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Ohne Westerwelle geht’s auch

Sat.1 versucht sich wieder an einem Polit-Talk: Quotenmeter.de bewertet den Auftakt von «Eins gegen Eins».

Nun ist es also am ehemaligen „BamS“-Chefredakteur Claus Strunz, den politischen Talk im Privatfernsehen wieder salonfähig zu machen. Am Montagabend startete – zwar versteckt auf dem Sendeplatz um 23.30 Uhr, aber immerhin – das Format «Eins gegen Eins», in welchem sich dem Titel zufolge „zwei prominente Kontrahenten zum Rededuell“ treffen. Dieses Duell-Konzept ist auf den privaten Nachrichtenprogrammen weit verbreitet: Neben «Das Duell bei n-tv» setzt auch Michel Friedman in seinem N24-Talk auf jeweils zwei Gäste unterschiedlicher Meinungslager. Aber auch Strunz selbst, der mehrere Jahre lang seine eigene Talkshow bei N24 moderierte. Spätestens seit den berühmten Rededuellen vor Bundestagswahlen, die erstmals 2002 zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber stattfanden, ist dieses Konzept aus dem medienpolitischen Alltag nicht mehr wegzudenken.

Als „Arena der Argumente“ wird das Format vom Studiosprecher angekündigt, bevor Moderator Claus Strunz das Ruder übernimmt. Die erste Sendung von «Eins gegen Eins» beschränkt sich nicht auf ein spezielles Thema, sondern stellt eine der Grundfragen des heutigen politischen Diskurses: Wie sinnvoll ist es noch, wenn wir unsere Stimme den Volksvertretern geben? Dieses Thema ist für eine 45-minütige Talkshow höchst ambitioniert und breit gefasst, aber keinesfalls überraschend oder unüberlegt: Denn Claus Strunz bekräftigte vor dem Start der Sendung, dass man bei Sat.1 insbesondere die Zuschauer ansprechen wolle, die sich für Politik nur noch geringfügig oder gar nicht mehr interessieren. Für diese Menschen ist die Frage nach dem Sinn des Wählens interessant – damit kann man sie eher ansprechen als mit den üblichen Themen, welche im öffentlich-rechtlichen Talkshow-Zirkus umherwandern. Trotz der löblichen Ambitionen bleibt die Vermutung, dass ein solches Thema in kurzer Sendezeit allenfalls angerissen oder oberflächlich betrachtet werden kann. Dies bestätigt sich im Verlauf der Show.

Die Sendung beginnt mit einem kurzen Einspieler, welcher in das Thema einführt. So weit, so konventionell. Doch schon in diesem ersten Clip wird der Pro- und Contra-Anspruch von «Eins gegen Eins» deutlich: Eine Männerstimme stellt die positiven Folgen des Wählens hervor, eine Frau die Argumente gegen das Wählen angesichts der politischen Kehrtwende in Sachen AKW-Laufzeitverlängerung.

Direkt nach dem Einspieler beantwortet das Studiopublikum per Abstimmung die Leitfrage der Show, ob Wählen überhaupt noch Sinn mache. 80 Prozent stimmen mit ja ab – die Grundlage für die Diskussion ist damit gelegt. Moderator Claus Stunz begrüßt mit Guido Westerwelle (FDP) einen der prominentesten Politiker Deutschlands; sein Kontrahent ist Gabor Steingart, der Chefredakteur des „Handelsblatts“. Er präsentiert sich zwar nicht als Wahlgegner, aber als jemand, der angesichts der Änderung von politischen Haltungen wie im AKW-Thema die Glaubwürdigkeit von Politik hinterfragt. Der Austausch der Argumente – also das eigentliche Rededuell – vollzieht sich angesichts des gegebenen Themas hektisch und inkohärent. Ein Unterthema folgt also auf das nächste, auch wenn Moderator Strunz versucht, die Diskussion durch Zwischenfragen und weitere Clip-Einspieler thematisch einzuteilen.

Im zweiten Teil der Sendung wird das Duell zum Vierkampf, denn an Westerwelles und Steingarts Seite gesellt sich jeweils ein weiterer Verfechter der gegensätzlichen Ansichten. Dennoch bleiben die angesprochenen Personen Wortführer und haben die meiste Redezeit. Die Tatsache, dass nun sogar vier Personen in knapp fünfzehn Minuten zu einem solch basalen Thema reden, macht die schon zuvor hektische Atmosphäre fast chaotisch. Und somit bleibt dieser Aspekt einer der wenigen wirklich negativen Faktoren der ersten Sendung.

Ob das „Vermehren der politischen Einsichten“, wie ZDF-Talklady Maybrit Illner früher am Ende ihrer Sendung zu sagen pflegte, mit «Eins gegen Eins» gelingt, bleibt fraglich. Für ohnehin politisch Interessierte wirkt das Format in dieser Premiere zu oberflächlich und wenig ergiebig. Dies bestätigt interessanterweise auch die Abstimmung des Publikums zum Sinn des Wählens am Ende der Sendung: Hier entscheiden sich erneut 80 Prozent für ein positives Ergebnis, welches sich somit durch das inzwischen erfolgte Rededuell nicht verändert hat.

Die sogenannten „Polit-Muffel“, die Claus Strunz ja größtenteils ansprechen will, könnten sich aber vielleicht interessiert zugewendet haben. Denn Thema und Präsentation haben auch Zuschauer ohne Hintergrundwissen oder politisches Interesse angesprochen – negativ aber dürfte sich für diese Zielgruppe dann allerdings der teils zu schnelle, zu hektische Austausch immer neuer detaillierter, schwer nachvollziehbarer Argumente im Sekundentakt darstellen.

Insofern ist klar, dass es für «Eins gegen Eins» insbesondere darauf ankommen wird, die richtigen Gäste einzuladen: Dies sollten nicht unbedingt immer Politiker sein, die sich für dieses innovative Talk-Format im Privatfernsehen weniger eignen, sondern eher prominente Persönlichkeiten, welche für klare Argumente und Meinungen stehen – also die vielzitierten Stimmen des normalen Volkes. Abgesehen davon wirkten das Studiodesign und die Präsentation der Show sehr gut. Moderator Strunz hielt sich manchmal zu stark aus der Diskussion zurück und ließ sie dadurch teils entgleisen. Dennoch meisterte er seine Aufgabe, wie von N24 bekannt, größtenteils souverän und seriös. Das Fazit: «Eins gegen Eins» hat mit der Auswahl und Anzahl der Gäste Startschwierigkeiten, doch Grundkonzept, Leitthemen und allgemeine Präsentation stimmen und lassen auf vielversprechende weitere Sendungen hoffen.
22.03.2011 08:34 Uhr Kurz-URL: qmde.de/48500
Jan Schlüter

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Eins gegen Eins

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