Julian Miller analysiert Vera Int-Veens TV-Skandal - eine Hetzkampagne der "Bild" oder berechtigte Kritik an würdelosen Machenschaften?
Der „Bild“-Zeitung traut man – ziemlich egal, was sie nun schreibt – eher ungern. Nun stellt sich aber die Frage, wem man weniger trauen kann: Deutschlands größter Boulevard-Zeitung oder Vera Int-Veen und der Produktionsfirma ihrer Sendung «Mietprellern auf der Spur»? Denn seit Tagen wird ein erschreckender Aspekt nach dem anderen über die Herstellung der Real-Life-Doku enthüllt. Ein Problem für die Macher: Es gibt Videobeweise, die die Argumentation der „Bild“ stützen und von ihr auch veröffentlicht wurden.
In einer Ausgabe der heiß diskutierten Sendung wurde in einer Wohnung gedreht, während die Besitzerin nicht anwesend war. In der gesendeten Version der Ereignisse sah es so aus, als ob ihr 17-jähriger Sohn, dem das Kamerateam auf der Straße vor dem Gebäude begegnet war, sein Einverständnis zu den Dreharbeiten gegeben hätte.
Das nun aufgetauchte Rohmaterial zeigt jedoch etwas ganz Anderes. Das „Ja“ des Sohnes, das als Erlaubnis für die Dreharbeiten präsentiert wurde, fiel als Antwort auf eine ganz andere Frage und wurde offensichtlich einfach nur an die entsprechende Stelle geschnitten. Was RTL außerdem nicht zeigte: Wiederholt bestand der Sohn darauf, dass das Kamerateam die Wohnung nicht betrete, sondern allenfalls Int-Veen und seine Schwester Zutritt erhalten sollten. Das hielt die Macher – so das Bildmaterial – jedoch nicht davon ab, trotzdem Dreharbeiten in der Wohnung durchzuführen. Als der Sohn, der eine Schule für geistig Behinderte besucht, das Kamerateam zum wiederholten Male dazu aufforderte, die Räumlichkeiten zu verlassen, antwortete Int-Veen mit: „Ja. Jetzt entspann dich mal ein bisschen.“
RTL gab als Reaktion auf die von „Bild“ publizierten Artikel bekannt, dass die Wohnungsbesitzerin, die während der hier beschriebenen Dreharbeiten nicht anwesend war, mit selbigen selbstverständlich einverstanden gewesen sei. Auch Int-Veen betonte dies in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“, in dem sie ferner erläuterte, dass auch die Zustimmung der Tochter der Wohnungsbesitzerin zu besagten Dreharbeiten vorgelegen habe. Die Produktionsfirma Imago TV hat ihr Arbeitsverhältnis mit dem zuständigen Schnittproducer mittlerweile aufgelöst.
Doch das ist gar nicht der Punkt: Denn der 17-Jährige, der vom Kamerateam exorbitant gefilmt wurde, war damit offensichtlich nicht einverstanden und wollte partout vor keine Kamera. Hoffnungslos mit der Situation überfordert, floh er schließlich sogar. Int-Veens Reaktion?
Sie forderte ihr Kamerateam auf würdelose Weise dazu auf, ihm zu folgen – jemandem, der offensichtlich nicht gefilmt werden und mit Int-Veen nichts zu tun haben wollte: „Hinterher, Leute. Kommt, kommt, kommt. Bewegt euch. Hopp, hopp, hopp. Der rennt, der rennt, der rennt.“ Die Verfolgungsjagd selbst kommentierte sie dann deutlich hörbar mit „Geil“. Zu diesen Punkten äußerte sich Int-Veen bisher nicht.
Hier geht es – anders als in der Causa Tine Wittler – nicht darum, dass gewisse Szenen der Schere zum Opfer fielen oder zum Zwecke einer dramaturgischen Verdichtung nachgestellt wurden. Hier geht es um eine unverschämte Verfälschung der Sachverhalte und um die Tatsache, dass Int-Veen offensichtlich Menschen gegen ihren Willen in die Öffentlichkeit zerrt und es anscheinend "geil" findet, geistig Behinderten hinterherzujagen. Bleibt die Frage, wer der „Bild“ nun das brisante Videomaterial zugespielt hat: Jemand, der Int-Veen und der Sendung bewusst schaden möchte? Oder vielleicht jemand, der die Machenschaften der Sendung nicht (mehr) mit seinem Gewissen vereinbaren kann?
Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.