►   zur Desktop-Version   ►

Hannes Jaenicke: 'Nicht nur herum- ‚pilchern‘'

Seite 2

Sie hatten in Namibia gedreht. Wie verliefen denn die Dreharbeiten? Waren Sie aufgrund der klimatischen Verhältnisse eine Herausforderung?
Man kann in Angola aufgrund der Minensituation nicht drehen, das wäre zu gefährlich. Also hatte sich das Produktionsteam für Namibia entschieden, ein direktes Nachbarland von Angola. In Namibia gibt es trotz einer Arbeitslosigkeit von über 50 Prozent verhältnismäßig stabile Verhältnisse und eine intakte Infrastruktur für Dreharbeiten. Der Regisseur war hervorragend vorbereitet. Mit den klimatischen Bedingungen sind wir gut klargekommen. Da ich schon am Nordpol, im Dschungel und in diversen Wüsten gedreht hab, war mir das sowieso egal. Aber dass die Schutzanzüge der Minensucher circa 25 Kilo wiegen war vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, in denen war es schon ziemlich stickig und schweißtreibend. Aber so etwas weiß man, bevor man den Film macht.

Gab es auch Szenen, die vielleicht besonders schwierig waren?
Mich haben besonders die afrikanischen Kollegen beeindruckt. Wir hatten beispielsweise Bühnenleute aus Kapstadt dabei, die mit einer unglaublichen Leidenschaft loslegten. Es gab eine Beerdigungsszene, da stand im Drehbuch nur, dass wir alle am Grab eines umgekommenen Minensuchers stehen. Doch dann hatte der Regisseur die Idee, die afrikanischen Schauspieler zu fragen, ob sie nicht ein angolanisches Trauerlied singen könnten. Die haben sich dann ein wenig schlau gemacht. Als wir später drehten, haben sie improvisiert. Und das so authentisch und einfühlsam, dass das Team kollektiv zu Weinen begann. Das war herzzerreißend. Es gab mehrere solcher bewegenden Momente im Film. Denn gerade die Afrikaner haben eine Spielfreude, die hat mich umgehauen. Egal ob bei den Proben oder bereits nach sechs Takes, sie waren immer hundertprozentig bei der Sache. Das ist bemerkenswert.

Sind Sie denn der Meinung, dass man gerade deshalb auch mehr solcher Filme machen sollte, die auf die Situation der Minensucher im südafrikanischen Raum aufmerksam machen?
Also ich bin schon einmal froh, wenn wir nicht nur herum- „pilchern“. Ich glaube aber nicht, dass man einen Film wie «Die Minensucherin» sofort wiederholen kann oder sollte. Es gibt so viele Baustellen auf der Welt, wo die Themenschwerpunkte von Filmen liegen könnten. Stichworte: Arabische Welt, Japan, Korruption, Lobbyismus. Es gibt unzählige Themen, die man da bearbeiten könnte. Deshalb bin ich froh, wenn man etwas machen kann, das jenseits der Schmonzette und des Krimis liegt. Daher bewundere ich auch den Mut des ZDF, zu sagen, wir machen mal einen Film zu einem echt schwierigen Thema.

Weil das Ausmaß der Problematik seit dem Wirken von Lady Diana nicht mehr bekannt war?
Ja, denn obwohl der Bürgerkrieg in Angola offiziell vorbei ist, ist er in Wirklichkeit eben noch nicht vorbei. Denn da treten jeden Tag noch Menschen auf Minen, die nicht geräumt worden sind, und das ist etwas, was die Welt einfach ignoriert. Das ist ein Thema, das wirklich brisant und auch – finde ich – in Vergessenheit geraten ist. Angola ist auch nur ein trauriges Beispiel. Auch Afghanistan und Kambodscha sind immer noch vermint.

Was haben Sie denn selbst über Minensucher in Afrika gelernt?
Dass die meisten Leute es machen, weil es für dortige Verhältnisse ein hochdotierter Job ist. Sie bekommen bis zu 500 Dollar im Monat, was in Afrika ein Vermögen ist. Das machen alle einfach aus existenziellen Gründen. Sogar alleinerziehende Mütter bewerben sich da, die Not ist groß. Die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch, so dass die Menschen wenig Beschäftigung und Perspektive haben.

Als Ausbilder Mason sind sie in «Die Minensucherin» dafür zuständig, dass die künftigen Minensucher über das nötige Know-How verfügen. Was muss ein Minensucher denn können?
Zwei Dinge. Konzentrationsfähigkeit und bitte keine Panikattacke bekommen, wenn man auf eine Mine stößt. Die Minen sehen aus wie ein harmloses Puderdöschen, doch sie reichen aus, um einen ganzen Panzer zu zerstören. Das bedeutet, wenn man als Minensucher auf eine Mine gestoßen ist, sollte man kein Herzrasen kriegen, weil nur eine falsche Bewegung fatal sein kann. Sie sind mittlerweile so gebaut, dass sie nicht nur beim Drauftreten explodieren, sondern schon, wenn man sie um nur 15 Grad neigt! Den Zynismus der Rüstungsindustrie kann man nirgendwo präziser studieren.

Auf der nächsten Seite erzählt Hannes Jaenicke von den Planungen zum viertel Teil von «Allein unter Töchtern» und seinen weiteren Projekten.
« zurück weiter »
03.04.2011 08:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/48674
Jürgen Kirsch

Artikel teilen


Tags

Sonntagsfragen Hannes Jaenicke Die Minensucherin

◄   zurück zur Startseite   ◄

Qtalk-Forum » zur Desktop-Version

Impressum  |  Datenschutz und Nutzungshinweis  |  Cookie-Einstellungen  |  Newsletter