pan Am» eine bessere, und weitaus durchdachtere Serie als ihr Genrekonkurrent «The Playboy Club» ist. Während Hugh Hefners Stunde des Erfolges nämlich bisher nur Sex und Mafia zu bieten hat, gehen die «Pan Am»-Autoren in der ersten Stunde in die Vollen: Romantik, Beziehungen, Patriotismus, Politik, Spionage, der Kalte Krieg. Und all das mehrere tausend Meter in der Luft, über den Kontinenten und Ozeanen.

Die Pan-American-Linie hat einen neuen Vogel: Die Clipper Majestic steht vor ihrem Jungfernflug von New York nach London, welche vom jungen Dean (Mike Vogel) pilotiert wird, der soeben zum Kapitän befördert wurde. Bevor die neue Maschine mit ihren Passagieren und ihrer Crew jedoch abheben kann, gibt es noch ein kleines Problem: Bridget, Chefstewardess, ist unauffindbar und kann ihren Job nicht antreten – in buchstäblich letzter Sekunde wird der suspendierten Maggie (Christina Ricci) die Position gegeben. Der Jungfernflug ist jedoch nicht nur wegen dieses exakten Fakts ein ungewöhnlicher für die Stewardessen. Kate (Kelli Garner) befindet sich inmitten einer Spionageaktion; Colette (Karine Vanasse) erfährt, dass ihre Affäre John (Will Chase) zusammen mit seiner Ehefrau und seinem jungen Sohn ebenfalls auf dem Weg nach London ist; und Dean will herausfinden, warum seine Verlobte Bridget spurlos verschwunden ist.

«Pan Am» könnte durchaus die positivste Überraschung der neuen TV-Season sein. Wer hier eine alberne Serie über Stewardessen mit Hausfrau-Problemen erwartet, welche in «Mad Men»-Manier während ihres Berufes über ihre Ehemänner und Liebschaften diskutieren, und dabei jedes Klischee mitnehmen, wird schwer enttäuscht werden: Hinter dem neuen Periodendrama steckt nämlich viel mehr, als es den Anschein hat. «Pan Am» liefert in seiner ersten Stunde nicht nur die erwarteten romantischen Storys zwischen den Stewardessen und den Piloten, beziehungsweise zwischen den Stewardessen und den Passagieren, sondern liefert politisch angehauchte Plots, welche die Situation des Kalten Krieges widerspiegeln können, sowie eine Welt zeigen, in der auch Piloten und Stewardessen einen starken Eindruck außerhalb ihres Jobs und ihres Privatlebens hinterlassen können.

Letzten Endes ist «Pan Am» schon nach seiner Premiere in der Lage, aus einem Pool von Ideen Geschichten zu schöpfen, die allerhand Spannung und Dramatik bieten können, solange die Autoren wissen, was sie mit ihrer Serie erzählen wollen. Auch wenn es positiv zu betrachten ist, dass die Pilotfolge gleich ein gefühltes Dutzend verschiedene Geschichten anbietet, kommt man gegen Ende nicht von den Gedanken los, dass «Pan Am» nicht so recht weiß, ob es ein locker flockiges Stewardessen-Drama mit Leichtherzigkeit sein will, oder mit seinem Blick in die Zeit des Kalten Krieges dunkel und kantig sein will. Vielleicht will «Pan Am» mit der fröhlichen Heiterkeit der Stewardessen ein glitzerndes Periodendrama sein, welches die Essenz des Jet-Zeitalters hinüberbringt, doch vielleicht will «Pan Am» auch ein emotionales Drama sein, welches mit seinen Hauptcharakteren Personen liefert, die in ihrem geheimen Leben Superhelden sind. In einer Zeit, in welcher Piloten die Götter unter Männern, und die Stewardessen Ikonen der Freiheit sind, ist es sicherlich nicht falsch zu denken, dass einige unter ihnen die Gunst ihrer Position für den guten Zweck ausnutzten. Und «Pan Am» liefert auch diese Sichtweite. Ob man das glaubhaft finden soll (vor allem mit einem romantischen Unterton), oder als Zeitverschwendung abstempelt, weil diese Sichtweise weder die Charaktere vorantreibt, noch wirklich interessant ist, ist jedem selbst überlassen.

Von der Aufmachung her lässt «Pan Am» sich zwischen pompös und launig finden. Die Musik, welche zwischen einem patriotischen Score und periodenspezifischen Songs hin- und herspringt, ist auf der ersten Seite zu finden, während die Spezialeffekte auf der anderen Seite auffindbar sind – was aber in diesem Fall gar nicht so verkehrt ist. Immerhin passt der ästhetische Look von «Pan Am» in die Zeit des Glitters, in der die Hoffnung auf eine Welt über die Landesgrenzen hinaus von den Stewardessen getragen wird. Und wenn das Bild durch seine CGI einem Reinigungsmittelschock untersetzt wird, kommen auch gleich die zukünftigen Flugbegleiter mit der Überdosis Zucker und zaubern ein Lächeln auf ihre Gesichter, welches manchmal süß, manchmal übertrieben wirken kann. Wenn sie allerdings in Pose zu „Mack the Knife“ als Traum einer ganzen Generation von jungen Mädchen laufen, die Stewardess als Berufswunsch auf ihrer Liste zu stehen haben, verwandelt «Pan Am» sich in eine Serie für Träumer, die mit Ehre die Heiterkeit der 1960er widerspiegelt.

Und genau hier liegt die Stärke von «Pan Am». Die Serie mag jetzt noch nicht wissen, in welches Genre und in welche Richtung sie einschlagen will; ob sie ein waschechtes Periodendrama sein, oder ob sie als zukünftiger Nachfolger von «Desperate Housewives» und «Grey's Anatomy» in Hinsicht ihrer Storys sein will, doch die Pilotfolge war so herzallerliebst und vollgepumpt mit Gutherzigkeit neben all den dramatisch emotionalen Nebengeschichten, dass man über diese Ziellosigkeit hinwegsehen kann. Und mit dem Charme der Darstellerinnen, allen voran Kelli Garner und Christina Ricci (sollte ihr Charakter denn mehr Sendezeit bekommen), gelingt es «Pan Am» die Ära der Helden und Heldinnen im Flugzeug für Network-TV-Standards sehr gut darzustellen. Die Pilotfolge war Unterhaltung auf hohem Niveau und die Serie ist problemlos in der Lage, auf der Welle der Periodendramen mitzureiten, und auch für das Mainstreampublikum anreizend genug zu sein, um einen Erfolg zu garantieren. Das bedeutet auch, dass immerhin ein Periodendrama im Network-Fernsehen die Chance hat, das Jahr 2011 zu überstehen und für mehrere Staffeln zu überleben. Wünschenswert wäre es ja.
27.09.2011 09:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/52261
Christian Wischofsky

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Pan Am

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