In den Niederlanden können in einer TV-Show abgelehnte Asylbewerber um Geld spielen.
Meinen die das ernst? Oder will die niederländische öffentlich-rechtliche Senderanstalt VPRO nur auf die Missstände des Landes bei Asylbewerbern aufmerksam machen? In einer Quizshow namens «Weg van Nederland» (Raus aus den Niederlanden) treten demnächst Asylbewerber gegeneinander an, die nicht im Land bleiben dürfen und wieder ausreisen müssen. VPRO will ihnen die Heimreise versüßen – und verspricht demjenigen Asylanten, der am meisten über die Niederlande weiß, 4000 Euro „Schmerzensgeld“.
Schon jetzt hagelt es Protest, doch noch immer ist nicht bekannt, ob der Sender sein Konzept ernst meint oder am Ende das gesamte Format inszeniert ist, um letztlich die bürokratisierten und demütigenden Bedingungen von Asylbewerbern anzuprangern. Ein solcher Schritt wäre nicht neu – denn schon vor vier Jahren hat das Konzept «De grote Donorshow» (Die große Spendershow) Aufsehen erregt: Damals kämpften mehrere Kandidaten um eine Spenderniere, doch die Show stellte sich als Fake heraus. Letztlich wollte der Sender nur zeigen, wie schlecht es um die Organspende in den Niederlanden steht. Trotz des damaligen Skandals erreichte Produzent Endemol sein Ziel: Das Thema gelangte auf die politische Agenda; in den Monaten nach der Ausstrahlung registrierten sich mehrere tausend Menschen für eine Organspende. 2008 gewann die Sendung sogar den International Emmy Award.
Möglich also, dass «Weg van Nederland» ebenfalls wieder den medialen Skandal als Ventil nutzt, um auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen. Es wird einmalig innerhalb der Pilotreihe «TVLab» ausgestrahlt, die aktuell in Deutschland auch bei ZDFneo erprobt wird. Zwar konstatiert Senderleiter Roek Lips, man wolle bei solchen Sendungen die Grenzen ausloten, doch wirklich ernst gemeint sein kann dieses Konzept trotzdem nicht. Es würde Asylbewerber zusätzlich diskriminieren, anstatt ihnen zu helfen. Auch der Umstand, dass waschechte Niederländer zynischerweise in der gleichen Show eine Reise auf die Karibikinsel Curaçao gewinnen können, unterstreicht die Brisanz, um mediale Aufmerksamkeit zu erreichen.
Sollte «Weg van Nederland» also wirklich gestellt sein, so wäre das Format trotz seiner fragwürdigen Methoden begrüßenswert. In unserer heutigen, teils perversen Medienrealität wird Aufmerksamkeit fast ausschließlich noch mit reißerischen Schlagzeilen und Skandalträchtigkeit generiert. Warum also nicht diese Methoden nutzen, wenn sie sowieso nicht änderbar sind, und auf politische Probleme aufmerksam machen? Schon Aktionskünstler Christoph Schlingensief erkannte das Potenzial skandalöser Bilder: Er ließ im Jahr 2000 beispielsweise Asylanten in einen Container einziehen und sie von Zuschauern aus dem Land wählen lassen – angelehnt an den damaligen TV-Hit «Big Brother». Hoffen wir, dass die große Inszenierung in den Niederlanden auch wirklich eine solche ist. Und dass sie am Ende die Politiker aufrüttelt, die angesprochenen Probleme anzugehen.
Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.