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Die Kino-Kritiker: «Captain America - The First Avenger»
Ein weiterer Marvel-Superheld kommt in die Kinos: «Captain America - The First Avenger» bringt eine imposante Optik mit sich und weiß, seine Vorlage zeitgemäß umzusetzen. Und zwar durch Retro-Charme.
Für Marvel-Fans rückt der Tag aller Tage immer näher: Seit dem überraschenden Erfolg von «Iron Man» im Jahr 2008 arbeitet der Filmstudio-Ableger des Comic-Giganten auf das riesige Crossover «The Avengers» hin, in dem sich einige der populärsten Superhelden zusammenschließen. Mit «Captain America - The First Avenger» startet diese Woche der letzte Marvel-Film vor dem heiß ersehnten Superheldenspektakel. Gewissermaßen schließt sich somit der Kreis, denn der 1941 erfundene Supersoldat war die erste Figur aus dem Comicstudio, die es auf die Kinoleinwand schaffte: 1944 startete eine fünfzehnteilige Serial-Reihe, die stilprägend für die ersten Comic-Realverfilmungen war.
Mit «Captain America - The First Avenger» bereiten die Marvel-Studios nicht nur die nächstjährige Giga-Produktion vor, sondern orientieren sich auch an den Wurzeln des Superheldenkinos. Gleichzeitig nahm man es sich zum Ziel, aus der für das internationale Publikum eher unattraktive US-patriotischen Schöpfung einen Blockbuster zu formen, der auch außerhalb seines Heimatlandes gefällt. Dazu engagierte man den einstigen Spezialeffektkünstler Joe Johnston, der nach seiner Effektarbeit an «Star Wars» und «Indiana Jones» bei Filmen wie «Jumanji» und «Jurassic Park III» Regie führte. Das Drehbuch stammt derweil vom Autorenduo Stephen McFeely & Christopher Marcus, die an der «Die Chroniken von Narnia»-Trilogie beteiligt waren. Diese Namen werden nicht bei jedermann Jubelstürme auslösen, aber mit «Captain America - The First Avenger» könnte sich dies radikal ändern.
Die Geschichte
1942: Steve Rogers (Chris Evans) ist klein und schmächtig. Aber das hält ihn nicht davon ab, sich in New York freiwillig bei der Armee zu melden. Jedoch wird der tapfere junge Mann, der schlicht davon angetrieben wird, in der Welt etwas Gutes zu leisten, aufgrund seines Körperbaus abgelehnt. Weitere Versuche in anderen Städten scheitern ebenso kläglich. Als er mit seinem zum Militärdienst eingezogenen Freund Bucky (Sebastian Stan) über die Wissenschaftsausstellung des Milliardärs und Erfinders Howard Stark (Dominic Cooper) schlendert, beschließt er, sein Glück ein weiteres Mal zu versuchen. Der Wissenschaftler Dr. Abraham Erskine (Stanley Tucci) wird auf Steve aufmerksam. Er sieht in seinem Engagement einen wertvollen Charakterzug, weshalb er ihn für ein geheimes Supersoldaten-Programm rekrutiert.
Erskine, Stark, die britische Agentin Peggy Carter (Hayley Atwell) und der erfahrene Colonel Chester Phillips (Tommy Lee Jones) bezwecken, mittels eines die körperlichen Leistungen eines Menschen ums Vielfache potenzierenden Serums die Armee der Zukunft zu erstellen, und so eine geheime Unterorganisation der Nazis zu bezwingen. Diese Organisation nennt sich HYDRA und wird von dem auch als Red Skull bekannten Johann Schmitt (Hugo Weaving), einem besessenen Erforscher des Okkulten, angeführt. Dieser bemächtigte sich eines mysteriösen Tesseraktes, welcher nordischen Mythen zu Folge die Macht der Götter beinhalte. Sein Plan ist es, damit besonders gefährliche Waffen anzutreiben und so die Weltherrschaft an sich zu reißen…
Eine US-patriotische Weltkriegsfigur für das 21. Jahrhundert
Die ursprüngliche Form von Captain America kam mit ihrem ironiefreien, unreflektierten Patriotismus und ihrem unbezwingbaren Enthusiasmus wohl beim nationalkritischer gewordenen US-Publikum ähnlich schlecht an wie auf dem internationalen Markt. Klar, dass für diese rund 150 Millionen Dollar teure Kinofassung Änderungen getroffen werden mussten. Dennoch konnte man den Hintergrund der Figur nicht völlig auf den Kopf stellen, schließlich hätten sonst die Comicfans revoltiert. Tatsächlich geht «Captain America - The First Avenger» den richtigen Kompromiss ein und verliert all den blinden Vaterlandsstolz, behält aber das Szenario eines Supersoldaten während des Zweiten Weltkriegs bei. Chris Evans ist auf der Kinoleinwand kein Amerika ungefragt liebender, es auf Naziblut absehender Säuberling, sondern ein junger Mann, der trotz seiner körperlichen Schwäche seinen kleinen Teil dazu beitragen will, den Krieg zu beenden. Dass er nun dank wissenschaftlicher Experimente zu einem besonders schnellen und besonders starken Soldaten mutiert, wird nicht als Amerika-Loblied verkauft, sondern schlicht als der fantastische Twist, der aus «Captain America - The First Avenger» einen seiner Natur stets bewussten Superheldenfilm macht.
Aufgrund seines Hauptziels, dem vornehmlich jugendlichen Publikum auf Hochglanz polierte, sorglose Unterhaltung zu bieten, kann sich «Captain America - The First Avenger» nicht zu viele ernste Zwischentöne über den Zweiten Weltkrieg leisten. Dennoch gelang es den Autoren McFeeley & Marcus, sowie dem im Abspann für seine Polierarbeit am Skritp nicht genannten Joss Whedon, einen differenzierteren Captain America zu zeigen. Einen, in dem sich eine deutschstämmige Figur dem noch schwachen Chris Evans annimmt und ihn in einem ehrlich anrührenden Ton daran erinnert, dass man Deutschland als das erste von den Nazis annektierte Land betrachten müsse. Denn Adolf Hitler habe die zerrüttete Mentalität des deutschen Volkes perfekt auszunutzen gewusst.
Der moderne Zeitgeist schlägt sich auch in einer gänzlich anderen Form in «Captain America - The First Avenger» nieder. Eine ausführliche, durch und durch komische Montage in Mitten des Films parodiert genussvoll die US-Propagandamaschinerie zu Zeiten des Weltkriegs. Kitschige Bühnenaufführungen, anbiedernde Aufrufe zur finanziellen Unterstützung von Vater Staat und ein lieblich trällerndes Werbelied (aus der Feder des Disney-Hofkomponisten Alan Menken sowie Texter David Zippel): Hier nimmt Regisseur Joe Johnston den ganzen US-Patriotismus vergangener Tage sowie die frühen Jahre seines Filmhelden aufs Korn. Wer danach noch darüber klagt, dass «Captain America - The First Avenger» voller widerlichem US-Pathos sei, müsste aus Prinzip jeden Film verabscheuen, in dem ein US-Amerikaner etwas Gutes tut.
Marvels «Indiana Jones»
Ein Captain America ohne ätzend übertriebenen US-Stolz allein, ist freilich kein Beweggrund, ins Kino zu gehen. Dass «Captain America - The First Avenger» ein sehenswerter Sommer-Blockbuster wurde, liegt viel mehr am eingangs erwähnten Ansatz, wieder auf die Anfänge des Superheldenkinos zurückzugreifen. Denn während viele andere Comicverfilmungen im Fahrwasser von Christopher Nolans «The Dark Knight» versuchten, besonders grimm und nachdenklich zu sein, erkannten die Verantwortlichen von «Captain America - The First Avenger», dass dies mit ihrem Helden nahezu unmöglich wäre. Stattdessen lässt Joe Johnston den schrillen Spaß früherer Abenteuer-Kinoserien wieder aufleben, indem er eine simple Geschichte mit viel Abenteuerspaß und wagemutigem Einfallsreichtum erzählt. Ganz so, wie George Lucas und Steven Spielberg mit den «Indiana Jones»-Filmen die so genannten Serials der 30er-Jahre für das aktuelle Blockbusterkino aufpeppten, ist «Captain America - The First Avenger» die moderne Variante der 40er-Superheldenserials.
Allein schon die Optik hebt «Captain America - The First Avenger» von anderen aktuellen Superheldenfilmen ab. Mit nostalgischer, detailverliebter Kostümarbeit von Anna B. Sheppard (u.a. Oscar-nominiert für «Der Pianist») und ausschweifenden (teils digitalen, teils realen) Sets sowie einer stimmigen Farbästhetik versetzt Johnston seine Zuschauer in eine verklärte Comicheft-Vision der 40er-Jahre. Durch die charmanten Übertreibungen im Produktionsdesign fügen sich auch die verrückten, doch nie albernen Fantasy-Versatzstücke nahtlos in das Geschehen ein. Die Welt, die hier gezeichnet wird, ist eine Mischung aus den Universen von «Indiana Jones» und der bereits bekannten Marvel-Filmkontinuität, wobei die Umsetzung von Red Skull auch leichte Erinnerungen an «Hellboy» hervorrufen kann. Der Humor ist hoch dosiert, die Abenteuerpassagen wirken zeitlos verspielt, die Action ist zwar knallig, hält sich aber von moderner Hektik gepflegt fern. Und die geradlinige Geschichte weiß auch ohne inhaltliche Revolutionen zu packen.
Allerdings tappt die fünfte Erzählung im so genannten Marvel Cinematic Universe auf der Erzählebene in die Fallen, die auch ihren Vorgängern schadete. «Iron Man 1 & 2», «Der unglaubliche Hulk» und «Thor» sind alle ein Stückchen zu lang, erreichen eine Phase, die weder überflüssig, noch langweilig ist, und dennoch den flotten Drive des restlichen Films vermissen lassen. Obwohl all diese Filme zeitlich etwas schlanker sein dürften, kommt es daher dazu, dass manche Storyelemente zurückbleiben. In «Captain America - The First Avenger» trifft es vor allem die Entwicklung des Titelhelden: Chris Evans ist eine Figur, mit der es sich mitfühlen lässt, da sie auch zu menscheln weiß. Doch neben den Stars von «Iron Man» und «Thor» sieht Captain America etwas blass aus. Dafür ist seine Beziehung zur britischen Agentin Peggy, wenngleich weiterhin recht rudimentär, besser ausgebaut und somit nachvollziehbarer, als die Liebesgeschichte aus «Thor».
Dass diese Superhelden-Abenteuergeschichte den anderen großen Marvel-Titeln das Wasser reichen kann, obwohl ihr Held keine so markante Type ist wie etwa Robert Downey juniors Tony Stark, liegt auch an den hervorragenden Schauspielern. Bis in die kleinste Rolle sind die Figuren gut besetzt und jeder der Darsteller tritt mit ehrlicher Energie auf. Leute wie Tommy Lee Jones oder Hayley Atwell lassen ihre Figuren immer ein Stück neben dem Genre-Stereotyp auftreten, und lassen sie so trotz ihrer klaren Verwurzelung in Archetypen frisch erscheinen. Besondere Erwähnung verdient Dominic Cooper, der als der junge Howard Stark jede Szene an sich reißt, in der er vorkommt.
Nimmt man all dies zusammen, wird schnell klar: Im Grunde ist «Captain America - The First Avenger» ein B-Movie, nur mit der makellosen technischen Umsetzung einer modernen Big-Budget-Produktion, und ganz in Tradition von «Indiana Jones», stets mit der nötigen Prise Selbstironie sowie einem Quentchen mehr Verstand seitens der Autoren. Genau das war auch die Absicht der Filmemacher, und besser kann man die Vorlage für ein heutiges, weltweites Publikum nicht umsetzen.
Der beste Marvel?
Selbstverständlich können persönliche Vorlieben im Bereich Superhelden-Unterhaltung auf die letztlich getroffene Wahl einwirken, doch ganz nüchtern betrachtet ist «Captain America» neben «Iron Man» der heißeste Anwärter auf die beste Marvel-Adaption innerhalb der «The Avengers»-Kontinuität. Während das Downey-junior-Vehikel stärker auf den Charme seines Hauptdarstellers setzt und eine kernige Geschichte selbstironisch verwirklichte, lebt «Captain America» vom Flair seines Settings.
Die Auffrischung des 40er-Retrofeelings und die vorsichtige Modernisierung der alten Abenteuerserials sind rundum gelungen. Eine nahezu perfekte Optik (bloß Red Skulls Effektmaske ist nicht so einschüchternd, wie sie wohl gedacht ist, und manche der digitalen Hintergründe sind auffällig geraten), gute Filmmusik und ein wunderbar aufeinander eingespieltes Ensemble sorgen für einen hohen Gute-Laune-Faktor. Dieser wird vom selbstbewussten Edeltrash-Drehbuch und der ausgefeilten Inszenierung sicher über die gesamte Filmlaufzeit bewahrt. Zwar sind zwischen die vielen gewollt lustigen Szenen auch zwei oder drei unbeabsichtigt komische Momente gerutscht, trotzdem unterschätzt «Captain America - The First Avenger» nie die Intelligenz seiner Zuschauer. Für Filme wie diesen leider keine Selbstverständlichkeit.
«Captain America - The First Avenger» ist seit dem 18. August in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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