Deutsche und amerikanische Medicals - für Brigitte Kohnert (RTL) und Klaus Bassiner (ZDF) kein Qualitätsunterschied. Julian Miller widerspricht.
Im Rahmen der Medienwoche@IFA kam es Anfang der Woche zu einer interessanten Diskussionsrunde mit dem hübschen Titel „Fiktion und Wirklichkeit in deutschen fiktionalen Formaten“, in der erörtert werden sollte, wie relevant die wissenschaftliche Akkurarität etwa in den zahlreichen Medicals ist. Das recht hochkarätig besetzte Panel wartete mit so manch spannendem Argument auf – gleichzeitig aber auch mit so manch bizarrem.
Das inhaltliche Resultat der Gesprächsrunde war eigentlich von vornherein klar: Während in amerikanischen Produktionen wie «House» auf eine sehr hohe Genauigkeit bezüglich der wissenschaftlichen Inhalte geachtet wird, wird in deutschen Serien des Genres wie dem «Bergdoktor» oder «In aller Freundschaft» gerne derart herumgeschludert, dass selbst die absoluten Laien schnell erkennen, dass es so in der Realität niemals zugehen kann. So weit, so gut.
Bemerkenswert war es jedoch, dass die „deutsche“ Herangehensweise bei dieser Debatte von den meisten Beteiligten nicht als Problem angesehen wurde, sondern man sie dadurch erklärte, dass es bei inländischen Produktionen einen anderen Fokus gäbe. Klaus Bassiner, Leiter des Vorabends im ZDF, führte an, dass etwa beim «Bergdoktor» primär die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Charakterzeichnung im Vordergrund stünden. Bei «House» sei dies anders – dort ginge es um außergewöhnliche medizinische Fälle, die fiktional aufbereitet werden. Brigitte Kohnert von RTL pflichtete ihm bei. In Deutschland liege das Augenmerk auf der „Figurenführung“.
Doch damit verkennen sowohl Kohnert als auch Bassiner den Grund, warum ein Format wie «House» (auch in Deutschland) funktioniert. Denn auch in der Serie um den verschrobenen US-Arzt geht es primär um die Konflikte zwischen den einzelnen Charakteren, um Lebenskrisen und die ganz persönlichen Abgründe der Figuren. Dass die medizinischen Fälle dort etwas außergewöhnlicher sind, ist eher nebensächlich – unter anderem weil es eben nach Dutzenden von Folgen nicht mehr wirklich interessant ist, schnell mal den Blinddarm rauszunehmen oder ein paar kleine Wehwehchen fröhlich hintereinander wegzuoperieren.
Doch anders als beim «Bergdoktor» achtet man bei «House» auf Plausibilität, trotz der oftmals recht abstrusen Fälle, die bei letzterem auf dem Tisch landen. Bei «In aller Freundschaft» begnügt man sich dagegen damit, dass der Krankenpfleger in der Wildnis eine Krönlein-Bohrung mit dem Akkubohrer durchführt (Nein, das ist kein Scherz). Für diese unglaubwürdigen und bizarren Plots dann allerdings die „Figurenführung“ als Entschuldigung für mangelhafte Recherche vorzuschicken, ist schlichtweg lächerlich.
Mit 360 Grad schließt sich auch nächste Woche wieder der Kreis.