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«Person of Interest»: Willkommen in Paranoialand

Der neue High-Tech-Thriller auf CBS sieht gut aus, hat aber einige kreative Probleme.

Wenn Jeffrey Jacob Abrams an einer Serie beteiligt ist, sei es als Autor oder nur als Produzent, kommt es zu Orgasmen bei den Network Executives. Alle wollen auf den «Lost»-Hype aufspringen, weshalb es schon fast eine ungeschriebene Regel ist, dass jede Serie, in der Abrams seine Finger im Spiel hat, bestellt wird. Dass unter diesen Serien auf Flops landen, zeigte «What About Brian», welches 2007 von ABC nach einem erfolglosen Retooling abgesetzt wurde, «Six Degrees», welches 2006 sogar ein Totalausfall für ABC war, sowie «Undercovers» auf NBC vom letzten Jahr, welches kreativ einfach keiner Serie das Wasser reichen konnte. Doch bevor jetzt Jedermann denkt, dass der neue CBS-Thriller «Person of Interest» von Abrams entwickelt und geschrieben wurde, wie es die unwissenden Zuschauer von «Lost» und «Fringe» immer behaupten (für «Fringe» schrieb er eine Handvoll Episoden während der ersten Staffelhälfte, für «Lost» sogar nur zwei Bücher), sollte man erwähnen, dass Christopher Nolans Bruder Jonathan für die Entstehung der Serie verantwortlich ist. Für welcher er offensichtlich die High-Tech-Thriller der Neuzeit sah: Unzählige Elemente von «Spy Game», «Eagle Eye», «Minority Report» und «Der Staatsfeind Nr. 1» lassen sich in «Person of Interest» finden, sowie ein altbekannter Fanfavorit aus «Lost».

Jeder stellt sich die Frage, ob er schon einmal von fremden Personen beobachtet wurde. Für den ehemaligen Regierungsagenten Finch (Michael Emerson) ist diese Frage ein alter Hut, hat er doch die Technologie entwickelt, welche nach 9/11 amerikaweit die Terroristen aussortieren sollte, um Terroranschläge zu verhindern. Die Regierung war nun fähig, Informationen herauszufiltern und zu trennen, die über E-Mails, Telefonate, und vor Überwachungskameras ausgetauscht wurden. Die von Finch entwickelte Maschine trennt diese Informationen in relevante (potenziell schwerwiegende Anschläge, die mehrere Menschenleben fordern kann) und irrelevante Kategorien (Morde, Entführungen, Mafiaaktivitäten, und ähnliches). Jede Nacht um Mitternacht werden die irrelevanten Informationen gelöscht. Für Finch ist dies jedoch nicht genug, weshalb er eine Hintertür zu seinem eigenen System erschaffen hat, welches ihm die irrelevante Kategorie in Form von Sozialversicherungsnummern der beteiligten Personen gibt. Er weiß jedoch nie, ob die Personen auf seiner Liste die zukünftigen Opfer oder plottenden Täter sind. Zusammen mit dem mysteriösen und unscheinbaren Reese (Jim Caviezel) macht Finch sich auf, die irrelevanten Attentate und Morde zu verhindern, indem sie die Person hinter der Sozialversicherungsnummer beschatten und auf Schritt und Tritt verfolgen.

Für eine CBS-Serie ist «Person of Interest» schon modern. Es wird über das Internet gesprochen, darüber wie Big Brother heimlich die Welt über Satelliten und Kameras beobachtet, und wie es möglich ist, eine Person 24 Stunden am Tag zu verfolgen, und das nur mit einem Fernglas und einem Bluetoothgerät im Ohr. Man könnte also meinen, dass die Serie speziell für die junge Zielgruppe entwickelt wurde, und doch läuft sie auf dem Network CBS, welches in der Regel die alten Herrschaften zu sich zieht und diese gleich mit der Modernität der heutigen Welt abschreckt. Wer hätte denn wissen können, dass es sowas wie Internet und Kameras an jedem zweiten Laternenpfahl gibt? Man darf CBS also Respekt zollen, dass sie immerhin versuchen, die jungen Zuschauer zum Einschalten zu bewegen. Und obwohl es am Donnerstag nicht ganz funktionierte, ist immerhin der Pilot gut genug, um in «Person of Interest» eine Serie zu sehen, welche die Paranoia des Staates füttert und Angst schürt, und gleichzeitig eine Hintergrundgeschichte liefert, welche, wenn richtig ausgearbeitet, einen völlig anderen Blick auf die fiktionale US-Regierung der TV-Serien legt.

Die Paranoia... Die wird in der Pilotfolge wirklich gefüttert. Verschwörungsfanatiker werden mit «Person of Interest» so ihre Albträume haben, und jede Chance nutzen, um die Serie auf „wahre Ereignisse“ zu analysieren, während die älteren Damen und Herren der CBS-Zuschauer bewundert erleben dürfen, dass es nicht nur eine Welt außerhalb ihrer vier Wände gibt, sondern auch innerhalb ihres Telefonkabels. Nur die junge Zielgruppe wird die Achseln zucken. «Person of Interest» ist nämlich nicht gerade eine weltbewegende Serie mit weltbewegenden Geschichten und interessanten Charakteren. Ganz im Gegenteil: «Person of Interest» ist nur eine der Serien, die gerade auf einen kleinen Hype aufbaut und versucht, diesen für sich zu nutzen. Da wäre der Hype der beliebten High-Tech-Thriller in den Kinos, die, wenn man «Eagle Eye» vor Augen hat, überraschend erfolgreich liefen, sowie der Name J.J. Abrams, welcher doch für Qualität stehen sollte. «Person of Interest» kann man eine gewisse Qualität zusprechen, aber nicht in Drehbuchhinsicht. Während der Look mit seinen Paranoiasequenzen – Szenen aus dem Blickwinkel der Überwachungskameras; Dialoge, die von Mikrofonen aufgenommen werden – durchaus zu überzeugen weiß, und die Actionsequenzen für eine Network-Serie ansprechend aussehen, sind es die beiden Helden, dargestellt von Jesus und Ben Linus höchstpersönlich, die nicht langweiliger hätten sein können. Zusätzlich kopieren die beiden Hauptdarsteller ihr Spiel aus vergangenen Projekten. Emerson ist fast ein Ben 2.0, der, anstatt teuflische Pläne zu schmieden, lieber seine tragische Vergangenheit erörtert, während Caviezel seine starre Verkörperung von Nummer 6 aus dem «The Prisoner»-Remake zu «Person of Interest» gebracht hat.

Zum Schluss sieht es auch noch aus, als wäre «Person of Interest» ein waschechtes Procedural. Ein Krimi in der High-Tech-Welt. Ein Thriller, welches abgeschlossene Geschichten auftischt. Das ist zwar typisch CBS, doch besonders mit einem Thriller wie diesem würde es sich lohnen, eine fortlaufende Story mit in die Handlung einzuführen, um den beiden Serienhelden einen Grund zu geben, warum sie auch nach einer halben Staffel noch dabei sind, die irrelevanten Informationen zu verarbeiten. Die klischeehaften „Verluste einer geliebten Person“ sind als Storyelement inzwischen schon so ausgelutscht, dass es keinen Zuschauer mehr interessiert, wie die Charaktere eben jene persönlichen Verluste verarbeiten. Die Pilotfolge hat zwar seinen Grund gegeben, warum Finch sich auf die Sozialversicherungsnummern stürzt, doch nach der Einführung von Reese wäre es kein Wunder, dass er plötzlich nicht mehr mitmachen will. Dazu hat er einfach keinen Ansporn von Jonathan Nolan bekommen, was die Handlungen von Reese erklären würde.

«Person of Interest» kann eine interessante Serie werden, wenn sich auf den Hintergrund der Situation konzentriert wird: Finchs Maschine, die Regierung, welche ihn abgewiesen hat, sowie Reeses Vergangenheit. Wenn die Autoren es dann auch noch schaffen, den 9/11-Aspekt der Serie mit den Handlungen der Episoden zu verbinden, haben die Zuschauer nicht nur einen High-Tech-Thriller vor ihren Augen, sondern auch eine leicht politisch angehauchte Serie. Und wer sich jetzt fragt, ob es nach dem Ende von «The West Wing» überhaupt noch politisch angehauchte Serien im Network-Fernsehen geben kann, sollte den Willen von CBS und der Autoren nicht vernachlässigen. Immerhin gibt es mit «The Good Wife» aktuell eine Serie, welche mehr als tüchtig versucht, die politischen Handlungen einer Anwaltskanzlei in die Episoden unterzubringen. «Person of Interest» hat, wenn auch in einem komplett anderen Genre, den gleichen Ansatz, den es auszukosten gilt.
25.09.2011 09:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/52227
Christian Wischofsky

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Person of Interest

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