US-Kinobesucher werden des 3D-Effekts überdrüssig. Ist die Zukunft des 3D-Kinos gesichert, oder neigt sich der Boom seinem Ende?
Der Versuch, im Kino eine gelungene Illusion der dritten Dimension zu erzeugen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Filmgeschichte. 3D-Filme kamen und gingen. Der letzte wirklich erfolgreiche 3D-Boom fand in den 50er Jahren statt, als Filme wie «Das Kabinett des Professor Bondi», «Gefahr aus dem Weltall» oder Hitchcocks «Bei Anruf Mord» die Kinogänger nötigten, bunte Pappbrillen zu tragen. Letztgenannter Film lief jedoch hauptsächlich nur noch in 2D-Vorführungen, weil der 3D-Trend wieder nachließ. Dieses goldene 3D-Zeitalter betrug rund drei Jahre.
Wann genau das aktuelle 3D-Zeitalter begann, muss noch ausdiskutiert werden. Die grundlegende, digitale 3D-Technik wird schon länger genutzt und die 3D-Einsätze von Robert Zemeckis’ «Der Polarexpress» (2004 + jährliche Wiederaufführungen bis 2008) oder die 3D-Wiederaufführungen von «Nightmare before Christmas» (2006 bis 2009) waren nicht gerade uneinträglich. Trotzdem dürften die meisten Kinobesucher erst 2009 der neuen Technologie begegnet sein, sei es in den Animationsfilmen «Coraline», «Oben» und «Ice Age 3» oder spätestens in James Camerons Epos «Avatar». Somit nähert sich der 3D-Trend langsam seiner Halbwertszeit von drei Jahren.
Angesichts des weltweiten Erfolgs von in 3D gestarteten Filmen wie «Thor» (derzeit 429 Millionen Dollar), «Rio» (derzeit 461 Millionen Dollar) und «Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten» (derzeit 815 Millionen Dollar) scheint der jüngste 3D-Trend langlebiger zu sein. Und dennoch baut sich in Hollywood langsam eine Untergangsstimmung auf. Droht 3D der nächste Schwanengesang?
Einer der Auslöser dieser pessimistischen Grundstimmung ist ausgerechnet das immens erfolgreiche vierte Kinoabenteuer von Captain Jack Sparrow. Denn ganz unabhängig davon, dass «Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten» auf bestem Wege ist an der legendären Milliarden-Dollar-Grenze zu kratzen, sorgt er für einiges Kopfzerbrechen bei 3D-Unterstützern. Am US-Startwochenende wurden nur 46% der Einnahmen über 3D-Vorstellungen generiert, obwohl der Film einen neuen Rekord für die meisten IMAX-3D-Kopien aufstellte. In der Folgewoche sahen sich nur 45% der US-amerikanischen «Kung Fu Panda 2»-Besucher die Trickfortsetzung in 3D an. An ihrem zweiten US-Wochenende verlor «Kung Fu Panda 2» 50% seiner Zuschauer und der 3D-Anteil nahm weiter ab. Somit wurde mit zwei Blockbustern hintereinander das ungeschriebene 3D-Gesetz gebrochen, dass die 3D-Versionen stets erfolgreicher als die 2D-Vorführungen sind.
Im kommerziell orientierten Hollywood ziehen solche Zahlen sofortige Konsequenzen nach sich. Die im Vergleich zu anderen Dreamworks-Produktionen schlechten US-Zahlen von «Kung Fu Panda 2» führten dazu, dass der Aktienwert des Trickstudios sofort einbrach. Noch schlimmer erging es in den letzten Wochen dem Unternehmen RealD, dem führenden Kinoausstatter für 3D-Technik. Seit dem 19. Mai sank der Marktwert von RealD-Aktien um 41,3%. Wohlgemerkt: Im letzten Quartal verbuchte RealD einen Profit, der sämtliche Erwartungen überbot. So weit reicht das Gedächtnis in der Finanzwelt aber nicht zurück. Die während einer Firmenkonferenz getätigten Beteuerungen von RealDs CEO Michael Lewis, zwei Filme bedeuteten noch längst keinen Abwärtstrend für 3D, wussten die Investoren nicht zu besänftigen. Auch die Aktien von Kinoketten wie Cinemark leiden unter dem dahinschwindenden 3D-Trend und einem finanziell generell enttäuschenden US-Start.
Totsagen sollte man 3D trotzdem nicht. Marktanalysten erklären, dass der anfängliche Enthusiasmus der US-Kinogänger zwar verschwunden sei, er jedoch sporadisch für bestimmte Filme zurückkehre. Statt jeden 3D-Film als Event zu betrachten, würden sich US-Kinogänger einhergehender damit beschäftigen, ob sich der 3D-Zuschlag bei den Filmen lohnen würde. Als Wendepunkt wird
«Kampf der Titanen» genannt. Der Abenteuerfilm wurde für seine schrottige 3D-Konvertierung heftig kritisiert, sowohl von Kritikern und dem Publikum, als auch seitens Hollywood.
Jeffrey Katzenberg, der CEO von Dreamworks Animation, sprach erst kürzlich mit der britischen Zeitung
The Guardian und kritisierte konkurrierende Hollywood-Studios für das zerrüttete Image der 3D-Technik. Schwache 3D-Konvertierungen, die eher an Pop-Up-Bücher als an voll ausgereifte 3D-Illusionen erinnerten, hätten im Publikum Misstrauen gesät.
International scheint sich 3D dagegen besser zu schlagen. Während sich auch in Deutschland langsam eine 3D-Müdigkeit breit macht, brechen 3D-Filme in anderen Ländern wie Russland und China weiterhin einen Rekord nach dem anderen. RealD vermeldete kürzlich, dass 49% seiner Standorte außerhalb der USA liegen, diese aber für 55% des Gewinns verantwortlich seien. Und in den USA mag 3D im Moment zwar nicht mehr der große Geldesel sein, die Publikumszufriedenheit ist dagegen gar nicht einmal so übel: Marktforschungsumfragen ergaben, dass 81% der 2D-Besucher von «Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten» den Film weiterempfehlen würden, nach 3D-Vorstellungen hatte die Disney-Produktion hingegen eine Quote von 94%.
Was lässt sich also abschließend zum Stand von 3D sagen? Eigentlich nur, dass Kinobesucher nicht so dumm sind, wie Hollywood es wohl denkt, und dass sie ihre 3D-Kinobesuche gezielter aussuchen. Wäre eigentlich kein Grund zur Panik, jedoch ist in Hollywood jeder nicht verdiente Dollar eine mittlere Katastrophe. Insofern sollten 3D-Fans froh sein, dass international noch sehr viel Geld mit 3D verdient wird, wodurch sich die Wogen bei den Geschäftsführern und Aktien-Anteilshabern erstmal glätten können, bevor erneut über die Zukunft der 3D-Technik verhandelt wird.