Nach einem schwachem Start wurde die Serie zu einem der kreativsten Comedy-Formate der letzten Zeit und machte sich einen Namen als "Meta-Show".
Jedes Jahr starten dutzende neue Sitcoms und Comedyserien im amerikanischen Fernsehen. Nach einigen Jahren Flaute, in der eher etablierte Formate wie «Two and a Half Men» und «The Office», die US-Variante von «Stromberg», die Flagge der humoristischen Serien hoch hielten, wurde in der vorletzten TV-Saison das Comedy-Genre neu befeuert als es ABC gelang, einen ganzen Comedy-Tag rund um das auf Anhieb enorm erfolgreiche «Modern Family» aus dem Boden zu stampfen. Zahlreiche Versuche, den neuen Trend auszureizen, folgten seither, viele misslangen, die meisten scheiterten an ausgeleierten Comedy-Setups. Comedyserien um komplizierte Liebesbeziehungen kamen und gingen ähnlich wie altbackene Multicamera-Sitcoms. Dabei hat sich abseits des allgemeinen Zuschauerinteresses in den letzten zwei Jahren bereits eine der besten Comedyserien der jüngeren Fernsehgeschichte entwickelt: «Community».
Schon die Umgebung, in der «Community» spielt, verspricht viel Erzählpotential: Im Mittelpunkt stehen sieben Studenten eines sogenannten Community Colleges, auf dem Menschen unterschiedlichsten Alters und verschiedenster Herkunft ihren College-Abschluss nachholen können. So wie die Studierendenschaft des Colleges bunt gemischt ist, so trifft dies auch auf die zentrale Gruppe zu: Jeff, ein 33-jähriger Anwalt, dem die Zulassung entzogen wurde, weil sich sein Bachelorabschluss als ungültig entpuppte, TV- und Filmgeek Abed, der siebenfach geschiedene Pierce, der das College besucht, um im Rentenalter neue Leute kennen zu lernen. Gemeinsam mit vier weiteren Neuankömmlingen bilden sie eine gemeinsame Lerngruppe.
Leider oder letzten Endes gar zum Glück wussten die Autoren der Serie dieses Potential lange Zeit nicht auszuschöpfen. Die erste Hälfte der ersten Staffel quält sich durch einige müde Episoden, wirkt gewollt überdreht, aber irgendwie unfertig und konzentriert sich viel zu sehr auf die nicht vorhandene sexuelle Spannung zwischen Jeff und Mitstudentin Britta. Ein deutlicher Umbruch gegen Ende des ersten Jahres machte «Community» dann doch noch zu einem der hellsten Sterne am Comedyhimmel, zu einem Liebling der Kritiker und brachte ihr die Bezeichnung als "Meta-Show" ein. «Community» strotzt seither vor Popkultur-Referenzen, parodiert Kultfilme genauso wie es mit dramaturgischen Techniken spielt, überspitzt, übertreibt und die Grenzen der Realität in massiver Selbstreferenzierung verschwimmen lässt, ohne jemals endgültig den festen Boden des College-Alltags zu verlieren, der die Serie nährt.
In jeder Episode ist zu spüren, mit welcher Begeisterung und Kreativität die Macher befreit von den engsten Fesseln des ursprünglichen Konzeptes zu Werke gehen können. Immer wieder fallen Episoden komplett aus dem Rahmen, in denen sich das College in ein postapokalyptisches Szenario oder den Wilden Westen verwandelt - immer mit einer erklärenden Hintergrundgeschichte, die gerade ausgebaut genug ist, um die parodistischen Sequenzen zu tragen. Ganz stark wird «Community», wenn es das Fernsehen selbst auf die Schippe nimmt und seinem Ruf als "Meta-Show" gerecht wird - etwa mit einer bissigen Anspielung auf das zeitweise Konkurrenzprogramm «$#*! My Dad Says» oder in einer ganzen Episode, die als Parodie auf Clip-Shows, aus alten Folgen zusammengeschnittene Füllepisoden, angelegt ist.
Bei den diesjährigen Upfronts hat NBC die dritte Staffel der Serie bestellt - eine Verlängerung, die wahrlich kein Selbstläufer war, denn die Einschaltquoten von «Community» bewegen sich auf niedrigem Niveau. Ob die schlechte Qualität der ersten Folgen, der auf ein sehr spezielles Publikum ausgerichtete Humor der aktuellen Folgen oder letztendlich doch das massive Konkurrenzprogramm, das unter anderem aus «The Big Bang Theory», einer der derzeit erfolgreichsten Sitcoms auf dem Markt besteht, daran schuld hat, lässt sich kaum sagen. Zu hoffen steht jedoch, dass die begeisterte Fangemeinde sowie die positiven Kritiken die Serie noch länger am Leben halten bevor sie einer neuen Beziehungs-Comedy Platz machen muss.
Eine Clipshow bestehend aus neu gedrehten Clips aus Episoden, die es nie gab. Damit hat Community endgültig den Thron der Meta-Comedy erklommen und das ist nur eines von vielen Beispielen, die sich im Laufe der letzten anderthalb Staffeln boten. Sei es die mittlerweile legendäre Episode "Modern Warfare", in der eine ausgeartete Partie Paintball die Schule in Kleinholz zerlegt, die Zombie-Invasion zu Halloween oder die ganz eigene Weihnachtsepisode, in der die Figuren in Stop-Motion mithilfe von Knetfiguren animiert waren: «Community» findet immer wieder Möglichkeiten, die Grenzen auszutesten und so Pfade zur Parodie zu finden, die noch nicht von Film und Fernsehen ausgetreten wurden. Zumal sich die Figuren häufig den Kniffen bewusst sind, etwa dass sie Knetfiguren sind oder sich gerade in einer Bottle Show befinden, in der Budget gespart werden muss.
Letzteres ist bei «Community» glücklicherweise selten der Fall. Denn neben den ideensprühenden Drehbüchern ist der technische Aufwand, der geleistet wird nicht zu unterschätzen. In einer Zeit, in der selbst viele hochpreisig angekündigte Eventserien durch lieblose Sets und missratene Spezialeffekte negativ auffallen, schafft es diese zuschauerarme Comedyserie scheinbar mühelos, ein apokalyptisches Paintball-Spektakel zu veranstalten, das den ein oder anderen Actionfilmer neidisch machen dürfte.
Die dritte Säule neben Büchern und Technik, die «Community» trägt, sind die Schauspieler. Anfangs zuweilen etwas blass, sind im Laufe der zwei Jahre schillernde Figuren entstanden, die in der TV-Landschaft einzigartig sind. Wer hätte gedacht, in einem unbewusst frauenfeindlichen und rassistischen Rentner eine Sympathiefigur finden zu können? Auch die Buddy-Freundschaft zwischen Abed, dem Geek, der für sich genommen sicherlich eine der derzeit komischsten Rollen im TV verkörpert, und dem gescheiterten Quarterback Troy ist in dieser Form kein zweites Mal zu finden. Und auch Mauerblümchen Annie zeigte immer wieder, zuletzt im zweiteiligen Staffelfinale, zu welcher Präsenz sie fähig ist.
Langfristig wird sich «Community» entwickeln müssen, um den kreativen Fluss aufrecht zu erhalten. Versucht wurde das bereits in der zweiten Staffel, das Ergebnis ist allerdings eher der fade Beigeschmack eines ansonsten fabelhaften Jahres. Sowohl Pierces immer menschenverachtenderes Verhalten, um ihn schließlich von der Gruppe zu trennen als auch die folgenschwere Zombie-Affäre zwischen Shirley und Chang schaffen mehr Probleme als sie lösen. Im ersteren Fall entfremdet es den Charakter Pierce vom Publikum, im letzteren passen Charaktere und Geschichte einfach nicht zusammen. Denn seinen Charakteren bleibt «Community», so abgedreht die Story der Woche auch ausfallen mag, eigentlich immer treu.