Wie aber entstehen die Radio-Quoten? Und welche Zahlen sind für die Sendung noch von Wichtigkeit?
Am Dienstag werden die „Radio-Quoten“ veröffentlicht, also die offizielle Media Analyse Radio II 2011. Diese Hörerzahlen sind die momentan einzig verbindliche „Währung“, um Leistungsdaten unterschiedlicher Medien abzubilden und den Programmmachern ein Zeugnis auszustellen. Dabei hören 79 Prozent der Deutschen täglich Radio – und das dann vier Stunden am Tag. Somit verbringen sie jeden Tag mehr Zeit mit Radiohören als vor dem Fernseher. Sicherlich hat Radio bei einigen den Ruf als Nebenbeimedium. Trotzdem ist Radio das Medium, das zeitlich am dichtesten vor dem Kaufakt genutzt wird, was es für die Werbeindustrie interessant macht - zumal Funkspots günstiger als TV-Spots sind. 76 Prozent der Deutschen hören außer Haus Radio – das ist mobiler Spitzenwert unter allen Medien. Wie bei Fernseh-Einschaltquoten kann man auch bei den „Radio-Quoten“ bis in das kleinste Detail der Statistik gehen. Zweimal im Jahr erscheinen diese Media-Daten und sind damit die Zeugnisse der Radiosender.
Initiiert wird die Media Analyse von der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA). Diese ist ein eingetragener Verein und setzt sich aus Mitgliedern aus Werbeagenturen, Werbungstreibenden oder beispielsweise auch Vertretern der Print-, Online- und Plakatmedien zusammen. Neben der Radio ma werden beispielsweise auch regelmäßig Nutzungsdaten für Fernsehsender, Online-Medien, Plakate oder Print-Medien erhoben. Neben dem Aspekt zu wissen, wie gut die Radiosender ihren Job für die Hörerschaft gemacht haben, sind diese „Radio-Quoten“ vor allem für Privatsender und deren Werbeeinnahmen wichtig. Denn anders als die öffentlich-rechtlichen Sender erhalten diese keinen Cent der GEZ-Gelder. Wie in der Schule erscheinen die Zeugnisse der Radiosender zweimal im Jahr, jeweils im Frühjahr und Sommer. Die ausgewiesenen Reichweiten sind Grundlage für die Preislisten-Gestaltung der Medien. Gemäß des Grundsatzes von Angebot und Nachfrage steigt der Preis eines Mediums in der Regel bei einer Reichweitensteigerung, bei einer Verringerung der Nutzer sinkt der Preis. Daher ist die zweite ma des Jahres eine Art „Versetzungszeugnis“, da sich die neuen Werbepreise für 2012 nach diesen Hörerzahlen festsetzen. Die nächsten neueren Hörerzahlen erscheinen erst wieder im März 2012. Entsprechend wichtig sind die aktuellen Reichweiten für die Vermarktung der Sender sowie für mögliche Veränderungen im Programm.
Da es – wie auch bei der Erhebung der TV-Quoten – technisch nicht möglich wäre, jeden Deutschen zu seinen Hörgewohnheiten zu befragen, findet eine repräsentative und bundesweite Befragung mittels Telefoninterviews statt. In zwei Befragungszeiträumen, sogenannten „Feldzeiten“, die meist von Januar bis Ostern im April sowie von September bis Weihnachten im Dezember dauern, werden jedes Jahr fast 65.000 Interviews von unabhängigen Marktfoschungsinstituten durchgeführt. Bei jeder „ma“ fließen jeweils eine Frühjahrs- sowie eine Herbst-Feldzeit mit ein, damit die Daten möglichst genau sind. Die aktuellen Befragungszeiträume der ma Radio II 2011 strecken sich somit beispielsweise von September 2010 bis Ostern 2011 mit einer kleinen Weihnachtspause dazwischen. Die Auswahl der Befragten sowie die Hochrechnung der Daten entspricht repräsentativ der deutschen Bevölkerung gemäß offiziellen Daten des Statistischen Bundesamtes. Dementsprechend werden Faktoren wie Alter und Familienstand aber auch Haushaltsgröße und Einkommen berücksichtigt, damit aus allen Alters- und Einkommensgruppen ein repräsentatives Abbild Deutschlands abgefragt wird.
Die Befragten informieren den Interviewer über den Ablauf des Vortags und den Hörern gestern. Hierzu zählen alle Personen, die im Tagesablauf während mindestens eines vorgegebenen Zeitabschnitts von 15 Minuten Radio gehört haben, und sei es auch nur für ein paar Minuten. Daraus schlussfolgend werden dann die Hörer am Tag hochgerechnet. Die „Hördauer in Minuten“ wird programmbezogen gebildet aus der Summe der gehörten Viertelstunden in Minuten und anschließender Division durch die Gesamtzahl aller Befragten. Die „Verweildauer“ in Minuten gibt an, wie lange es den Programmmachern gelungen ist den Hörer im Durchschnitt gehalten zu haben. In einem sehr komplexen mathematischen Prozess lassen sich also aus den Angaben der Befragten zu ihrer Mediennutzung in der Vergangenheit die Wahrscheinlichkeiten ihrer zukünftigen Nutzung berechnen. Der Statistiker spricht von sogenannten „p-Werten“, also das englische „probability“ für Wahrscheinlichkeit.
Anders als beim Fernsehen gibt es also kein tagesaktuelles Feedback über die Mediennutzer. Das Nutzungsverhalten beim Radio gilt aber auch als nicht so sprunghaft wie beim Fernsehen. Die Radio-Mediadaten sind dafür genauer. Zum Vergleich: Aus 5640 repräsentativen Haushalten Deutschlands, in denen fast 13.000 Personen leben, werden die TV-Einschaltquoten hochgerechtet. Beim Radio werden bundesweit fast 65.000 Interviews geführt, die für knapp 74 Millionen deutschsprachige Einwohner ab zehn Jahren erhoben werden. Dabei gelten TV-Quoten als annähernd so genau wie repräsentative Wählerumfragen. Aktuell gibt es noch kein Messsystem, das den Radiomachern ein schnelleres Hörer-Feedback geben kann – so wie die „Quotenboxen“ der GfK.
Zu den wichtigsten Fragen der Radionutzung zählt, wie lange welcher Sender wann und wie lange gehört wurde sowie die „Qualität“ der Hörer, also Faktoren wie beispielsweise Alter, Schulbildung oder Einkommen. Letzteres ist vor allem für die Werbeindustrie interessant, um gegebenenfalls bewusst bei Sendern zu werben, die besonders kaufkräftige Hörer vorweisen können. Dementsprechend können – ähnlich wie bei TV-Einschaltquoten – die Nutzer bis in das kleinste Detail analysiert werden: Wie viele Hörer hat welcher Sender in einer Durchschnittsstunde? Welche Zielgruppen wie die TV-bekannte werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen hört wann und wie lange welchen Sender? Spannend ist auch der Marktanteil der Hörfunkprogramme, also wie groß der prozentuale Anteil der Hördauer des Senders an der Hördauer aller Sender in einem Sendegebiet ist. Der wichtige „weiteste Hörerkreis“, gibt an, wie viele Hörer ein Programm innerhalb der letzten zwei Wochen in mindestens einer werbeführenden Stunde gehört haben. Dieser „weiteste Hörerkreis“ ist für Werbefunk-Kampagnen wichtig, da die maximal möglichen Hörer des Programms analysiert werden. Ausgewiesen werden die Hörerzahlen einmal für die Arbeitswoche Montag bis Freitag sowie für Samstag und Sonntag am Wochenende, da die Hörgewohnheiten in der Arbeitswoche durch früheres Aufstehen und zur Arbeit fahren etc. anders ist als beispielsweise am Wochenende, wo die Menschen meist später aufstehen oder am Samstagvormittag beispielsweise ihren Wocheneinkauf tätigen. Auf diese Lebensgewohnheiten sollen diese Daten Rücksicht nehmen. Anders als beim Fernsehen, wo 20.15 Uhr als Primetime gilt, hören die meisten Menschen vor allem morgens Radio. Dementsprechend gelten die Morning-Shows der Radiosender als Primetime, wo in der Regel die größte Aufmerksamkeit der Programmplaner liegt.
Je stärker der Sender ist, desto mehr und weiter entfernt lebende Personen werden erreicht – somit ist die maximale technische Reichweite automatisch fix definiert. Somit ist der Marktanteil aussagekräftiger als die absolute Hörerzahl. Denn logischerweise kann ein Sender mit größer technischer Reichweite mehr Menschen erreichen als einer mit einer kleineren Sende-Watt-Anzahl. Die Nettoreichweite gibt die Zahl der Hörer an, die mit einem oder mehreren Radiosendern – beispielsweise in den letzten beiden Wochen - mindestens einmal Kontakt hatten. Mehrfachkontakte bleiben dabei aber unberücksichtigt. Bei Bruttoreichweite spielt die Kontakthäufigkeit mit dem Medium die entscheidende Rolle. Hier werden alle Mehrfachkontakte addiert. Die Werbeindustrie kann damit erkennen, wie viele unterschiedliche Menschen seine Spots gehört hat und auch wie häufig mögliche Konsumenten erreicht wurden.
Fest steht, dass die Deutschen mit 251 Minuten täglich mehr Zeit mit dem Radio als mit dem Fernseher verbringen, was die Radiosender im Lande freuen kann. Dieser Dienstag ist für die Radiosender also ein ganz besonderer Tag – Tag der Zeugnisse.