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Quotenmeter am Samstag: Das Wochenendmagazin. Die Abschaltung des illegalen Streaming-Portals hat eine heftige Diskussion ausgelöst. Derweil wurde die Website der Verfolger aus Rache von Hackern lahmgelegt und ein Neustart des Services angekündigt.
Das Ende von „kino.to“ und seine Folgen
„Die Kriminalpolizei weist auf Folgendes hin: Die Domain zur von Ihnen ausgewählten Webseite wurde wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerbsmäßigen Begehung von Urheberrechtsverletzungen geschlossen.“
Diese Worte sind aktuell zu lesen, wenn man die Website des Online-Streaming-Dienstes „kino.to“ aufruft. Was war geschehen?
Am Mittwoch, den 08. Juni 2011, ließ die Generalstaatsanwaltschaft Dresden etwa 20 Wohnungen, Geschäftsräume und Rechenzentren durchsuchen sowie 13 Personen verhaften, die im Verdacht standen, mit dem Betreiben des Portals im Zusammenhang zu stehen. Zusätzlich wurden mehrere Streamhoster, auf denen verlinkte Raubkopien abgelegt worden wären, vom Netz genommen und die Domain „kino.to“ von der Polizei beschlagnahmt. Nach Angaben der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU) wird den Betreibern vorgeworfen, ein arbeitsteiliges parasitäres Geschäftsmodell zu betreiben, welches auf Grundlage von systematischen Verletzungen von Urheber- und Leistungsschutzrechten einzig zu dem Zweck etabliert wurde, allen Beteiligten dauerhafte Einkünfte aus illegalen Profiten zu verschaffen.
Damit musste das wahrscheinlich größte Streaming-Portal Deutschlands das anders als sein Name vermuten lässt, neben Kinofilmen auch Tausende Fernsehserienfolgen anbot, seine Aktivitäten vorerst einstellen. Ob mit dieser Maßnahme ein dauerhafter Sieg gegen solche illegalen Angebote erzielt werden konnte, darf bezweifelt werden. Im Juli vergangenen Jahres fand eine ähnliche Razzia in den USA bei der auf Serien spezialisierten Videoseite „TVshack.net“ statt. Auch damals gab es massenhafte Durchsuchungen und eine Beschlagnahmung der Website, doch nach nur vier Stunden war die Seite unter einer neuen Domain und mit einem chinesischen Registrar wieder online. Es bleibt daher abzuwarten, ob und wann ein Ableger von „kino.to“ wieder verfügbar ist.
BILDonline berichtete am Freitagnachmittag, dass es bereits Vorbereitungen für einen Neustart der Plattform geben würde. Dabei bezieht sich die BILD auf die Aussage eines angeblichen Uploaders von „kino.to“. Dieser würde behaupten, dass bisher nur die Hälfte der beteiligten Personen verhaftet wurde. Zudem habe man bereits seit Tagen von den anstehenden Durchsuchungen gewusst und daher sämtliche Dateien kopiert und an Dritte übertragen. Demnach soll schon in den nächsten Tagen der gleiche Service unter anderem Namen und mit verbesserten Sicherheitsvorkehrungen wiederbelebt werden. Die in diesem Zusammenhang häufig verwendete Hydra-Metapher scheint angesichts dieser Aussichten berechtigt zu sein.
Dass eine solche Aktion auch eine Gegenreaktion provozieren würde, war zu erwarten. So richtete sich die Rache einiger „kino.to“-Nutzer direkt gegen die GVU. Deren Internetseite wurde nur wenige Augenblicke nach Bekanntgabe der Stillegung des Portals von Hackern lahmgelegt. Die Gesellschaft war daher gezwungen auf einen gesonderten Blog auszuweichen, der auf einem anderen Server abgelegt ist. Zwar war die GVU-Seite am Freitag wieder aufrufbar, stand aber weiter unter starkem Angriff, sodass ein unbeschwerter Zugang kaum möglich war.
Während sich wenig überraschend Industrie und Filmverbände positiv über die Aktion äußerten, löste sie im Internet eine wahre Flut an Reaktionen, Tweets und Forendiskussionen aus. Dabei ist auffällig, dass es offenbar kaum ein Unrechtsbewusstsein bei den Nutzern solcher (illegalen) Streaming-Angebote gibt. Die Argumentationen und Rechtfertigungsgründe sind dabei stets ähnlich. Ein Großteil vertritt die Ansicht, dass die Film- und Serienindustrie selbst dafür verantwortlich sei, dass es solche illegalen Plattformen geben würde. Die Profitgier der Konzerne würde zu hohen Kino- oder DVD-Preisen führen und hätte die Einführung einer adäquaten, preiswerten sowie legalen Plattform bisher verhindert. Speziell für den Serienbereich lassen sich zahlreiche Vorwürfe finden, die eine zu große Verzögerung bei der Einfuhr und Ausstrahlung von amerikanischen Produktionen beklagen. Zudem fehle im Free-TV die Möglichkeit, Episoden auch in der Originalfassung ansehen zu können.
Vereinzelt wird in diesem Zusammenhang betont, dass von den Menschen erwartet würde, sich in einer globalisierten Welt zurecht zu finden, sie aber andererseits darauf angewiesen wären, welche internationalen Produktionen dem regionalen, deutschen Markt zugebilligt werden. Ähnlich äußerte sich auch Sebastian Nerz vom Bundesvorstand der Piratenpartei: „Die Medien-Industrie hat die Europäer von allen existierenden Streaming-Portalen ausgesperrt, ein lizenziertes deutsches Streaming-Portal gibt es nicht. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn Alternativ-Angebote entstehen. [...] Vielleicht sollte sich die Content-Industrie überlegen, den Betreibern einen Job anzubieten statt sie zu verfolgen“.
Mit dieser Idee steht Nerz nicht allein da, denn immer wieder wird in Foren und Kommentaren den Produktionsfirmen geraten, das Geschäftsmodell von „kino.to“ zu übernehmen. Sie sollen ihre Filme und Serien ebenfalls legal und kostenlos anbieten und dies über den Verkauf von Werbeplätzen finanzieren, denn in einem Punkt scheint sich die Netzgemeinde einig zu sein. Die Kriminalisierung von Millionen potenziellen Kunden wird nicht zu einer Steigerung der Kinobesuche, DVD-Verkäufe oder Einschaltquoten führen. Regelmäßig werden daher Parallelen mit der Musikindustrie gezogen, die bis vor wenigen Jahren ähnlich stark von der Raubkopiererei betroffen war. Diese habe aber mittlerweile erkannt, dass die Nutzer durchaus bereit sind, für Musikdownloads Geld zu bezahlen. Die Bedingung ist jedoch ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis sowie der Verzicht auf Nutzungsbeschränkungen. Hier hätte vor allem der Erfolg von iTunes die Konzerne zu einem Umdenken bewogen. Solche Schritte werden nun auch von den Film- und Fernsehproduzenten erwartet. Die Schuld für die massenhaften Urheberrechtsverletzungen ist demnach für die meisten Nutzer nicht etwa bei den Betreibern von Plattformen wie „kino.to“ oder deren Usern, sondern bei den Produktionsfirmen selbst, zu suchen. Juristen würden hier wohl von einer moralischen Schieflage der Verhältnisse sprechen.
Dies mag auch daran liegen, dass die rechtliche Situation bezüglich der Nutzung von illegalen Streams noch immer unklar ist, denn es fehlt ein höchstrichterliches Urteil zu diesem Sachverhalt. Viele Medienanwälte und Urheberrechtsexperten erwarten keine Verfolgung der Nutzer, weil die Filme und Serien nicht heruntergeladen und damit keine Kopien angefertigt würden. Dass dafür Einzelteile auf der Festplatte zwischengespeichert werden müssen, sei wegen deren Flüchtigkeit unschädlich. Die GVU vertritt erwartungsgemäß die Auffassung, dass diese vorübergehende Zwischenspeicherung durchaus als eigenständige Kopie zu betrachten und damit als strafrechtlich relevant zu bewerten ist.
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