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Lippi zur Gottschalk-Nachfolge: 'All zu viele Gute gibt's nicht'

Wolfgang Lippert hat kürzlich seine Autobiographie „Lippi-Bekenntnisse – Unverblümte Plaudereien über ein authentisches Leben“ (erschienen bei „Integral“) herausgebracht. Außerdem feiert seine ehemalige Sendung «Wetten, dass..?» in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum. Der Entertainer über seinen Karrierebeginn, das DDR-Fernsehen, seine Sicht auf den Show-Klassiker und die (eigene) Zukunft.

Herr Lippert, normalerweise bringen Künstler ihre Autobiographien erst gegen Ende oder nach ihrer aktiven Karriere heraus. Sie sind aber noch nicht mal 60. Wieso dann jetzt schon das Buch?
(lacht) Ja, da haben Sie recht. Die Sache ist etwas andersherum entstanden: Ich war zu Gast bei Frank Elstner in der Sendung «Menschen der Woche» und mit mir war Rudolf Wötzel in der Sendung eingeladen, der kürzlich ein Buch geschrieben hat, „Über die Berge zu mir selbst“. Der hatte wahnsinnig viel Lampenfieber vor diesem Auftritt. Dann habe ich ihn ein bisschen getröstet. Sein Auftritt war dann hervorragend und danach rief sein Verleger an, um ihn zu loben, wie gut er war und sagte dann noch „Dieser Wolfgang Lippert da, der nach Ihnen dran war, den würde ich gerne mal kennen lernen.“ Daraufhin haben wir uns getroffen, der Verleger und ich in Berlin, und es war relativ schnell klar, dass wir ein Buch machen werden. Das ist jetzt ein gutes Jahr her. So lange habe ich an der Biographie gearbeitet und hatte dramaturgische Hilfe vom Verlag. Aber ich hatte auch schon Vorarbeit geleistet, denn für eine Show-Idee hatte ich schon katastermäßig eine Kartei mit Erlebnissen geschrieben.

In dem Buch machen Sie bei der Beschreibung Ihrer Laufbahn des Öfteren Vergleiche zwischen dem DDR-Fernsehen und dem West-TV. Wenn Sie das mal kurz beschreiben müssten: Was waren denn die größten Unterschiede zwischen den beiden Systemen?
Es gab eigentlich gar nicht so gravierende Unterschiede, mal abgesehen von den politischen Sendungen. Was den Unterhaltungsbereich anbetrifft, gab es ebenso im Westen wie im Osten große Unterhaltungsshows, die redaktionell erarbeitet wurden. Das war relativ ähnlich, wenngleich die Leute im Osten viel aufmerksamer beobachtet haben, was die da im Westen machen, als die vom Westen in den Osten geguckt haben.

Und wenn Sie diese beiden Fernsehversionen mit dem gesamtdeutschen TV dieser Tage vergleichen…?
Dadurch, dass die Fernsehsender eine andere Anzahl angenommen haben und es Privatsender gibt, die unter ganz anderen Umständen und Prämissen Fernsehen machen, hat sich der Alltag absolut verändert: Es ist schneller geworden, es ist hier und da beliebiger geworden, die zu teuren großformatigen Dinge sieht man eher seltener. Das ändert sich wie in der Mode, mal sind kurze Röcke modern, mal längere.

Vor Ihrer Fernsehzeit sind Sie als Helfer bei bekannten Bands in der DDR angefangen, hatten dann selbst Ihren Durchbruch-Hit mit «Erna kommt» und sind auch noch heute bei den Störtebeker-Festspielen singend tätig. Wäre Ihre Laufbahn ganz anders verlaufen, wenn Sie immer im Musikgeschäft geblieben wären?
Durchaus. Ich habe Musik studiert und das kam nicht ganz von ungefähr, weil mein Vater ein eigenes Orchester hatte und meine Mama mehrere Instrumente spielt. Mein Vater lebt nicht mehr, meine Mama lebt noch, ist 91 Jahre alt und wir musizieren auch hin und wieder mal zusammen. Das ist einfach eine schöne Grundlage gewesen, damit anzufangen. Eigentlich war alles auf Gesang programmiert, aber dadurch, dass ich in einer Kindersendung eingeladen war, dort gesungen habe und mich mit den Kindern so blendend verstanden habe, fragte mich die Regisseurin, ob ich mir denn nicht vorstellen könne, diese Kindersendung zu moderieren. Und das war mein Anfang beim Fernsehen und die Musik wurde mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt.

Würden Sie denn im Nachhinein sagen, dass das schade war?
Och nee - ich finde ja, dass die Summe irgendwie ganz interessant ist. Wenn man sich mal eine Entertainer-Karriere anguckt, dann sind das ja meistens Leute, die auch singen können und geschauspielert haben.

Kommen wir zu der Sendung, die Sie dann im gesamtdeutschen Fernsehen wohl am bekanntesten gemacht hat: «Wetten, dass..?» feiert 30-jähriges Jubiläum in diesem Jahr. Los ging es 1981 mit Frank Elstner. Was haben Sie damals in der DDR von dem Start überhaupt mitbekommen?
Ehrlich gesagt kann ich mich an diesen Start nicht erinnern. Die erste Sendung habe ich nicht gesehen, also jedenfalls nicht damals, sondern viel später mal aus dem Archiv und das war schon irgendwie komisch anzuschauen, wie «Wetten, dass..?» in seinen eigenen Kinderschuhen aussah und welche Prioritäten man setzte und wie das alles so aussah. Aber toll! Das finde ich toll, wenn eine Sendung so lange treue Zuschauer hat und einen Sender, der das auch trägt.

Wann haben Sie die Sendung denn dann zum ersten Mal selbst gesehen?
Also ich habe in den 80er Jahren natürlich geguckt und kann mich auch noch an Folgen mit Frank erinnern. Das hat uns alle, die wir im Osten Fernsehen gemacht haben, immer interessiert: Die ganz große Bühne, die europaweite Sendung.

Den Wechsel von Elstner zu Gottschalk 1987 haben Sie wie bewertet?
Das war ein spannender Moment, dass da eine Stilistik wechselte und dass da ein anderer kam, bei dem die Fernsehnation auch erstmal ein Fragezeichen über dem Kopf hatte, ob der ihnen nicht doch zu frech ist oder zu schräg oder zu anders. Aber glücklicherweise hat sich ja dann alles so entschieden, dass Thomas Gottschalk schon die in der Geschichte prägende Figur war.

Wäre so ein andersartiger Gottschalk denn damals in der DDR wohl ganz anders angekommen? Man sagte ja schließlich auch immer: „Der Gottschalk ist der Wolfgang Lippert des Westens“…
(lacht) Also das ist schon wirklich lustig. Ich sag mal so: Wir haben damals eine einigermaßen kesse Lippe riskiert, waren vielleicht im Osten etwas stärker unter Beobachtung, aber so war damals die Zeit, dass man aus dem etwas staatstragenden Fernsehen ins lockere Fach wechselte.

1992 kamen Sie dann auch als Nachfolger von Gottschalk zu «Wetten, dass..?». Wie passierte das denn?
Also ich habe es von 1992 bis 1994 gemacht. Das waren insgesamt neun Sendungen und ich bin ja stolz darauf, dass ich damals die Quoten gehalten habe. Aber die Fernsehzeit war eben noch eine andere. Die Privaten haben sich noch nicht an die heilige Kuh Samstagabend getraut.

Und weil Sie mich fragten wie ich dazu gekommen bin: Ein Redakteur der „Bild“-Zeitung erzählte mir in Leipzig bei der Produktion von «Glück muss man haben», also meiner Samstagabend-Show, dass «Wetten, dass..?» wohl frei würde. Mehr hat er nicht gesagt. Und ich hatte zum damaligen Zeitpunkt für das ZDF schon diverse größere Sendungen moderiert. Immer solche Events wie «500 Jahre Post» o.ä. und war da schon bekannt, aber eben noch nicht mehr. Mit der Information des „Bild“-Redakteurs bin ich dann, als ich wieder in Mainz war, in das Büro meines damaligen Unterhaltungschefs Wolfgang Neumann gegangen und habe zu dem wirklich in meinem jugendlichen Leichtsinn gesagt: “Hör mal zu: Ich habe gehört, «Wetten, dass..?» wird frei. Falls du keinen findest, der das macht: Ich würde es machen.“, habe mich elegant auf meinen Hacken umgedreht, die Tür zufallen lassen und gedacht: “Na, mal gucken, was passiert…“ Und dann war es eben wirklich so. Ich hätte es nie für möglich gehalten. Es haben natürlich noch mehrere Leute mit entschieden und es war wohl nicht mein Angebot, was der Auslöser war, aber es ist auf jeden Fall von mir ausgehend passiert.

Das ist ja schon eine Parallele zu Hape Kerkeling, der ja auch bisher „nur“ Event-Sachen im ZDF präsentiert hat und im Zweiten noch nichts Regelmäßiges hatte. Wie wahrscheinlich halten Sie denn Hape als Nachfolger von Gottschalk?
Also ich muss mal vorausschicken, dass ich dieser Sendung alle Daumen drücke – unabhängig von der Moderatorenfrage. In den Umfragen absolut die Nase vorn hat Hape Kerkeling. Meine persönliche Meinung ist, dass er auch jemand wäre, der diese großen Widersprüchlichkeiten und Erwartungen erfüllen könnte. Einfach durch die große Beliebtheit, die er hat, seine Professionalität und eine große Akzeptanz über viele Generationen hinaus. Ich selber bin auch totaler Hape-Kerkeling-Fan und wir haben ja interessanterweise bei Radio Bremen gemeinsam angefangen. Also ich kenne ihn recht gut. Wir haben damals im Nachbarstudio produziert und waren immer unsere gegenseitigen Überraschungsgäste.

Seine Sendung hieß «Total normal» und meine Sendung hieß «Stimmts?». Also der ist ein Feiner. Ich glaube, du musst entweder ein absolut neues Gesicht haben, das die Chance hat, die Show auf seine Art zu prägen, ne andere Generation ist, einen anderen Zugriff hat oder einen, der so viel Wucht hat wie Hape. Also ich wäre auch ein Hape-Voter.

Nochmal kurz zurück zu Ihrer «Wetten, dass..?»-Zeit: Es gibt ja Vor- und Nachteile bei der Präsentation einer solch großen Show. Was haben Sie auf beiden Seiten erlebt?
Also die Dimension war für mich ein großer Vorteil. Das konnte mir keine andere Sendung bieten. Es war ein hervorragendes Team, mit dem ich arbeiten durfte. Der Kontakt mit Weltstars und tollen Kandidaten, das hat mich immer beeindruckt. Das war auch mein Grund damals zu sagen, die Sendung ist noch lange nicht tot, denn Thomas Gottschalk sagte ja mal - als er dann zu RTL ging - dass er glaubt, dass man mit LKWs die man auf Bierkästen stellt keine Fernsehsendung mehr aufbauen kann. Das hätte sich erschöpft. Der Meinung bin ich heute noch nicht mal. Nachteil war eigentlich nur, dass ich nach meinem zweijährigen Gastspiel dort von großen Teilen der Öffentlichkeit als Verlierer gehandelt wurde. Das finde ich auch unfair. Aber ich bin im Nachhinein stolz, dass ich einer der drei Herren war, die die Show präsentieren durften.

In Ihrer «Wetten, dass..?»-Premiere im September 1992 haben Sie zu Beginn der Sendung die Showtreppe übersprungen, sozusagen der „Sprung ins Ungewisse“. War das eine spontane Idee oder von langer Hand geplant?
Das war eine ganz spontane Entscheidung. Ich hatte logischerweise sehr sehr viel Druck und kurz vorher hat mir noch die Regieassistentin Sandra ein ganz kleines Glücksschwein in die Hand gedrückt. Das habe ich in die Tasche gesteckt und war so voller Tatendrang, dass ich wirklich so viel Schwung hatte, dass ich die Treppen nicht hätte nehmen können. Da bin ich einfach losgesprungen und bin glücklicherweise nicht hingefallen. Dann wäre ich vielleicht in die Geschichte eingegangen, aber der Sprung war auch OK.

1994 kam Gottschalk dann wieder. Es heißt in manchen Quellen, dass er Sie in seiner Comeback-Sendung mit keinem Wort erwähnt hätte. Stimmt das wirklich und was halten Sie davon?
Ich weiß es auch nicht. Aber wenn es dann wirklich so war, ist es unhöflich.

Auch Stefan Raab hat Sie des Öfteren schon mal durch den Kakao gezogen…
Den finde ich übrigens sehr gut, weil er ein hoch professioneller Arbeiter ist und ein fleißiger. Ich kenne ihn persönlich und ziemlich lange. Der Junge hat einfach seine Spur gefunden und er hat einfach ein Stück Fernsehgeschichte bisher geschrieben. Der hatte mich ganz oft auf der Latte, aber da bin ich nicht so böse, weil ich glaube, diese Aufmerksamkeit – selbst wenn man sie in der Satire bekommt – ist ein Zeichen von Popularität. Die Menschen haben natürlich etwas mehr Spaß daran, wenn sich die Promis gegenseitig durch den Kakao ziehen. Für seine Art ist das schon richtig. Allerdings haben wir das auch mal umgedreht: Ich kann mich an eine Sendung erinnern, die eine frühe von ihm war. Und waren zu Gast Hella von Sinnen und ich. Stefan war so wie immer, sehr frech. Das Publikum war eingestimmt wie immer: Der Stefan macht Witze über seine Gäste und wir lachen uns tot. Die Gäste sind immer etwas blöd. Und wir beide, Hella und ich, haben dem so eingeheizt, dass sich das Publikum langsam umdrehte und sich total gewundert hat. Also wenn man austeilt, muss man auch einstecken können.

Nach Gottschalks letzter «Wetten, dass..?»-Show wird die Sendung erstmal ein halbes Jahr pausieren, um am Konzept verändert zu werden. Was würden Sie da vorschlagen?
Wenn der Name bestehen bleiben soll, dann muss ja auf jeden Fall die Wettsituation bestehen bleiben. Dass man sich Paten dazu nimmt, ist letztendlich auch in Ordnung. Jetzt kommt es eben darauf an, dass entweder eine andere Persönlichkeit einen anderen Habitus in die Dinge bringt. Denn wenn man die Zutaten nicht ändert, ist die Moderation die Würze an den Zutaten. Und die Würze kann schon eine ganze Menge erzeugen. Ansonsten ist es für mich schwer zu sagen, wie es mit der Sendung weitergehen soll. Da würde ich mich mal lieber charmant zurückhalten, weil das wirklich in der absoluten Herrschaft des ZDF liegt.

Es bleibt nur noch die Frage, lässt man einen Moderator oder lässt man mehrere ran. Mal macht’s der, mal macht’s der. Es gab ja früher in der DDR «Ein Kessel Buntes» und interessant war an diesem Format, dass der immer einen Moderator hatte, der nicht unbedingt hauptberuflich ein Moderator war, ein Mann oder eine Frau, die gerade in der öffentlichen Aufmerksamkeit standen. Die wurden so lange gecoacht, dass sie eines Tages vor das große Samstagabendpublikum traten und sagten „Guten Abend!“. Das fand ich auch ganz reizvoll.

Zeigt die aktuelle Lage, wie schlecht es momentan um die deutsche Fernsehlandschaft bestellt ist, wenn wir nur so wenig in Frage kommende Gottschalk-Nachfolger haben?
Ja, da ist was dran. Allzu viele Gute gibt´s nicht. Aber so ist das immer. Die wachsen nicht an den Bäumen. Dieses gesamte Umfeld des Showbusiness in Deutschland ist natürlich auch recht dünn geworden: Es gibt kaum noch Theater mit einem eigenen Ensemble, es gibt nicht allzu viele Möglichkeiten, wo sich Menschen improvisieren können. Im Radio wird es eng. Es ist durch die Formatierung die Moderation an vielen Stellen in den Hintergrund gerückt.

Frank Elstner hat ein schönes Zitat über Sie gebracht, welches auch auf dem Klappentext Ihres Buches steht: „Wolfgang Lippert ist vielleicht der am meisten unterschätzte Entertainer und Moderator Deutschlands. Ich könnte mir vorstellen, dass er noch einmal die ganz große Überraschung für uns alle liefert.“ Wann bekommen wir denn endlich diese Überraschung zu sehen? Wir wissen ja, dass der Lippi «Wetten, dass…?» nicht mehr machen will…
Ich freue mich über die prophetischen Worte und bin selber gespannt. (lacht)Man muss Dinge auch auf sich zukommen lassen können, aber man muss auch selber dabei bleiben. Also ins Haus bringt einem keiner die große Karriere. Das hat auch immer mit Fleiß, Umsicht und guter Vernetzung zu tun. Wir betreiben ja auch Mannschaftssport. Und man ist immer nur so schnell wie der Langsamste. Also ich bin mit meinem Schicksal sehr zufrieden.

Wir wünschen Ihnen viel Glück und uns, dass Sie bald wieder mal regelmäßig im Fernsehen zu sehen sind….
…wir können ja schon alleine den Frank Elstner nicht enttäuschen…! (lacht)

Danke für das nette Interview, Herr Lippert.
18.06.2011 19:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/50267
Gregor Elsbeck

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Lippert Wetten dass..?

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