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Die Kino-Kritiker: «Hangover 2»

Nach Las Vegas kommt Bangkok: Die Truppe aus «Hangover» kehrt mit einem neuen Filmriss zurück. Härter, boshafter, weniger originell.

Wieso brummt mir der Schädel? Wann habe ich das Zimmer so verwüstet? Wo ist meine Hose hin? Und, beim Deibel, wer liegt da neben mir?

Die Erfolgsrezeptur hinter dem Komödien-Überraschungshit «Hangover» aus dem Jahr 2009 ist so simpel wie genial, und deshalb verwundert es, wieso man nicht schon früher auf so eine Idee kam. Der im Bereich der schmuddelig-charismatischen Komödien bereits erfahrene Regisseur Todd Philips («Old School», «Road Trip») nahm sich einer gemeinhin bekannten Situation an: Man wacht nach einer Feier auf, erinnert sich an nahezu nichts und versucht herauszufinden, was los war. Natürlich spannte man in «Hangover» den Bogen weiter als im Alltag, ließ die verkaterten Protagonisten nach ihrer Junggesellenabschiedsfeier wie in einem absurden Kriminalfilm die abstrusesten Fehltritte der in Las Vegas verbrachten Vornacht aufdecken. Heraus kam eine freche, politisch nicht sonderlich korrekte und dennoch nicht geschmacklose Komödie, deren Helden man trotz all dem Scheiß, der ihnen passierte, irgendwie beneidete. Die einfallsreiche Situationskomik und der verschroben-liebenswerte Dialoghumor zwischen den Figuren machte «Hangover» zum Publikumsrenner, während die intelligent aufgebaute, für dieses Genre ungeheuerlich originelle Narrative «Hangover» dafür sorgte, dass es unerwartetes Kritikerlob und Filmpreise (darunter einen Golden Globe) regnete.

Mit dem finanziellen Erfolg (weltweit beinahe 500 Mio. Dollar) kam auch der Gedanke, eine Fortsetzung zu drehen. Inhaltlich ist das gleichermaßen gerechtfertigt, wie unerhört. Während es in Filmreihen wie «Stirb langsam» irgendwann unrealistisch wurde, dass der selben stinknormale New Yorker Polizisten zum zweiten, dritten oder vierten Mal mit derart ausgefuchsten Terroristen und Bankräubern zu tun hat, wird es wohl niemand anzweifeln, dass die selbe Gruppe von Freunden zweimal mit einem bösen Filmriss aufwachen kann. Gleichzeitig ist es in einer Actionfilmreihe weitaus weniger arg, wenn jeder Film die Abwandlung des gleichen Plots darstellt. «Hangover» wiederum lebte auch von seiner Andersartigkeit gegenüber der üblichen, räudigen Komödie. Diesen Film zu wiederholen, bedeutet zwangsweise, die Unverbrauchtheit des Originals zu verlieren, und somit auch eine Prise des kultigen Charmes. Es sei denn, man wirft alles über Bord, was «Hangover» seine Identität verliehen hat. Dann wäre «Hangover 2» aber nur irgendeine Komödie, die halt den Namen eines Kinoerfolgs ausnutzt.

Anhand der Trailer konnte man bereits ablesen, welchen Weg «Hangover 2» einschlägt: Erneut wird geheiratet, wieder einmal geht ein wichtiges Mitglied der Truppe verloren. Der im normalen Leben biedere Stu (Ed Helms) sieht sich mit seiner wilden Seite konfrontiert, der nicht lange zum so genannten Wolfsrudel gehörende Alan (der skurrile Sprüche am Fließband rausschnoddernde Zach Galifianakis) ist vollkommen verpeilt und Phil (Bradley Cooper) versucht sich als der das Chaos organisierende Anführer der Gruppe. Der im Vorläufer «Hangover» noch verschollene Doug (Justin Bartha) hat auch dieses Mal kaum etwas mit dem Trubel zu tun, statt eines Tigers hat sich das Trio einen Affen geklaut… So kann man den ganzen Film durchdeklinieren, und insbesondere die Struktur von «Hangover 2» folgt nahezu 1:1 dem Original.

Gewissermaßen zur Kompensierung der verlorenen Frische, trumpft «Hangover 2» mit böseren und abgedrehteren Situationen auf. Der Settingwechsel von Las Vegas zum exotischeren und potentiell gefährlicheren Thailand ist also nicht bloß eine kosmetische Veränderung, sondern schlägt sich auch auf die Gesamtstimmung des Films nieder. Bereits in «Hangover» hatten sie es mit Gangstern zu tun, hauptsächlich aber widerfuhr dem Wolfsrudel nur eine Ansammlung skurriler Ereignisse. In «Hangover 2» ist die Fallhöhe deutlich enormer, nicht nur das Selbstbildnis der Gruppe und eine wartende Hochzeit stehen auf dem Spiel, sondern angesichts der stärkeren Involvierung ins organisierte Verbrechen auch deutlich mehr. Als Konsequenz daraus ist der Humor von «Hangover 2» wesentlich derber, dreckiger und böser. Dies spiegelt sich auch in der Kameraarbeit wider: Die von Lawrence Sher («Garden State», «Stichtag») eingefangenen Bilder könnten zu weiten Teilen genauso gut aus einer Produktion von David Fincher stammen.

Erneut bleibt «Hangover 2», zumindest vor dem Abspann, über dem Niveau einer billigen Schock- und Tabubruchkomödie. Dennoch weicht der versteckte Feinsinn des Originals unübersehbar einem gröberen Humor. Alan, Stu und Phil sind deshalb nicht länger beneidenswert, dafür umso mitleidserregender – hätte man nicht so viel Spaß daran, sich ihren Horrortrip anzuschauen. Dabei hilft es natürlich auch, dass sich die Figuren charakterlich treu geblieben sind, und Regisseur/Autor Todd Philips sowie die Co-Autoren Scot Armstrong & Craig Mazin neben all der schwarzhumorigen Skurrilität nicht die tolle Dynamik zwischen ihren Hauptdarstellern vergaßen. Bei den Gastauftritten verlor man leider eine riesige Chance: Eine Sequenz mit einem verquarzten Tattookünstler leidet spürbar darunter, dass diese Rolle nicht wie anfangs geplant vom verpöhnten bösen Buben Mel Gibson gespielt wird. Man merkt, dass viel Raum für Selbstironie gelassen wurde, die mangels dieses Gastauftrittes nicht mehr aufgebaut werden kann.

Ob sich ein Kinobesuch von «Hangover 2» lohnt, hängt letztlich von folgenden Faktoren ab: Wer «Hangover» noch nicht gesehen hat, sollte den erstmal ganz klar nachholen, allein schon, um die gezielten Anspielungen auf den Film verstehen zu können. Wem bereits «Hangover» eigentlich zu derb war, und ihn allein aufgrund seiner Neuartigkeit mochte, sollte um «Hangover 2» besser einen weiten Bogen machen. Wer dagegen schon «Hangover» gerne schwarzhumoriger gehabt hätte, und kein Problem damit hat, zum Preis der narrativen Einmaligkeit lauthals über mehr Verrücktheiten zu lachen, der sollte sich «Hangover 2» unbedingt ansehen. Denn auch wenn «Hangover 2» sich selbst für alle möglichen Drehbuchpreise disqualifizierte: Die Gags sitzen noch immer, das Flair ist weiterhin vorhanden. Im Kern liefert «Hangover 2» also genau das, was diese Komödie liefern soll.

«Hangover 2» ist ab dem 2. Juni in vielen deutschen Kinos zu sehen.
30.05.2011 09:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/49919
Sidney Schering

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Tags

Kino-Kritiker. Hangover

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