Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Heute: Eine abstruse Mischung aus Talkshow und Coaching-Format.
Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer Sendung, die so sehr bemüht war, den Erfolg anderer Formate zu kopieren, dass sie das Wesentliche aus den Augen verlor.
«Der Requardt» wurde am 17. September 2007 bei RTL II geboren und war neben dem schnell abgesetzten
«Club der Ex-Frauen» das zweite große Prestige-Objekt, mit dem der Sender in die neue Saison starten wollte. Nachdem weder die Gameshow «5 gegen 5», noch die Dokureihe «Schicksal meines Lebens» in der «Big Brother»-freien Zeit am Vorabend überzeugen konnten, setzte der Kanal nun auf eine Mischung aus Talkshow und den damals sehr populären Coaching-Formaten. Vor allem mit diesen Help-Programmen fuhr der Schwesternsender RTL durch «Die Supernanny» und «Raus aus den Schulden» hohe Marktanteile ein. Parallel lockten die Gerichtsshows und «Zwei bei Kallwass» im Nachmittagsprogramm von Sat.1 für noch immer konstante Quoten. Was lag also näher, als diese vermeintlichen Erfolgsgaranten miteinander zu durchmischen und in einem einzigen Konzept zu vereinen? Es entstand die (nach eigenen Angaben) „erste tägliche Coaching-Talk-Sendung im deutschen Fernsehen“. Mehr noch: „«Der Requardt» ist Lebenshilfe pur“, hieß es grußspurig in der Presseankündigung.
Fest stand, wenn sich das Format langfristig etablieren sollte, brauchte es einen markanten Typen an seiner Spitze. Fündig wurde man im Anwalt Michael Requardt, der auch als Schuldenberater tätig war und zuvor im WDR den «Großen Finanz-Check» sowie bei DMAX die Sendung «Der Moneycoach» präsentierte. Beide Konzepte ähnelten sich dabei nicht nur gegenseitig, sondern auch sehr Peter Zwegats Erfolgsreihe «Raus aus den Schulden». Neben Requardts auffälliger Brille, die sogar das Logo der RTL II-Show zierte, zeichnete ihn vor allem eine direkte, offene und ehrliche Art aus.
In seiner neuen, täglichen Sendung präsentierte der Anwalt dann pro Ausgabe zwei bis drei Fälle, die zunächst mit einem Einspielfilm vorgestellt und anschließend mit den Betroffenen im Studio diskutiert wurden. Der Themenfächer durfte dabei weit aufgespannt werden, denn Requardt kümmerte sich nicht mehr nur um die finanziellen Probleme seiner Gäste, sondern vermittelte wie auch Angelika Kallwass bei Familien- oder Eheproblemen. Um sich dennoch von der Sat.1-Show abzuheben, wurde im Vorfeld mehrfach betont, dass es sich bei seinen Gästen um „echte Menschen mit echten Problemen“ handelte und dass es nicht immer ein Happy End geben werde. Tatsächlich empfahl er daher bereits in seiner ersten Sendung einem verstrittenen Ehepaar, sich zu trennen.
Doch trotz aller Bemühungen war das Endprodukt dennoch nicht stimmig. Dies lag insbesondere am unangebrachten Tempo, denn in den halbstündigen Folgen wurden mitunter drei Fälle erörtert. Oft mussten daher die Diskussionen mittendrin abgebrochen werden, bevor ein Kompromiss erzielt war. Dazu waren die Einspielfilme oft von niedriger Qualität, in denen die „echten Menschen“ auffällig gestellt agierten. Schließlich mag auch die inkonsequente Themenvielfalt ihren Beitrag zur grundsätzlichen Unausgewogenheit der Sendung beigetragen haben.
So war es nicht verwunderlich, dass der Coaching-Talk schon bei seiner Premiere am Montagabend um 19.30 Uhr nicht zu überzeugen wusste. Nur 0,36 Millionen Menschen schalteten den Auftakt ein und sorgten für einen Zielgruppenmarktanteil von lediglich 2,8 Prozent. Dennoch ließ man seitens des Senders Gelassenheit verlauten: „Man muss dem Format Zeit geben“, erklärte der damalige Sendersprecher Frank Lilie im Gespräch mit Quotenmeter.de. „Die Sendung muss erst noch entdeckt werden. Wir werden jetzt erst einmal abwarten.“ Ein Trend sei schließlich noch nicht zu erkennen. Doch schon die nächste Ausgabe zerstörte jede Hoffnung. Die Reichweite ging auf 310.000 Zuschauer und der Marktanteil bei den jungen Menschen auf 2,2 Prozent zurück.
Trotz aller Vorschusslorbeeren sah sich die Senderleitung daher nach rund einer Woche gezwungen, die Show aus dem Vorabend zu verbannen. Doch anstatt sie komplett aufzugeben, wurde ihr eine Galgenfrist auf dem bisherigen Wiederholungssendeplatz am Vormittag gewährt. Immerhin hatte das Format dort mitunter Marktanteile von über fünf Prozent erzielt. Damit setzte der damalige Programmdirektor Axel Kühn auf eine neue Taktik, um das Projekt doch noch retten zu können: "Wir glauben nach wie vor an Michael Requardt und seinen Coaching-Talk. Vielleicht war aber der Schritt direkt in den Vorabend zu ambitioniert", gestand er seinerzeit ein, "deshalb werden wir «Der Requardt» jetzt am Mittag wachsen lassen. Wenn sich die Sendung dort als Marke etabliert hat, holen wir sie zurück in die Access-Prime."
Obwohl die Reichweiten aufgrund der Sendezeit kurz vor Mittag selten über 150.000 Zuschauer stiegen und sich die Marktanteile meist zwischen drei und vier Prozent bewegten, ließ man tapfer neue Ausgaben produzieren. Doch die erhoffte Kehrtwende trat nicht ein, sodass auch eine Rückkehr in den Vorabend ausblieb. Ende November hatte man das Format dann endgültig aufgegeben und gab seine Absetzung bekannt. Nach einem Übergangsprogramm übernahmen die Wiederholungen der Tageszusammenfassungen von «Big Brother» den Programmslot am Vormittag.
«Der Requardt» wurde am 07. Dezember 2007 beerdigt und erreichte ein Alter von 40 Ausgaben. Die Show hinterließ den Moderator Michael Requardt, der nach dem Ende der täglichen Sendung mit «Requardt – Der Existenzretter» im darauffolgenden Juni eine zweite Chance bei RTL II - diesmal sogar im Abendprogramm - bekam und sich darin wieder auf sein Spezialgebiet Finanzberatung besann. Mit knapp unter einer Million Zusehern und einem Marktanteil von 6,4 Prozent lief aber die einmalige Testfolge nur mäßig erfolgreich und wurde folglich nicht in Serie geschickt. Derzeit ist er als Anwalt und Berater abseits des Fernsehens tätig.
Möge die Show in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann den Anfängen von Christoph Maria Herbst.