Überraschend schnell hat Rupert Murdoch die britische Zeitung «News of the World» eingestellt. Er wollte damit zeigen: Einen solchen Skandal duldet er nicht. Dem Medienmogul geht es dabei um etwas ganz anderes. Er fürchtet vielmehr um BSkyB.
Ein Medienskandal gigantischen Ausmaßes erschüttert derzeit Großbritannien. Im Zentrum dessen: Medienmogul Rupert Murdochs Blatt „News of the World“, eine Wochenzeitung, die schon für etliche Schlagzeilen sorgte. Am Sonntag erschien die letzte Ausgabe des 168 Jahre alten Blattes. Was war passiert? Die Zeitung soll Familien, deren Angehörige im Kriegseinsatz ums Leben kamen, abgehört haben. Angeblich soll ein Privatdetektiv über das brisante Audiomaterial verfügen – die Redaktion von „News of the World“ wurde vergangene Woche als vermeintlicher Abnehmer genannt. Schon zuvor gab es den Verdacht, dass Reporter des Blattes Prominente abgehört hätten. Anfangs zeigte sich die Redaktion ob der erhobenen Vorwürfe empört – konnte diese aber nicht aus dem Weg räumen.
Rupert Murdoch erkannte aber schnell, wie gefährlich die politische Stimmung im Lande ihm werden könnte. Kurzerhand machte er das Blatt dicht – 200 Angestellte sind seit dieser Woche auf Jobsuche. Hinter den Kulissen beratschlagte sich der 80-Jährige am Wochenende mit Sohn James, der den Verwaltungsrat leitete und somit oberster Chef der Zeitung war. James ist auch für die europäischen TV-Aktivitäten von Murdochs Firma News Corp. verantwortlich.
Und das ist der eigentlich kritische Punkt. Murdoch strebt seit Monaten eine Komplettübernahme des florierenden britischen Pay-TV-Senders BSkyB an. Dafür möchte er rund neun Milliarden Euro (also etwa acht Milliarden Pfund) auf den Tisch legen. Nach anfänglichen Bedenken gab die dortige Medienbehörde Ofcom kürzlich grünes Licht für die Übernahme. Finanziell gesehen könnte sich dieser Deal für News Corp schon bald als wahre Goldgrube erweisen. In dieser Woche wollte auch die Politik dieser Übernahme zustimmen – wäre da nicht der riesige Abhörskandal. Die Opposition ist nun strikt gegen eine Komplettübernahme, sie macht Druck auf Premier Cameron – und der scheint sich seiner Entscheidung ebenfalls nicht mehr wirklich sicher zu sein.
Am Dienstag wird die Tageszeitung „Independent“ berichten, dass die britische Regierung Anwälte beauftragt hat, die ausloten sollen, wie eine Komplettübernahme von BSkyB durch Murdoch auch nach dem ersten OK der Ofcom noch zu verhindern ist. Die Ofcom selbst wurde angehalten ihre Empfehlung nach den jüngsten Entwicklungen noch einmal zu überdenken. Möglich ist auch eine Verschiebung der Entscheidung auf September, wie es der britische Kulturminister Jeremy Hunt schon in der vergangenen Woche angedacht hatte. Eine Vertagung wäre zwar sicherlich nicht der Super-Gau für Murdoch, sie könnte den Deal aber nochmals teurer machen. BSkyB zählt über zehn Millionen Kunden – Tendenz stark steigend. Die ungewisse politische Lage gefiel den Börsianern zu Beginn dieser Woche gar nicht – teilweise brachen die BSkyB-Papiere um mehr als sieben Prozent ein. Oppositionsführer Ed Millibrand droht derweil, noch in dieser Woche im Parlament über die Übernahme abstimmen zu lassen – der Ausgang wäre dann recht eindeutig: Camerons Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, will in dieser Frage mit der oppositionellen Labour-Partei stimmen. Premier Cameron hingegen wird nachgesagt, enge und gute Kontakte zum Medienimperium von Murdoch zu pflegen.
Die britische Bevölkerung ruft derweil zum Boykott von Murdoch-Blättern auf. Anzeigekunden, die „News of the World“ die Stange hielten, sollen – so der Aufruf im Internet – mit Mails bombardiert werden. In Deutschland hält Murdochs Konzern knapp 50 Prozent des Bezahlsenders Sky Deutschland – Pläne, diesen ebenfalls komplett zu übernehmen, gibt es aber nicht. Die Sky Deutschland-Aktie lag am Nachmittag rund viereinhalb Prozent im Minus.