In seinen ersten zwei Jahren präsentierte die Neuauflage der Serie aus den 80ern eine geradezu haarsträubende Mythologie und lässt Luft nach oben.
In der Saison 2009/2010 ging das Mysteryphänomen «Lost» auf ABC in die letzte Runde. Möglichst früh sollte ein Ersatz gefunden werden, um die entstehende Lücke zu füllen. Der heißeste Kandidat neben «FlashForward» war «V», die Neuauflage der Serie aus dem 80ern um außerirdische "Besucher" - im Englischen "Visitors" oder kurz "V" - die nur scheinbar in guter Absicht auf die Erde kommen.
«V» ist eine Serie, die man als Anhänger des Sciencefiction-Genres gut finden will, insbesondere im Angesicht der schwindenden Alternativen, der letztendlich aber kein besseres Urteil ausgestellt werden kann, als dass sie sich redlich bemüht, aber dann doch immer wieder an den eigenen Unzulänglichkeiten scheitert. Die einzelnen Geschichten sind spannend und temporeich in Szene gesetzt, das Gesamtgerüst bewegt sich aber über die ersten anderthalb Staffeln kaum von der Stelle. Stattdessen stolpern die Autoren von einem Logikloch ins nächste und tischen im Verlauf der zweiten Staffeln eine Mythologie auf, die an Abstrusität kaum noch zu übertreffen ist.
Das große Plus der Serie sind ihre beiden Hauptdarstellerinnen Morena Baccarin als Anna, die Königin der außerirdischen V, und Elizabeth Mitchell als Erica Evans, die Führungsperson des geheimen Widerstands. Sie sind es, die den beiden Fronten ein starkes Gesicht und Profil verleihen. Treffen Anna und Erica in der Serie aufeinander, so spürt man regelrecht wie die Luft vibriert. Damit können die weiteren Darsteller nicht mithalten, machen ihre Sache aber recht gut. Problematisch ist eher die Charakterarbeit, die besonders in der zweiten Staffel ziemlich aus dem Ruder läuft und kaum noch Sympathien zurücklässt.
«V» setzt auf große Effekte ohne dafür das Budget zu haben, was im auffällig künstlichen Look der häufigen Greenscreen-Aufnahmen sichtbar wird - unter anderem stammt das Innere des Mutterschiffes komplett aus dem Computer. Auch um detailreiche Texturen steht es bei den Effekten nicht zum Besten. Während den außerirdischen Gefilden damit noch ein interessant unwirklicher Aspekt verliehen wird, wird es peinlich, wenn landende Shuttles matschig aussehen oder bewusst in extremer Unschärfe gezeigt werden. Das hielt die Macher aber nicht davon ab, sehr häufig solche Szenen zu zeigen.
Ähnlich wie «FlashForward» hielt «V» nicht, was sich der Sender von der Serie versprach. Nach spektakulärem Start brachen die Quoten dramatisch ein, am Ende schleppte sich «V» als einziges neues ABC-Drama in eine zweite Staffel. Dieses Jahr sieht es ganz ähnlich aus. Nicht ein einziges neues ABC-Drama lief besser als das schwächelnde «V». Das macht Hoffnung auf eine weitere Verlängerung. Dass der Sender das Vertrauen in die Serie schon lange verloren hat, zeigte aber nicht zuletzt die kurzfristig Verkürzung der zweiten Staffel auf gerade einmal zehn Episoden. Auch kabel eins lässt Vorsicht walten. Der ursprüngliche Start am 4. März wurde gestrichen, ein neuer Termin steht noch aus.
Sciencefiction ist nicht das Genre, an das man strenge wissenschaftliche Maßstäbe anlegen sollte, auch wenn das Wort "Science" mit drin steckt. Was «V» den Zuschauern allerdings auftischt sprengt jegliche Grenzen glaubwürdiger Pseudowissenschaft - selbst als Laie muss man sich stellenweise veralbert vorkommen. Eine zerbröselte DNS - aber offenbar voll funktionstüchtig - die Platz für neue Gene hat, die mittels eines komplizierten Kreuzungsverfahrens in den Genpool der Aliens eingeschleust werden sollen, um deren DNS zu verdichten. Es wäre besser gewesen, es hier bei etwas abstrakterem zu belassen statt die Zuschauer in solchem Maße zu verschaukeln.
Auch von diesem Punkt abgesehen hakelt es bei «V» immer mehr an der Glaubwürdigkeit des Gezeigten. Am Ende der ersten Staffel wird die Welt in Angst und Schrecken versetzt, die Böden offenbar vergiftet, die außerirdische Anführerin verweigert den Kontakt, Tumulte brechen aus. Dann meldet sich Anna und sagt, dass alles zum Wohl der Menschen geschah und schon herrscht wieder Feierlaune. Es gibt einen internen Widerstand namens "Fifth Column", der offenbar überhaupt nicht agiert und später Erica lobend als Anführerin akzeptiert, obwohl sie eine Aktion nach der anderen extrem versiebt, unschuldige Menschen opfert und den V ein ums andere Mal in die Karten spielt.
Auch die Charakterführung ist in der zweiten Staffel ziemlich lausig. Ryan Nichols läuft über und agiert gegen den Widerstand. Kyle Hobbes wird ebenfalls zum Verräter. Auch die Verhaltensweise von Erica ist oftmals einfach nicht mehr nachzuvollziehen. Dass ihr Sohn Tyler einer der nervigsten Charaktere aktueller TV-Serien ist, ist dagegen schon vom Beginn der Serie an der Fall. Einzig Priester Jack zeigt sich auf Seiten der Menschen konsistent und konsequent und bleibt damit eine äußerst glaubwürdige Figur. Etwas vergeudet wird Gaststar Jane Badler aus der Originalserie. Ihre Diana verbringt den absoluten Großteil der Staffel mehr oder minder alleine in einem CGI-Dschungel.
Im Verlaufe der zweiten Staffel wird offenbart, was in der ersten höchstens an der Oberfläche angekratzt wird: Die Motive der Außerirdischen. Dass diese von einer Welt zur nächsten ziehen, um der eigenen Spezies genetische Besonderheiten einzuverleiben ist ein durchaus interessanter Aspekt. Je konkreter die Serie wird, desto mehr verwirrt sie allerdings. Concordia, Blue Energy, die Suche nach der menschlichen Seele, die Paarung von Tyler und Lisa - ein großes Ganzes will das nicht ergeben. Und das nicht nur, weil noch Puzzleteile fehlen, sondern weil die bisherigen schon nicht zueinander passen wollen.
Sollte «V» eine dritte Staffel erhalten und ABC damit der Schmach entgehen, in den vergangenen zwei Jahren keine überlebensfähige Dramaserie kreiert zu haben, so bietet sich die Möglichkeit zu einem starken Umbruch. Zwei Charaktere, die seit langer Zeit überflüssig erschienen, sind nun tot. Eine ganz neue Organisation ist ins Spiel gebracht worden, die Erica und ihrem verbliebenen Team ganz neue Möglichkeiten bieten sollte. Es gibt also durchaus Hoffnung, dass die Serie richtig durchstartet. Diese Hoffnung trieb einen als Zuschauer aber schon durch die ersten zwei Staffeln.