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Quotenstarke Fußball-Weltmeisterschaften – Sommermärchen Reloaded?

Genau 350 Tage nach dem WM-Finale 2010 startet demnächst die Frauen-Fußball-WM. Zuvor blicken wir zurück auf die WM in Südafrika - eine Zeit, in der Quotenrekorde purzelten.

In einer Woche beginnt die Frauen-Fußballweltmeisterschaft in Deutschland. Genau 350 Tage nach dem Finale der Herren 2010 greifen die Damen nach dem erneuten Sommermärchen. Vor einem Jahr übertreffen die WM-Einschaltquoten sogar die der WM 2006 in Deutschland. Das Quotenmärchen der übertragenen Sender erreicht den TV-Höhepunkt der Fußballbegeisterung im Halbfinalspiel Deutschland gegen Spanien mit bis zu 31,96 Millionen Zuschauern, was bis zu 84,7 Prozent des Fernsehpublikums entspricht. Damit übertrumpft man den bisherigen Quotenrekord der WM im eigenen Land 2006: Beim Halbfinalspiel Deutschland gegen Italien sehen in der Spitze 31,31 Millionen Fans zu. Die Einschaltquoten können damit einen neuen Rekord aufstellen. Dieser ist auch der neuen Quotenerfassung zuzuschreiben, bei der zusätzlich Zuschauer registriert werden, die außer Haus beispielsweise bei Freunden fernsehen. Letztlich fiebern sogar noch mehr Fans mit, da die zahlreichen Zuschauer bei Public Viewing-Events nicht erfasst sind. Für die deutsche Nationalmannschaft reicht es trotz Fanbegeisterung 2010 nicht zum Titel. Erstmals streamen die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF die WM-Spiele 2010 zusätzlich online, was vor allem bei früheren Sendezeiten während der klassischen Arbeitszeiten viele Berufstätige nutzen. Auch der Pay-TV-Sender Sky überträgt alle Spiele live.

Neben den schrillen Tönen der Vuvuzela erreicht Krake Paul im vergangenen Sommer große Medienbekanntheit. Das Vuvuzela-Blasinstrument gilt als ein Symbol des südafrikanischen Fußballs. Der Ton klingt wie der eines Hornissen-Schwarms und stößt bei europäischen Ohren eher auf Ablehnung. Mittlerweile hat diese Tröte Stadionverbot bei zahlreichen Bundesliga-Clubs. Die TV-Sender testen zur WM 2010 Audiofilter, welche den Atmo-Ton der TV-Übertragungen „Vuvuzela-frei“ machen sollten. Das „Kraken-Orakel“ tippt während der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 den Ausgang aller WM-Spiele mit deutscher Beteiligung sowie das Finale richtig. Pauls Tipp zum Halbfinalspiel Deutschland gegen Spanien wird von mehreren Fernsehsendern live übertragen. Auch ausländische Medien berichteten. Das „Kraken-Orakel“ wird zum geflügelten Wort. Im Oktober 2010 verstirbt Krake Paul.

Im Stadion verfolgen durchschnittlich 49.670 Fans die Spiele. Offiziell sind 97 Prozent der verfügbaren Tickets für die Partien verkauft. Dennoch bleiben bei einigen Spielen zahlreiche Sitzplätze leer, was auch die TV-Zuschauer im Hintergrund deutlich sehen. Im Vorfeld der WM machen kritische Schlagzeilen die Runde, da viele Fans an der Sicherheit im Gastgeberland zweifeln. Südafrika zählt zu den Ländern mit einen der weltweit höchsten Kriminalitätsraten. Auch Korruptionsvorwürfe beim Bau der Stadien werden lauter. Dennoch scheint das Sicherheitskonzept aufzugehen, sodass die Probleme des Gastgeberlandes die sportlichen Aspekte nicht negativ überschatten, wie Experten im Vorfeld befürchteten. Später klagen einzelne Fernsehteams aber dennoch darüber, sich nur sehr selten außerhalb der bewachten Räume bewegt zu haben.

Auch der Privatsender RTL freut sich über Spitzenquoten zwischen 9,7 und 13,5 Millionen. Da man aber keine TV-Rechte an den deutschen Partien erhielt und somit an die Allzeit-Quotenrekorde nicht anknüpfen durfte, kam es zu einer kuriosen Medienmeldung: Trotz WM-Hype kürzten die Kölner die Vorberichterstattung von Jauch und Klopp aufgrund des „Überangebots“ an WM-Sendungen, wie es offiziell heißt. Trotzdem überholt RTL erstmals seit 2003 in der 2010er-Jahreswertung die ARD in der Zuschauergunst – trotz ARD-Quotenbringer wie WM-Nationalspiele mit deutscher Beteiligung und Olympische Winterspiele. Am Ende feiert Spanien seinen ersten WM-Titel. Deutschland stellt mit Thomas Müller den Torschützenkönig.

Im Vergleich dazu stehen die Fußballerinnen bislang medial eher im Abseits, sodass sowohl die Ticket- als auch die Werbenachfrage verhaltener ausfällt als bei der WM 2010. Das Champions League-Finale der Frauen zwischen der 1. FFC Turbine Potsdam und Olympique Lyon schalten Ende Mai 2,81 Millionen Zuschauer ein und sorgen damit für unterdurchschnittliche 10,1 Prozent Marktanteil. Der ZDF-Senderschnitt liegt bei 12,5 Prozent. Bei den 14- bis 49-Jährigen reicht es für 4,7 Prozent. Besser läuft es für die Frauen-Nationalmannschaft aus Quotensicht beim WM-Vorbereitungsspiel gegen die Niederländerinnen Anfang Juni: Die ARD erzielt zufriedenstellende 12,8 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen. Somit wächst die Hoffnung auf gute Zuschauerzahlen. Auch das letzte Vorbereitungsspiel läuft gut: 5,77 Millionen sehen die ZDF-Übertragung, bei den jungen Zuschauern sind 11,1 Prozent dabei. Deutschlands Fußballfrauen sind laut Statistik mindestens so erfolgreich wie ihre männlichen Kollegen. Seit ihrer ersten WM-Teilnahme 1995 gewannen sie zweimal den Weltmeisterschaftstitel sowie sieben Mal die Europameisterschaft. Bald könnten sie Weltmeisterinnen im eigenen Land werden. Dennoch findet die WM 2011 und das DFB-Team um Trainerin Silvia Neid im Vergleich zum Männerfußball in den Medien bisher eher wenig Beachtung. Doch der DFB scheint bemüht, die mediale Präsenz zu verstärken – ob im TV oder auch Print-Bereich: Die Frauen-Zeitschrift „Brigitte“ ist seit November offizieller Medienpartner des DFB. Im Rahmen dieser Kooperation soll die Zeitschrift „neue, ungewöhnliche und exklusive Perspektiven auf den Fußball“ werfen. Der DFB will damit die Fußballerinnen besser vermarkten und ein „attraktives, weibliches Image“ aufbauen, das möglichst nach der WM erhalten bleiben soll. Unter dem Motto „20elf von seiner schönsten Seite“ ist es die erste Weltmeisterschaft, die im Land des Titelverteidigers ausgetragen wird. Offiziell zielt der DFB bei dem Slogan auf die Schönheit des Spiels. Experten sehen dabei auch eine zweideutige Anspielung auf die Attraktivität der Damen als geschickt platzierter medialer Mehrwert neben den sportlichen Höchstleistungen. Schließlich soll der Frauenfußball in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden – auch von Fußballuninteressierten.

Vom 26. Juni bis 17. Juli 2011 kämpfen 16 Teilnehmerländer um den Titel. ARD und ZDF übertragen 28 der 32 Partien live. Die restlichen vier Begegnungen sendet Einsfestival bzw. der ZDFinfokanal. Auch Eurosport/Sky überträgt die komplette WM live. 2011 könnten die Damen den Deutschen ein neues Sommermärchen bescheren. Die Vorbereitungsspiele kamen an die Spitzen der Einschaltquoten der männlichen Partien bislang noch nicht heran. Krake Paul hätte den Ausgang vermutlich schon heute gewusst. Auf ein neues Sommermärchen 2011.
17.06.2011 09:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/50245
Benjamin Horbelt

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Fußball Weltmeisterschaft

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